Thüringen ist für seine Wurstspezialitäten berühmt.

Thüringen ist für seine Wurstspezialitäten berühmt.
© DZT, Benedikt Steinle

Long Weekend: Kulinarische Entdeckungsreise durch Thüringen

Kleines Land, große Kulinarik! Thüringen ist deftig und sanft zugleich. Hip und urban, gemütlich und urig. Die Foodblogger Toni und Bene nehmen uns mit nach Mitteldeutschland. Und Beagle Emil ist auch dabei.

Eine Landschaft die verzaubert

Wir beginnen unseren Long-Weekend-Trip im kleinen Städtchen Bornhagen, der Heimat des »Klausenhofs«, wo wir auch gleich einchecken. Im Schatten der Hansteiner Burg gelegen, kann man in dem familiär geführten Hof mit Gästezimmern und Wirtshaus hervorragend die Seele baumeln lassen. Die Zeit scheint stehen geblieben, man wird von einer traumhaften Landschaft, fantastischen Speisen und der Reise in eine längst vergangene Zeit verzaubert. Denn nicht nur das traumhafte Fachwerkgebäude selbst ist einige hundert Jahre alt, hier im »Klausenhof« kann man sich selbst wie ein Ritter fühlen! Im-Heu-Schlafen, Ritterschmaus an langen Tafeln oder Kräuterwanderungen im Burggarten – eine historische Erlebnisreise, die richtig Spaß macht!

Und schon geht es um die Wurst

Über die Stadtgrenze hinaus ist sie bekannt, die Eichsfelder Wurst. Warm verarbeitet und luftgetrocknet, besteht sie einzig aus Schweinefleisch. Das besondere hierbei ist die kaum mehr verbreitete Warmschlachtung. Das Fleisch wird unmittelbar und noch warm verarbeitet. Und dass am »Klausenhof« die eigene Wurst gemacht wird, verwundert nicht, gibt es doch sogar ein eigenes Wurstmuseum, wo man sich alle Stationen einer traditionellen Hofschlachtung bis hin zur fertigen Wurst anschauen und später im Restaurant kosten kann.
Alles aus der Region
Naturnah kochen ist am »Klausenhof« nicht nur das Motto, es wird gelebt! Abends füllt sich der idyllische Biergarten vor dem Fachwerkhaus mit Leben und Gäste von nah und fern werden hier verwöhnt. Als Einstieg genießen wir eine grandiose Platte aus eingelegtem Harzer Käse, Apfelkompott, selbst gemachter Eichsfelder Wurst und Landbrot – die geballte Regionalität auf einer Platte! Auch die Kombinationen aus Wild und Thüringer Klößen oder Schweinemedaillons und frischen Kräutern aus dem eigenen Garten schmecken köstlich. Beim Erdbeer-Lavendel-Tiramisu mit Hollerblüteneis und Lavendelschaum sitzt man dann wirklich mitten im Kräutergarten.

Wir gehen auf die Pirsch

Nach einer Nacht am »Klausenhof« geht es am nächsten Tag sehr früh raus. Gemeinsam mit Chef und Inhaber Klaus Röhrig begeben wir uns um 6.30 Uhr auf die Pirsch. Unser Beagle Emil ist natürlich begeistert, gibt es doch einige Wildspuren zu erschnüffeln, während Herr Röhrig uns mit viel Liebe und dem einen oder anderen lyrischen Einwurf von der Natur und der Vielfalt der Obstbäume und Kräuter berichtet, die man hier direkt vor der Haustüre findet. Höhepunkt der Tour ist der Besuch im Burggarten, von Röhrig und seinem Team liebevoll und mit viel Expertise bewirtschaftet. Neben bekannten Küchenkräutern finden sich uralte Sorten, die neu kultiviert werden. Und schließlich auf den Tellern im »Klausenhof« landen

Mit der Draisine durchs wunderschöne Eichsfeld

Um einen wirklich besonderen Eindruck von der Landschaft (und ein wenig Bewegung) zu bekommen, sollte man sich Zeit für eine Draisinen-Fahrt (LINK: https://erlebnis-draisine.de ) nehmen. Mit einer Fahrraddraisine kann man ab dem Bahnhof Lengenfeld auf der Strecke der alten Kanonenbahn über das spektakuläre Lengenfelder Viadukt und durch mehrere Tunnel fahren und auf bis zu 20 Kilometern Strecke die Landschaft genießen und Geschichte erleben, bis die Waden brennen. Neben Kulinarik hat das Eichsfeld aber auch altes, traditionelles Handwerk zu bieten, wie zum Beispiel die Stockmanufaktur Geyer. Hier werden schon seit 1850 in Handarbeit Gehstöcke hergestellt. Wer ein wenig mehr über die Geschickte der Stockmacher in Lindewerra erfahren möchte, schaut am Besten im Stockmacher-Museum direkt im Ortskern vorbei. Hier entdeckt man dann auch Skurriles wie einen Sitz- oder (besonders praktisch) einen Einkaufs-Stock mit praktischem Taschenhaken.

