Tokio ist allein für seine Skyline und die fantastische Aussicht auf den Fuji eine Reise wert.

Tokio ist allein für seine Skyline und die fantastische Aussicht auf den Fuji eine Reise wert.
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Long Weekend in Tokio

Tokio ist nicht bloß eine Stadt, sondern ein eigenes Universum. Wir erkundeten die Metropole an einem langen Wochenende.

Freitag

Wir gehen erst einmal spazieren, um anzukommen und ordentlich Hunger zu kriegen: auf Aal, Sushi und Sardinen-Ramen.

Nach dem langen Flug erst einmal die Beine vertreten: Bei einem Spaziergang im schönen Yoyogi-Park kann der berühmte Meiji-Schrein bewundern. Dieser ist dem japanischen Kaiser Meiji (1852–1912) gewidmet und ein perfekter Ort, um mitten in der Stadt klassische japanische Architektur zu genießen.

Hungrig vom Spazieren? Dann ist es Zeit für die erste kulinarische Offenbarung und ein klassisches Tokio-Erlebnis: Unagi (Süßwasseraal). Dafür muss man nur ein paar Stationen mit der U-Bahn oder mit einem der prächtigen Taxis (die Chauffeure tragen alle weiße Handschuhe!) nach Akasaka fahren. Das Restaurant »Jubako« in einem traditionellen Holzhaus wird dort in der achten (!) Generation betrieben und serviert ein ganzes Unagi-Menü: Suppe, gegrillte Innereien und gegrilltes Filet auf Reis. Gegessen wird in privaten Speisezimmern mit Tatami-Matten, die Servier-Dame (das Wort Kellnerin wird ihr nicht gerecht) trägt Kimono. Nicht günstig, aber umwerfend gut.

Nun ist es Zeit für einen Besuch an einem Ort, an dem man ganz leicht drei ganze Tage verbringen könnte: im Kaufhaus Isetan in Shinjuku, ziemlich sicher der tollste Shopping-Tempel der Welt. Allein die dreistöckige (!) Food-Abteilung ist einen eigenen Wochenendtrip wert – das KaDeWe wirkt dagegen wie eine Discounter-Filiale fünf Minuten vor Ladenschluss. Dabei lässt sich das Wagyu-Rindfleisch bewundern, das so marmoriert ist wie Butter, oder perfekte, handgewendete Melonen um mehrere 100 Euro das Stück. Am Abend wartet dann das erstes richtiges Sushi-Erlebnis: Wer einen Platz bekommt, speist im legendären »Sushi Saito«, ansonsten kann man sein Glück im viel zugänglicheren »Daisan Harumi« versuchen. In beiden Fällen wird man Sushi nachher nie wieder mit denselben Augen sehen.

Jetzt nur keine Müdigkeit vortäuschen – schließlich ist man nur ein paar Tage in Tokio, und Sushi ist ohnehin ein leichtes Abendessen. Zurück nach Shinjuku und ab ins Golden Gai. Das ist nicht nur eines der schrägsten Vergnügungsviertel der Welt, es hat auch garantiert die höchste Dichte an Bars – weil sie alle winzig sind. Jede davon ist nur wenige Quadratmeter groß, viele bieten gerade Platz für vier Besucher. Dafür wird jede noch so kleine Geschmacksnische bedient: von französischen Weinbars mit Chansons über Heavy-Metal-Schuppen bis hin zu solchen, in denen die Kellnerinnen als Manga-Schulmädchen verkleidet sind. Wer dann spätnachts noch Hunger bekommt: »Nagi« im Golden Gai bietet hervorragenden Sardinen-Ramen und ist 24 Stunden am Tag geöffnet. Aber Achtung: Auch um 4 Uhr Früh kann man hier schon mal Schlange stehen!

Samstag

Nach einem ausgiebigen Shopping-Trip gibt es zu Mittag nur leichte, köstliche Soba. Am Abend wartet nämlich ein großes Kaiseki-Menü.

