Besuchermagnet: Die Kuppel namens »TELUS World of Science« war einst eine der Hauptattraktionen der Weltausstellung und beherbergt heute wechselnde Ausstellungen.

Besuchermagnet: Die Kuppel namens »TELUS World of Science« war einst eine der Hauptattraktionen der Weltausstellung und beherbergt heute wechselnde Ausstellungen.
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Vancouver: Kanadas Küstentraum

Die Metropole bietet eine hippe Restaurantszene, hervorragendes Seafood und eine brodelnde Chinatown.

Uwe Boll ist Häme gewöhnt. Der teils in Vancouver, teils in Mainz lebende deutsche Filmproduzent, Regisseur und Drehbuchautor wurde mit Trash- und Actionfilmen à la »House of the Dead« zwar reich, muss aber mit dem von Kritikern verliehenen Titel »einer der schlechtesten Regisseure aller Zeiten« leben. Boll schlägt gern zurück: Fünf seiner verbalen Gegner lud er zum Show-Boxen nach Vancouver – und streckte sie alle nieder.

Nun steigt der Mann schon wieder in den Ring, an einer unerwarteten Front. Ende Mai eröffnete er in seiner zweiten Wahlheimat, wo auch seine Familie das milde Pazifik-Klima genießt, das Restaurant »Bauhaus«. Als Küchenchef engagierte er den Berliner Stefan Hartmann, der zu seinem mit einem Michelin-Stern dekorierten »Hartmann« noch ein Zweitlokal aufmachte und 2014 nach einem Finanzdebakel alles aufgeben musste. Nun soll Hartmann mit deutscher Spitzenküche die Gastronomieszene der Stadt aufmischen. Zum »Mittagstisch« gibt’s stadtfeine Versionen von »buletten« und »beef roulade«, mit dem Preis für das sechsgängige »Abendessen« ­– 110 Dollar – durchbricht Boll die ortsüblich knapp zweistellige Schallmauer. Sein klarer Auftrag an Hartmann im ersten Jahr: »das Nummer-eins-Restaurant in Vancouver zu werden«. Diesen Platz besetzt seit geraumer Zeit das elegante »Hawksworth« im »Rosewood Hotel Georgia« inmitten von Downtown, wo die Dichte an Ferraris, Lamborghinis und Maseratis jene in Monte-Carlo spielend in den Schatten stellt. Porsches oder die Luxusmodelle von Mercedes oder Audi sieht man hier im Minutentakt.

Hohe Restaurant-Dichte

Der zur Schau getragene Reichtum glänzt im sommerlichen Sonnenlicht, nirgendwo in Nordamerika sind Immobilien so hochpreisig wie in Vancouver. Reiche Chinesen investieren gerne in dieser angenehmsten Metropole Kanadas. Und nach kürzester Zeit kann jeder nachvollziehen, warum hier gern lebt, wer es zu Geld gebracht hat. Die Stadt ist sicher, das Wetter mild, Wasser ist allgegenwärtig, das Skigebiet Whistler in Sichtweite. Und die Dichte an guten Restaurants ist einzigartig.

Im »Hawksworth« und seiner exzellenten Cocktailbar trifft sich die feine Gesellschaft der Stadt und delektiert sich an der »contemporary canadian cuisine« von Chef David Hawksworth. Wie so oft in dieser Stadt mischt sich französische Klassik mit der exzellenten Produktvielfalt von British Columbia und asiatischen Aromen – schließlich hat mehr als die Hälfte der Einwohner Vancouvers asiatische Vorfahren. So gibt dem Wagyu-Beef-Carpaccio Béarnaise-Aioli den rechten Pep, scharf angebratener Heilbutt kommt im Laksa-Sud.

Doch der formelle Rahmen und das klassische Service wie im »Hawksworth« sind in dieser höchst entspannten Stadt eher die Ausnahme. Im Ausgehviertel Gastown findet sich unweit des »Bauhaus« eines der typisch lässigen Top-Restaurants neueren Zuschnitts. Makoto Ono betrieb zuvor in Hongkong und Peking Lokale, bevor er vor zwei Jahren das puristisch gestylte »Pidgin« eröffnete. Und noch ausgeprägter als die meisten seiner Kollegen serviert er einen panasiatischen Geschmacksbogen in seinem günstigen »prix fixe«-Menü. Zum Schweinebauch gibt’s Birnen-Kimchi, Bambus und Wachtelei, zum jungen Lachs grünes Apfel-Pistazien-Püree und Ikura-Rogen. Auf der Weinkarte finden sich – wie in vielen Lokalen – immer mehr »cool climate«-Weine aus British Columbia, die im Gegensatz zu den hoch besteuerten europäischen Importweinen zu relativ günstigen Konditionen auf der Karte stehen.