Wir entdecken Erfurt

Die Erfurter Altstadt mit den alten, liebevoll restaurierten Fachwerkhäusern lädt zum Flanieren ein. Nicht nur durch Martin Luther, der einst hier studierte, ist Erfurt auch als Universitätsstadt bekannt. Beim Blick vom Petersberg aus, fällt erst so richtig auf, wie viele Kirchen sich aus dem Stadtbild recken.  22 sind es insgesamt, der Dom und die Severikirche am Domplatz die bekanntesten davon. Noch bekannter sind nur die kulinarischen Highlights.

Von Klößen und Bratwürsten

Wer kennt sie nicht, die Thüringer Rostbratwurst? Klar, dass man diesen Klassiker in Erfurt überall findet. Wir lassen uns die knusprige Wurst im Schatten des Doms schmecken und erfahren Wissenswertes über ihre Geschichte und Zubereitung. Die Spezialität besteht hauptsächlich aus Schweinefleisch und wird mit Majoran, Kümmel und Knoblauch gewürzt. Aber natürlich hat jeder Fleischer seine eigene Gewürzmischung, denn schon bei der Frage, ob Kümmel hinein gehört oder nicht, scheiden sich in Erfurt die Geister. Wo sich aber alle einig sind: Feines Brät muss sie haben, mindestens 15 cm lang und auf dem Grill angebraten muss sie sein. Seit 2004 ist der Begriff »Thüringer Rostbratwurst« übrigens geschützt. Serviert wird sie klassisch mit Senf und Semmel, ergänzt haben wir das ganze mit einem kühlen Schwarzbier.

Der zweite Klassiker, den man in Thüringen kennen und probieren sollte, sind die Thüringer Klöße. Handgeformt und riesig – unsere haben bestimmt 15 Zentimeter im Durchmesser – werden sie aus einem Drittel gekochten und zwei Drittel rohen, geriebenen Kartoffeln hergestellt. Gemäß der Deftigkeit der Thüringischen Küche, werden die Klöße meist zu Fleischgerichten mit viel »Tunke« (Sauce) serviert.

Genussexplosion auf der Krämerbrücke

»Wir sind da. Wir stehen auf der Brücke« ... sagt unsere Stadtführerin und grinst uns an. Wir schauen irritiert, aber so geht es wohl jedem, der das erste Mal in Erfurt ist und die Krämerbrücke besuchen möchte, oder besser »sucht«. Warum? Die »Brücke« ist beidseitig mit einer hübschen, zwei- bis dreistöckigen Bebauung von Fachwerkhäusern eingeschlossen. Wer die Häuserzeile entlang schaut, bemerkt einfach nicht, dass er sich auf einer Brücke befindet. Was uns aber sofort auffällt: Wir sind im Herzen der Erfurter Spezialitätenwelt gelandet.

Wir gehen auf Genuss-Tour auf der Krämerbrücke

Wir starten im Nougatparadies Viba. Gegründet von Willi Viebahn im Thüringischen Schmalkalden, werden seit 1893 süße Versuchungen mit Nougat hergestellt. Das Urprodukt ist die Nougatstange, die nicht zufällig an die Form einer Zigarre erinnert. Als Herr Viebahn die Manufaktur gründete, hat er sich von einem Zigarrenhersteller eine alte Zigarren-Maschine gekauft und diese umfunktioniert. Der Rest ist Kulinarik-Geschichte. Im Showroom finden sich heute Nougatpralinen, Schokoladen und seit kurzem auch wunderbare Kuchen, die im Café im ersten Stock serviert werden. Im Jahr 2000 wurde übrigens bei Viba die weltweit größte Nougatstange (3,5 Meter lang und 700 Kilo schwer) produziert. Wir lieben Nougat, aber das wäre selbst uns zu viel…
Auf zur Backstube
Altes Handwerk - neu belebt und gelebt. Mehl aus Thüringen, alle Zutaten in Bio-Qualität und alles Handarbeit – das schmeckt man! Wichtig ist den Betreibern der Backstube auch die Nachhaltigkeit, denn es wird nur das produziert, was am Tag verkauft wird. So kann es auch mal sein, dass am späten Nachmittag schon die Fahne vor der Tür abgehängt wird: Wir sind ausverkauft.

