Die berühmte Barcolana im Golf von Triest ist mit mehr als 2500 Booten die weltweit größte Segelregatta.

Die berühmte Barcolana im Golf von Triest ist mit mehr als 2500 Booten die weltweit größte Segelregatta.
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Long Weekend in Triest

Triest, die alte, etwas zugige k. u. k. Hafenstadt an der Adria. Sie ist eine kulinarische Kosmopolitin. Und ihre lange Geschichte lässt sich aus den Kochtöpfen herausschmecken.

Freitag

Triest war lange unter Habsburger-Herrschaft und Schnittpunkt der Kulturen, Geschmäcker und Traditionen. Das merkt man noch heute.

Wer auf der Autostrada Alpe-Adria nach Süden fährt, gelangt hinter Udine an eine Weggabelung, die wesentlich mehr teilt als einfach nur die Autobahn. Es sind zwei Welten, die hier vor einem liegen: Wer nach Westen abbiegt, gelangt nach Venedig, jenes zuckersüße, überlaufene Italo-Disneyland, in dem sich Klischees konzentrieren wie Fettaugen auf einer Minestrone. Entscheidet man sich hingegen für den Weg nach Südosten, kommt man nach Triest – und damit in eine Welt, wie es sie kein zweites Mal gibt in Europa. Denn die Stadt im letzten Winkel des Landes, die im Norden vom Karst-Gebirge begrenzt wird, im Osten von Slowenien und im Südwesten von der Adria, vereint mehr Kulturen, Traditionen und Einflüsse in sich als jede andere in Italien. Seit Jahrhunderten haben die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen zahlreicher Herrscherhäuser hier Spuren hinterlassen. »Die einzige Konstante in der Geschichte Triests ist der Wandel«, sagen Kenner. Und so macht es einem die Stadt auch nicht leicht, sie sofort zu mögen. Wer sich aber vom schroffen Charme Triests nicht abschrecken lässt, wird mit einer unendlichen Vielfalt an Eindrücken belohnt. Gesellschaftlich, kulturell und vor allem kulinarisch.

Triestiner Mikrokosmos

Wir tauchen ein in die Welt der Triestiner Kaffeehäuser, die auch in Wien stehen könnten, flanieren über prächtige Plätze und genießen die Köstlichkeiten in den Buffets, jener Triestiner Form des Schnellimbisses. Hier wird das kulinarische Erbe der Habsburger-Monarchie bewahrt: Prager Schinken con cren, böhmische Mehlspeisen und Weine aus dem Karst oder Collio. Bei »Da Pepi«, nur ein paar Schritte von der Börse entfernt, gibt es tutto di porco, alles vom Schwein: gesottene Ohren, Füße oder Saurüssel. Im ältesten Buffet der Stadt, dem »Marascutti«, locken Jota, Zwetschgenknödel und Gulasch. Nicht weniger faszinierend: die Literatencafés. Im »Caffè degli Specchi« an der Piazza Unità genießt man seinen Morgenespresso oder einen Aperitivo.

Im »Caffè San Marco« meint man die Stimmen der Dichter zu hören, die hier Stammgäste waren: Italo Svevo, James Joyce oder Rilke. Abends ist Fischzeit. Elegant oder urig? Alles ist möglich, man is(s)t hier am Meer. Im »Ai Fiori« kommt auf die Teller, was morgens im Netz war. Die besten Meeresfrüchte bekommt man im »Nero di Seppia«. Das Meer schon im Namen trägt die »Osteria di mare alla Voliga«. »Im »Al Petes« serviert man den Eintopf Calandraca oder Spaghetti alla busara di scampi. Ob Venezianer, Griechen, Juden, Türken, Bauern oder Habsburger, in Triest haben sie alle kulinarischen Spuren hinterlassen.


Samstag

Triest wird von den Elementen geprägt: dem Meer, das Nahrung liefert. Dem Karst, der hinter der Stadt aufragt. Und dem Wind – nicht umsonst nennt man Triest »Stadt der Winde«.

