Busan: Zwischen Hochhäusern und modernen Ausgeh­vierteln schlummert noch das alte Korea.

Busan: Zwischen Hochhäusern und modernen Ausgeh­vierteln schlummert noch das alte Korea.
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Südkoreas Reise in die Zukunft

Schrilles Stadttreiben und stille Tempel, dampfendes Streetfood und schlichtes Mönchsessen, Bibimbap und Kimchi – Südkorea mit der Hauptstadt Seoul präsentiert sich heute als spannende Reisedestination voller Kontraste.

Hochhäuser, mehrspurige Schnellstraßen, viel Bling-Bling. Seoul ist in den letzten Jahren zu einer Megacity mit über zehn Millionen Einwohnern herangewachsen – mit Shoppingmalls an jeder Ecke und Ausgehvierteln mit einem Riesenangebot an Gastronomie und Show. Das »Lotte Hotel«, das zu einem der größten nationalen Unternehmen mit über 56.000 Angestellten gehört, glitzert in modernem Prunk. Oben im 35. Stockwerk der noblen Fünf-Sterne-Luxusherberge lässt sich ein anspruchsvolles Publikum von den modernen Kreationen des französischen Sternekochs Pierre Gagnaire verwöhnen und feiert den Glamour mit Champagner und spektaku­lärem Blick auf die Bukhan-Berge und die Millionen Lichter von Downtown Seoul.

Solche im internationalen Stil designten Plätze gibt es viele in dieser Metropole, die manchmal so wirkt, als würde sich die Welt hier etwas schneller drehen als anderswo.

»Work hard, enjoy hard.« Das Lebensmotto der Koreaner ist kurz und knackig. Und so beginnt auch Seoul freitagabends zu kochen. Aus den Gar­küchen vor den grell erleuchteten Shoppingmalls dampft es köstlich. Hier ein Happen, dort ein Häppchen. Und auch in den vielen kleinen Restaurants an den Straßen drängen sich die Gäste zu den aktuellen Beats, die aus den Boxen dröhnen. Was hier so gut duftet, ist Bulgogi – dünn geschnittene, marinierte Fleischscheiben, die auf dem Tischgrill zu­bereitet werden.

Dazu gibt es Kimchi, ein scharf eingelegter Chinakohl – ein »Must-eat« zu jedem Essen. Jeder Haushalt hat sein eigenes Familien­rezept, und auch wer außerhalb isst, muss immer wieder mit Überraschungen rechnen. Bisweilen unterscheidet sich die Zubereitung des durch Milchsäuregärung zubereiteten Gemüses stark.

In den Provinzen Jeollabuk-do und Jeollanam-do im Südwesten von Südkorea werden zum Beispiel gerne viele Austern beim Herstellen von Kimchi verwendet, in anderen kommen Äpfel hinzu. Eine kleine Wissenschaft, die eine große Rolle in der koreanischen Küche spielt. Verschiedene Kochschulen in Seoul bieten dazu eigens mehrstündige Zubereitungskurse an.

Bibimbap und Buddha

Serviert wird in den Restaurants der Hauptstadt natürlich auch die Nationalspeise Bibimbap, ein Reisgericht mit verschiedenen Gemüsen und gehacktem Rindfleisch sowie einem rohen oder gekochten Ei, das mit verschiedenen Gewürzen aromatisiert ist. Der Name Bibimbap kommt von »bapeul bibida«, was so viel wie »Reis umrühren« oder »Reis mischen« heißt – eine genaue »Arbeitsanleitung« für ein Gericht, bei dem alle Zutaten separat serviert werden. Mit einem Löffel muss nun das Ganze gut vermengt werden – und fertig ist der Genuss.

Neben den in den Himmel wachsenden Hochhäusern und ausladenden Shoppingmalls, modernen Ausgehvierteln und Streetfood westlichen Stils trifft man in Seoul natürlich auch noch auf das alte Korea. Sparsam dosiert, fein restauriert und inszeniert: Schlangen von Schulklassen und Touristen bilden sich schon frühmorgens vor dem jahrhundertealten Gyeongbokgung-Königspalast. Mit ihren bunten Holzbauten, eingefassten Innenhöfen und Gärten nimmt sich die weitläufige Anlage aber eher wie eine asia­tische Disneyland-Version aus, in der bunt kostümierte Garden ihren groß inszenierten Auftritt haben.

Viel hat der Korea-Krieg Anfang der 1950er-Jahre ja nicht von der Vergangenheit des Landes übrig gelassen. Umso mehr wird die historische Bausubstanz – zum Beispiel die sechs Paläste der Joseon-Dynastie – gehegt und gepflegt.