Wir schlemmen weiter

Süß geht es weiter in der Schokoladen-Manufaktur Goldhelm. Feinste Schokolade in Handarbeit wird hier hergestellt, das Grundprodukt – die Kakaobohne – kommt aus Peru, die wunderschönen Verpackungen werden vom Chef persönlich gezeichnet. Unser Fundstück im Laden: Die Praline im Glas. Wir löffeln herzhaft.
Die geballte Ladung Thüringer Spezialitäten auf einem Fleck erleben wir erneut auf der Krämerbrücke: Im Thüringer Spezialitäten Markt von Bettina Vick. Ein riesiges Angebot an Eierlikören, regionalen Bieren, Senf in mehr als 20 Geschmacksrichtungen, Wurst und vieles mehr stapelt sich in dem kleinen Laden und lädt zum Stöbern, Verkosten und Kaufen ein. Die Inhaberin lebt und liebt Regionalität und bietet mit Ihrem Onlineshop auch die Möglichkeit, sich diese in urigen Holzkisten nach Hause zu bestellen (auch nach Österreich).
Jetzt wird es flüssig. Nebst Eierlikör gibt es in Erfurt noch mindestens zwei weitere regional produzierte Köstlichkeiten, die man probiert haben sollte. In der Destille Erfurt, gleich neben dem Dom, am Petersberg im alten Kanonenhof gelegen, werden wir fündig. Ob Edelbrände, Geiste, Liköre, Whisky oder Gin – das Sortiment ist groß und daher sollte man etwas Zeit mitbringen, um sich in der Kühle des Gemäuers durchzukosten. Wer doch lieber ein kaltes Bier trinkt, sollte der Brauerei Heimathafen einen Besuch abstatten. In einem Gebäude am alten Güterbahnhof braut Gründer Jan Schlennstedt vier Sorten Bier, etwa das leicht gehopfte Helle »GaBi« (steht übrigens für GaragenBier), wohl nach der Location der Brauerei am Erfurter Güterbahnhof benannt. »EgOn« (ein hopfenbetontes Pils) oder das Pale Ale »JaCk« werden in kleinen Mengen gebraut. Passend zum eher heißen Wetter durften wir uns mit dem leichten »HoLa« erfrischen – einem 3,5-prozentigen Hopfenlager, das – leicht süffig und fruchtig gehopft – das perfekte Sommerbier abgibt.

Das Kleinod »Bachstelze«

Kein Besuch in Erfurt sollte ohne einen Abstecher an den Stadtrand auskommen, um sich in der »Bachstelze« verwöhnen zu lassen! Auf der Website beschreiben die beiden Gastgeber Maria Groß und Matthias Steube ihr kulinarisches Paradies als »Zaubergarten mit Himmelblick«. Dem können wir nur beipflichten. Wir sind verzaubert! Von einem wunderschönen Fleckchen Erde, einem grandios-herzlichen Gastgeber und kulinarischen Genüssen, die so perfekt auf den Punkt gebracht sind und uns sagen, dass ein gutes Grundprodukt auch ohne viel Chichi auskommt. So kommt es nicht von ungefähr, dass wir einen kompletten Nachmittag lachend, essend und trinkend in diesem verwunschenen Garten verbringen. Es gibt hier keine Tischdecken, keine Etikette oder Kleiderordnung – es gibt Lachen, Freude und unglaublich gutes Essen. Die Gastgeber haben sich in jeder Ecke des Lokals verwirklicht und wollen, dass der Gast sich mit allen Sinnen auf dieses Erlebnis einlässt. Alle verwendeten Produkte kommen aus der Region, der Fokus liegt auf den Zutaten, auch viele Weine kommen aus Thüringen. Da gibt es einen Biohof, der extra für die »Bachstelze« Gemüse anbaut, einen Fischer, der immer frisch liefert und einen eigenen Kräutergarten, der als Spielwiese für Maria Groß dient. Die Chefin kocht selbst. Und alleine. Es gibt ein Menü, das im »Foodsharing«-Prinzip auf großen Tellern in der Tischmitte serviert wird. Jeder nimmt sich das, worauf er Lust hat. Im Sommer wird am Wochenende zusätzlich einer der fünf Grills vom Grillexperten angeschmissen und der Biergarten bespielt. Matthias Steube hat auch für uns den Grill angeworfen. Aufgetischt wird eine auf Zedernholz langsam zart und saftig gegarte Forelle, gefüllt mit Gemüse und Kräutern aus dem Garten, gewürzt mit etwas grobem Salz und ein perfekt gekühlter Wein dazu. Mehr braucht es nicht, um glücklich zu sein.

INFO

Für mehr Infos über das Reiseland Deutschland und Thüringen einfach auf diese Links klicken:
Culinary Germany: www.germany.travel
Thüringen: www.thueringen-entdecken.de

Toni Kögl
Blogger
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