Apropos: Import zählt nicht zu den Lieblingsworten der Wirte von Vancouver. Muss es auch nicht. Beeren aller Art, große aromatische Kirschen und Bio-Gemüse erster Qualität kommen aus dem Umland. Und in Sachen Seafood wähnt man sich ohnehin in einem Paradies. Die Gewässer südlich von Alaska sind für ihren Reichtum an Lachsen weltbekannt, den formidablen »spot prawns« – einer lokalen Riesengarnele – ist sogar ein Festival gewidmet. Dazu kommen Pazifischer Heilbutt, Austern und mehr. »Böser« Fischfang ist in der Gastronomie absolut verpönt, kaum eine Speisekarte schmückt sich nicht mit dem Siegel des »Ocean Wise«-Programms.

Das Produktbewusstsein nimmt die neue Generation von Köchen in ungewohntem Ausmaß ernst. »The Farmer’s Apprentice« ist ein Lokal, an dem man vorbeigehen würde, käme man überhaupt je in diese Gasse in einem Wohnviertel des Viertels Kitsilano südlich von Downtown. Das Prädikat »alternativ« drängt sich auf, das Mobiliar wirkt zusammengewürfelt, Musik kommt von einem historischen Plattenspieler. Dennoch schaffte es das kleine Lokal 2014 zum »Restaurant des Jahres« im Vancouver Magazine. Küchenchef und Patron David Gunawan schreibt seine Speisekarte je nach Marktlage jeden Tag neu, seine Zutaten – vom Bisonfleisch bis zur »Yukon Gold«-Kartoffel – stammen aus handverlesenen Farmen des Umlands. Daraus fabriziert er optisch wie geschmacklich faszinierend einfache und intensive Gerichte wie handgeschnittene Linguini mit Seegurke, Muscheln, Tintenfisch und Kräutern – so delikat, dass man sich gleich noch eine Portion sichern möchte. In ähnlicher Spielart kocht Chris Whittaker im »Forage« im Studentenviertel West End. Das Lokal im Sixties-Design ist Vorreiter der »sustainable eating«-Bewegung, der Brunch am Wochenende stets ausgebucht.

Asiatische Spitzenküche

Völlig ausgeschlossen ist es, diese Stadt ohne kulinarische Ausflüge in die unzähligen Asia-Lokale zu verlassen. Vancouvers Chinatown ist – nach New York und San Francisco – die drittgrößte Nordamerikas und reich an Teehäusern, Souvenirläden und Lokalen. Zu den originellsten zählt die »Bao Bei Chinese Brasserie« mit nostalgischem Interieur, guter Musik, exzellenten Cocktails und einer Küche, die einen originellen Brückenschlag zu westlichen Essgewohnheiten schafft, ohne den chinesischen Kern zu verraten. »Kick Ass House Fried Rice« ist ein delikates Gemenge aus Schwein, Venusmuscheln, getrocknetem Heilbutt und Gemüse. Ein großer Stempel »Made in Chinatown. Filled With Love« prangt auf der Speisekarte. 

Gar nicht in Vancouver wähnt man sich im »Dynasty Seafood« in South Cambie südlich der Innenstadt. Die chinesische Community hat das kantonesische Großlokal fest in Beschlag genommen, ohne Reservierung geht wenig. Auch Vegetarier oder Fleischesser dürfen sich hierher trauen, die Stärke liegt aber woanders: Fisch, im Ganzen zubereitet, Meerestiere und Dim Sum, die hier in süchtig machender Qualität auf dem Tisch vor sich hin dampfen.

Zu den spannenden Asia-Adressen zählen etwa auch das »maenam« im Szeneviertel von Kitsilano, wo Angus An, ein Schüler des genialen David Thompson (»Nahm«, Bangkok), in einer unauffälligen Studentenbude faszinierende Thai-Küche zelebriert. Oder man speist an prominenterer Adresse direkt an der Waterfront im japanischen »Miku« Aburi Oshi Sushi – eine spezielle Spielart eines sekundenlang geflämmten Sushi mit Haussauce, deren Zutaten das Personal partout nicht herausrücken will. »Bronze« machte das »Miku« im Rating in der Kategorie »Best Japanese Upscale 2015« des Vancouver Magazine ­– im Mai wurden die spannendsten Lokale geehrt. Das in jahrelanger Serie ans »Hawksworth« verliehene »Gold« für »Best Upscale Dining« will Uwe Boll dem Allzeit-Favoriten 2016 abjagen. In Sachen Beliebtheit dürfte er keinen Preis machen. Zuletzt nannte er die Gastronomie der Stadt »boring«. Doch mit dieser Meinung steht der Mann ziemlich alleine da.

Aus Falstaff Magazin Nr. 05/2015

Alexander Bachl
Alexander Bachl
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