Szenenwechsel. »Absolute Stille, bitte!« Der kahl geschorene Mönch im orangefar­benen Gewand schaut freundlich, aber bestimmt in die Runde. Seine Gäste in der Tempelanlage auf der Insel Ganghwado vor der Westküste Südkoreas sind mit ihm um vier Uhr in der Früh aufgestanden und haben ihn zum »Gruß an Buddha« in den alten Tempel begleitet. Nun teilen sie mit den Mönchen das »Baru Gongyang«, ein zeremonielles Essen, bei dem weder gesprochen noch mit dem Geschirr geklappert werden darf. Nach dem lärmigen Großstadttrubel von Seoul wirken die meditative Ruhe inmitten der grünen, hügeligen Landschaft, die fast ungewürzten Speisen und das schlichte Nachtlager wie aus der Zeit gefallen. Nur das Knattern der Hubschrauber, die nachts über der Tempelanlage kreisen, reißt einige der Gäste aus dem Schlaf: Sie liegt in der Nähe zur nordkorea­nischen Grenze.

Grenzerfahrung

Dorasan: Ein riesiger, moderner Bahnhof aus viel Glas und Stahl, die Bahnsteige leer. Die Gleise führen nach nirgendwo. Denn ein Zug wird hier, zum nördlichsten Bahnhof Süd­koreas, nicht kommen. Willkommen an der Grenze zu Nordkorea!

Ein vier Kilometer breiter und 248 Kilometer langer Streifen, der die koreanische Halbinsel vom Gelben bis zum Japa­nischen Meer durchzieht. 70 verschiedene Säugetierarten und 300 verschiedene Vögel findet man hier – und über 10.000 versteckte Landminen. »Die demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea gilt als die vor Waffen strotzendste der Welt«, sagt ein Mitglied der Schweizer Delegation in der neutralen Überwachungskommission, während man von der von Touristen gern genutzten Aussichtsterrasse weit in den kommunistisch-diktatorischen Norden blickt.

Formell gibt es nur ein Waffenstillstandsabkommen zwischen beiden Staaten. Die demilitarisierte Zone wurde 1953 nach dem drei Jahre andauernden Koreakrieg eingerichtet.

Die drei blauen Baracken, die in Panmunjeom genau auf der letzten Grenze des Kalten Krieges stehen, sind gespenstische Zeugen des bitteren Konflikts: Hier verhandelten beide Parteien über Krieg und Frieden. Draußen vor den Gebäuden demonstrieren grimmig blickende Soldaten beider Seiten immer noch ihre Macht.

Busan – Grossstadtflair mit Strandanschluss

Was bewegt sich denn da, in den roten, gelben und blauen Wannen? Sind es Muscheln, Schnecken oder Krebse? Ehe man sich versieht, landen die braun-schwarzen Lebe­wesen in einer Plastiktüte und dann im Einkaufskorb einer der vielen Koreanerinnen, die über den berühmten Jagalchi-Markt in der Nähe des Hafens von Busan eilen.

Tagsüber hatte noch die Sonne von einem makellosen Himmel geschienen, die bunten Schirme am Strand von Haeundae flatterten im Wind. Jetzt sind die Touristen in die weltgrößte Shoppingmall gefahren, in der man wochenlang einkaufen könnte.

Der Strand ist leer, der Fischmarkt dafür umso voller. Es wird fürs Abendessen eingekauft und das Angebot an Meerestieren wie Makrelen, Krabben, Seescheiden oder Walfleisch ist sensationell auf dem beliebten Fischmarkt in der zweitgrößten Stadt Südkoreas. Während im Containerhafen – übrigens einer der umsatzstärksten der Welt – noch gearbeitet wird, schwappt es hier aus Eimern und Wannen. Ein lautes Stimmengewirr vermischt sich mit den Rufen der Jagalchi Ajumma, der Frauen, die hauptsächlich den Markt betreiben. Sie sind weit über die Grenzen Busans bekannt. Gleich um die Ecke, ein Viertel mit engen Gassen und der berühmten »Millak-Dong (Raw Fish) Street«.

Hier wird der frisch auf dem Markt gekaufte Fisch in köstlichen Sashimi oder in eine scharfe Seafood-Suppe verwandelt. Man sitzt mit Blick auf den Gwangalli Beach und das Sternenzelt-bekränzte Meer und will beim besten Willen nicht tauschen mit einem Platz im Sternerestaurant!

Ggultarae – Honigfäden

Ggultarae wurde früher am Königshof serviert. Heute findet man diese Nascherei überall in Südkorea, vor allem auf den Nachtmärkten. Die süßen Fäden bestehen aus Honigmalz. Ein Ballen wird immer wieder von Hand auseinander­­gezogen, bis feine Fäden entstehen. Schon das Zusehen macht Spaß, die Verkäufer machen gerne eine Show aus der Zubereitung. Ganz besonders Schnelle schaffen es, bis zu 16.000 feine Fäden zu ziehen. Man isst sie dann um Erdnüsse, Pinienkerne oder andere Nussarten gewickelt.

Reisetipps

»Korean Air« fliegt täglich nonstop von Frankfurt nach Seoul:
www.koreanair.com

Eine 7-tägige Rundreise ab 1952 Euro gibt es z. B. unter
www.tischler-reisen.de.

Weitere Infos:
www.visitkorea.or.kr

Aus Falstaff Magazin Nr. 06/2016

Brigitte Jurczyk
Autor
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