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Das beste Schweinefleisch der Schweiz

Sie sind alt, sie sind selten – und sie sind saulecker. Die Rede ist von Berkshire-Schweinen, einer fast vergessenen englischen Rasse, die mitten im Zürcher Weinland eine Heimat gefunden hat.

Zürich Binz. Wir sitzen im Provisorium, einem Co-Working-Space, der an diesem Abend zum Dinnersaal umfunktioniert wurde, und geniessen ein Stück Schweinefleisch. Laura Schälchli von Sobre Mesa hat zur Libertine Kitchen gebeten, einer Serie von Dinners mit unterschiedlichen Köchen, die den Versuch der kulinarischen Abstraktion wagt. Heute kocht Mirjam Eberle mit den Produkten von Schweinezüchter Fabio Müller aus Oberwil Dägerlen in der Nähe von Winterthur. Das Kotelett vor uns nimmt unsere Sinne völlig ein. Wunderschöne Marmorierung, zart, saftig, geschmacklich intensiv, selbst das Fett ein Hochgenuss.

Einmal Kuro, immer Kuro

Schweinefleisch wird in der nächsten Zeit wohl anders schmecken, geht uns durch den Kopf. Fabio Müller lacht, als wir ihm davon einige Wochen später am Telefon erzählen. «Dass man nach Kuro-Schweinefleisch kein anderes Schweinefleisch mehr essen kann, höre ich nicht zum ersten Mal. Auch ein Mann hier aus dem Dorf hat mir schon gesagt, dass er das gemein findet», berichtet Müller. Seine Berk­shire-Schweine, die den Kern des Projekts Kuro darstellen, brachte Müller erst vor knapp drei Jahren in die Schweiz, Schweinezüchter wurde der studierte Industriedesigner aber schon vorher. Alles fing mit der Hochzeit eines Freundes an, für die Müller ein Ferkel organisieren sollte, das man dem Brautpaar schenken wollte. Das war im Jahr 2008.

Ein Ferkel zu finden, erzählt Müller, war nicht schwierig, die Aufzucht desselbigen auf einem Bauernhof bis zum schlachtreifen Alter zu organisieren aber schon. Eine Aufgabe, der sich Müller annahm und aus der nicht nur ein schmackhaftes Hochzeitsgeschenk resultierte, sondern auch das Projekt «Mein Schwein», das es Schweizer Fleischgeniessern ermöglicht, beispielsweise eine halbe Freilandsau zu kaufen.

Moderner Fleischkonsum also, regional und qualitativ hochwertig. Mit Kuro ging Müller dann noch einen Schritt weiter in Richtung Qualität, denn die schwarzen Berkshire-Schweine spielen im Gegensatz zu den «Rosafarbenen», wie Müller die konventionellen Mastschweine während unseres Gesprächs nennt, in einer ganz anderen Liga. «Ich selbst finde es faszinierend, dass die Fleischqualität noch mal so viel höher ist als bei den anderen Schweinen, die bei uns heranwachsen», erklärt Müller.

Alte Rasse mit Klasse

Und da wären wir wieder beim Anfang unserer Geschichte, beim Dinner in Zürich. Der Name Kuro bezieht sich übrigens auf die japanische Zuchtlinie des Berkshire-Schweins, die Kurobuta genannt wird. Kuro-Schweinefleisch gilt in Japan als Pendant zu Kobe-Beef, Gourmets sollten also spätestens jetzt aufhorchen. Auf die Frage, warum es denn nun das Berkshire-Schwein sein musste, findet Müller viele Gründe. Zum einen sei da natürlich die Fleischqualität, dann aber auch der Charakter der über zweihundert Jahre alten Rasse. «Berkshire-Schweine sind charakterlich sehr besonnen und deutlich weniger nervös als andere Rassen», erzählt Müller. Davon überzeugte er sich, bevor er die Schweine letztendlich in die Schweiz brachte, während einer Reise zu Züchtern nach Grossbritannien.

Lauscht man seinen Worten über diesen Aufenthalt, ist man beinahe versucht, an die Suche nach einem neuen Hund zu denken anstatt an die nach einem Nutztier, wie unsere Gesellschaft die Sau nennt. Bis die Tiere im Jahr 2017 dann den Boden im Zürcher Weinland betreten konnten, gab es aber noch eine gravierende Hürde zu überwinden – den Schweizer Seuchenschutz. «Unsere Schweine mussten zwölf Monate in Quarantäne bleiben, bevor sie auf den Hof durften. Davon drei Monate in England», erzählt Müller. Eine Massnahme, die ihm irgendwann absurd erschien, denn die Krankheiten, die ausgeschlossen werden müssen, bevor die Tiere offiziell vom Veterinäramt freigegeben werden, seien grösstenteils vergleichsweise milde Atemwegserkrankungen, die umso aufwendiger festzustellen sind. Irgendwann galten die Berkshire-Schweine dann zum Glück offiziell als seuchenfrei.

Qualität statt Effizienz

Mittlerweile umfasst die Kuro-Herde rund 120 Tiere, die in kleinere Gruppen unterteilt sind und auf knapp 2,5 Hektaren leben. Besucht man den Hofladen von Kuro, kann man natürlich auch die Schweine erleben. Dort findet man alle Spezialitäten, die Kuro anbietet, denn bisher gibt es nur wenige Verkaufsstellen für das vermeintlich beste Schweinefleisch der Schweiz. Blickt man jetzt auf die Weide, so Müller, ähnelt das Ganze einem frisch umgepflügten Acker, denn die Schweine graben die Wiese im Winter einfach um. «Das gibt es im Grunde bei keinem Label für Fleisch, denn da stehen die Schweine nirgends auf echter Erde, sondern immer auf Beton», erzählt er.

Ein weiterer gravierender Unterschied zwischen dem normalen Mastschwein und der Berk­shire-Sau ist das Wachstum. Während Letztere in einem Jahr etwa 50 Kilo zulegt, wiegt ein «Rosafarbenes» schon nach sechs Monaten mehr als 100 Kilo. Es braucht also viel Zeit, bis diese alte Rasse das Schlachtgewicht erreicht. Ein Grund übrigens, weshalb viele alte Schweizer Schweinerassen hierzulande verschwanden: die Effizienz. Und sicher ein Grund, weshalb der Genuss von Kuro-Schweinefleisch einem Point of no Return gleichkommt.


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8471 Oberwil Dägerlen
T: +41 79 7901462
kuro.ch

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T: +41 52 2131616
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bauernhof-werffeli.ch

Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2020

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