Ausschlafen ist angesagt. Denn Tokio steht spät auf, und von allen Mahlzeiten ist das Frühstück an Japan am unspektakulärsten. Dann ist man fit für einen Spaziergang durch Omotesando, den vielleicht tollsten Shoppingbezirk der Welt. Entlang der Jingumae-Straße reihen sich die Flagship-Stores der großen Luxusmarken, die für Shoppingsüchtige genau so interessant sind wie für Fans zeitgenössischer Architektur. Ein besonderes architektonisches Highlight ist der Shop von Prada.

Nun ist es Zeit für ein erfrischendes Mittagessen: Soba, die traditionellen japanischen Buchweizennudeln, die sowohl heiß als auch kalt gegessen werden. Im »Tamawarai«, einem winzigen Lokal in Omotesando, werden sie jeden Tag frisch gemacht, aus Getreide, das der Chef eigens anbauen lässt. Bei »Osoba nu Kouga« ist die Spezialität Soba mit Seeigel. Beide Lokale sind prächtige Beispiele für zeitgenössischen japanischen Design-Minimalismus.
Nach dem modernen Design geht’s zur alten Kunst: Das private Nezu-Museum (ebenfalls ein modernes Architektur-Juwel) beherbergt eine großartige Sammlung alter Statuen und Bronzeplastiken. Das Allerbeste hier ist aber vielleicht der japanische Garten mit seinen traditionellen Teehäusern: der perfekte Ort zur Entspannung nach einem Shopping-Vormittag. Hier gilt es, nicht zu viel Zeit zu verlieren: Am späten Nachmittag sollte man unbedingt Gen Yamamoto besuchen, der aus saisonalen Zutaten und allerbesten Spirituosen minimalistische Cocktail-Tasting-Menüs mixt. Keine Sorge: Die Drinks sind genial gut, aber so leicht, dass sich locker vier vor dem Essen ausgehen.

Am Abend wartet dann große kulinarische Kunst: Im »RyuGin« kann bei einem Kaiseki-Menü erlebt werden, warum japanisches Fine Dining als das Beste der Welt gilt. Wer es lieber ein wenig vertrauter hat: »L’Effer­vescence« serviert französische Küche, mit japanischem Perfektionismus exekutiert.

Sonntag

Erst einige der tollsten Department Stores der Welt, dann Tempura, die hohe Kunst des Frittierens, und zum Abschied eine Tee-zeremonie – auf Wunsch mit oder ohne Alkohol.

Jeden Sonntag wird die mächtige Chuo-dori, die größte Shoppingstraße in Ginza im Herzen Tokios, ab 12 Uhr für den Verkehr gesperrt – das ist der beste Zeitpunkt, um hier zu flanieren und die Geschäfte zu bewundern. Wer sich für Keramik interessiert und richtig viel Geld ausgeben möchte, kann bei Kurodatoen vorbeischauen, einem der renommiertesten Keramik-Händler der Stadt – und das will in Tokio etwas heißen. Anschauen kostet glücklicherweise nichts. Für etwas mondänere Shopping-Genüsse stehen die riesigen Einkaufszentren Ginza Six oder Mitsukoshi bereit. Nachher kann man sich im »Café de L’Ambre« stärken, einem legendären Kissaten, wie die traditionellen japanischen Kaffeehäuser heißen.

Für den letzten Lunch geht’s noch mal nach Shinjuku zu »Tsunahachi Shinjuku«. Jeder Tisch (und jede Gruppe an der Bar) hat in dieser Tempura-Institution einen eigenen Frittiermeister, der ausgewählte Stücke im heißen Öl zur Perfektion herausbäckt.

Den Verdauungstee hat man sich nun redlich verdient: Bei »Sakurai« in Roppongi kann im ganz modern designten, edlen Setting eine traditionelle japanische Teezeremonie erlebt werden. Oder man gönnt sich einen der köstlichen Tee-Cocktails – je nachdem, was sich für den beschäftigten Magen besser anfühlt. Wer noch Zeit und Lust hat: Das nahe Mori Art Museum in den Roppongi Towers hat regelmäßig tolle Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst.

Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2019

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Tobias Müller
Autor
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