Wir starten in der »Pasticceria & Caffè Penso« süß in den Tag. Wenn man »Penso« sagt in Triest, dann heißt das auch »Sacher«, denn die berühmte Torte ist die Spezialität dieser historischen Konditorei. Aber auch die anderen Torten und Krapfen schmecken hier wie in Wien. Danach ein kurzer Besuch des Museo Revoltella – Galleria d’Arte Moderna, bevor man sich auf den Weg zu einem der vielen Genussorte am Meer macht. Das Schloss Miramare erwartet die Flaneure mit viel Geschichte und Habsburger-Flair – immerhin residierte hier Kaiser Franz Josephs Bruder Maximilian, ehe er zu seinem letztlich verhängnisvollen Abenteuer in Mexiko aufbrach.

Weiter geht’s zu Schloss Duino. Geschichte auch hier, eine internationale Schule und vor allem ein Minihafen mit zwei Restaurants. In der »Dama Bianca« speist man, mit den Füßen fast im Meer, herrliche Fischküche, aber auch Triestiner Klassiker wie Jota oder Karstschinken. Tipp: Muscoli und Granseole mit Zitrone, Knoblauch und Petersilie. Wer nicht mehr weg möchte, kann in einem der wenigen Zimmer übernachten und am Morgen mit Meerblick erwachen. Und wer am nächsten Tag noch nicht genug hat vom Meeresgetier, der hat im angesagten »Al pescaturismo« zwischen Duino und Monfalcone reichlich Gelegenheit, seiner Lust weiter zu frönen. Direkt am Meer und garantiert frisch. Die sympathischen Gast­geber servieren nicht nur Muscheln in zehn Varianten, sondern alles, was das Fisch-Herz begehrt.

Auf dem Weg zurück in die Stadt faszinieren zunächst die Licht- und Windspiele auf dem Wasser und der Blick zu den Molen von Triest mit all den riesigen Schiffen und Kränen. Wer jetzt noch immer oder schon wieder Hunger hat, findet den Weg zu Ami Scabar. In ihrem »Ristorante Scabar« sind Mitteleuropa, das Meer, der Karst und alle mediterranen Aromen zu Hause. Und zum Abschluss des Tages geht es auf ein Glas Champagner oder Spumante ins »Le Bollicine«, wo sich auch die junge Triestiner Schickeria gerne trifft.


Sonntag

Wer denkt, dass Triest nur mit seiner großen Vergangenheit punktet, liegt falsch. Die Stadt hat eine junge, sehr vitale Gastro-Szene.

Den Sonntag beginnt man am besten mit einem Besuch im »Bagno Au-sonia«, einem klassischen Seebad im Borgo Giuseppino bzw. der Josephsvorstadt. Sollte es noch zu frisch sein für einen Sprung in die Adria, so lässt sich in den Liegestühlen auch ganz hervorragend Sonne tanken und dabei vielleicht in einem Buch lesen – das Ausonia verfügt über eine eigene libronia, eine Bibliothek am Meer. Danach geht es ab ins hippe Triest. Walter Gustin hat ein Gespür für zeitgeistige Gas­tro-Themen. Er brät in seinem angesagten »040 Social Food« die besten Hamburger, und mit dem »Giardino Tergesteo« hat er einen veganen Hotspot geschaffen. Sein neuester Gastro-Streich ist das »Draw«. Hier bekommt man rohes Slow Food in ungewöhnlicher Umgebung und coolem Interior-Design. Roh, das bedeutet hier, dass alles bis zu maximal 48 Grad Celsius erhitzt wird. Auf die Teller kommen Fleisch, Fisch und natürlich viele vegetarische und vegane Speisen. Brot gibt es keines. Die Slow-Food-Philosophie ist hier nicht nur ein Slogan, sondern wird bis zum Slow Coffee gelebt. Kein Filterkaffee, keine Maschine, hier kommt nur ein Siphon zum Einsatz. Spannend.

Zum Abschied spaziert man dann hinauf zum Castello di San Giusto, dem Wahrzeichen hoch über Triest. Von hier aus hat man einen atemberaubenden Blick auf Stadt und Meer – und auf den Karst, der für die Triestiner mit zur Stadt gehört. Hier warten urige Osmizze auf Besucher, Heurige nach alter mariatheresianischer Konzession. Ob man vielleicht doch noch einen weiteren Tag in Triest anhängt?!

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2020

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Ilse Fischer
Ilse Fischer
Autorin
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