Küstenlandschaft auf der Insel Krk in der Kvarner Bucht.

Küstenlandschaft auf der Insel Krk in der Kvarner Bucht.
Foto: beigestellt

Kroatien – Köstliche Küstenwelt

Kroatien, wie es sich heute präsentiert, ist für jeden Geschmack ein Paradies unter der Sonne – von Istrien über die Kvarner Bucht bis nach Dalmatien.

Istrien

Das vielleicht Beste an Istrien ist, dass es sich nicht entscheiden kann, wo es hingehört. Das beginnt schon bei der Geografie: Istrien ragt irgendwo zwischen Italien, Slowenien und Kroatien ins Meer; wer in der Gegend unterwegs ist, überquert an einem Tag leicht mehrere Male die Grenze. Von Fischerdörfern, Stränden und Klippen sind ­es keine dreißig Minuten Fahrt bis ins bergige Hinterland, venezianische Hafenstädte wechseln sich mit mittelalterlichen Dörfern ab, dazwischen sind habsburgische Prunkbauten und römische Ruinen eingestreut. Und beim Essen erreicht dieser Mix seinen wunderschönen Höhepunkt.

Das mit 92 Falstaff-Punkten bewertete »Monte« auf einem Hügel in der Altstadt von Rovinj ist das bekannteste Feinschmeckerrestaurant Istriens. Patron und Küchenchef Danijel Dekić kombiniert dort Top-Produkte der Region mit einer leicht verspielten Kreativität. »Was Produkte betrifft, können wir hier in Istrien aus dem Vollen schöpfen«, schwärmt Dekić, »diese Region ist für jeden Koch ein Geschenk.« 

Als Landstrich könnte man auf Istrien tatsächlich neidisch werden, denn die Natur hat es wahrhaft verschwenderisch mit Köstlichkeiten bedacht. In seinen Küstengewässern gedeiht fantastisches Meeresgetier, von Dondole über Seespinnen, Seeigel bis hin zu saftigen Wolfsbarschen. Im Hinterland, entlang des Flusses Mirna, wachsen im Sommer schwarze und im Winter göttliche weiße Trüffeln. 
In den umliegenden Auen streifen Wildschweine umher, die die Bauern gern zu deftigen Ragouts verkochen. In den Kellern der Bergdörfer reifen Schinken und Würste, teils vom Boškarin, der autochthonen Rinderrasse der Gegend. Und das Klima ist hier gerade noch warm genug, um Oliven anzubauen – die extremen Bedingungen führen zu einigen der besten Öle der Welt.

Istrien zeigt sich inzwischen aber nicht ­nur von der traditionellen und sympathisch altmodischen Seite. Mit Hotels wie dem »Lone« in Rovinj wurde 2011 das Tor in die Moderne geöffnet: Die futuristische Luxusherberge ist Kroatiens erstes offizielles Design-Hotel. Und auch die Bandbreite bei den Restaurants reicht inzwischen von ganz einfach bis zu luxuriös-modern. Es ist ganz leicht, zu Mittag deftige, hausgemachte Nudeln mit Wildragout und abends zartes Adria-Sashimi zu genießen. Während sich an der Küste mittlerweile jede Menge gehobene Restaurants etabliert haben, gibt es im Hinterland die urigen Konobas – traditionelle Gasthäuser, wo auch gern über offenem Feuer gekocht wird.

Wer sich vor allem auf die Meeresküste konzentrieren will, dem kommt das malerische Rovinj entgegen, das sich wie eine mittelalterliche Schnecke um einen Hügel direkt am Meer windet. Von hier ist es nicht weit nach Novigrad oder Pula, wo sich einige der besten Fischrestaurants der Gegend befinden – und der schöne Limski-Kanal mit seinen Muschelzuchten um die Ecke.

In den Konobas der Gegend schläft es sich deutlich billiger, und auch ein Teller Pljukanci, die örtlichen Schupfnudeln, ist für sehr wenig Geld zu haben. An Regentagen bleiben neben den Weingütern das riesige, erstaunlich gut erhaltene Amphitheater in Pula und faszinierende Kirchen: In Beram und vor allem in Hrastovlje (im slowenischen Teil Istriens) stehen zwei unscheinbare Kapellen mit ganz erstaunlichen mittelalterlichen Wandmalereien. Und wer es wirklich abgeschieden und wild-romantisch will, schaut sich die Kirche in Rakotule an. Schon das Besorgen des Schlüssels ist ein Erlebnis. Fragen Sie Ivica in der Agroturizam Tikel.

Kvarner Bucht

Auf dem Teller liegen bloß ein paar Scampi. Nichts anderes. Und was ist daran so besonders? Ganz einfach. Die Biester sind roh. Und sie schmecken göttlich.

Es sind Scampi aus der Kvarner Bucht, einer Region Kroatiens, die wegen ihrer Fisch- und Krustentierspezialitäten unter Feinschmeckern schon seit einigen Jahren einen hohen Stellenwert besitzt. In unzähligen Berichten wurden die Kvarner Scampi immer wieder als »die besten Scampi der Welt« bejubelt.

Ob alle Scampi, die in den Restaurants der Kvarner Bucht serviert werden, tatsächlich aus den unmittelbaren Küstengewässern stammen, ist fraglich. So viele Scampi kann es dort unmöglich geben. In einigen Restaurants aber stammen sie tatsächlich von lokalen Fischern, die täglich ihre Beute persönlich an die Köche liefern.

So ein Restaurant ist das »Johnson« in dem kleinen Fischerdorf Mošćenička Draga, in der Nähe von Opatija. Wer das Glück ­ hat, an einem Tag einen Tisch zu bekommen, an dem der Fischer eine volle Wanne mit Fi­schen, Muscheln und Krustentieren angeschleppt hat, der kann sich durch ein Menü durchkosten, das er lange nicht vergessen wird.

Meeresspinne und rohe Scampi, kurz in Olivenöl und Zitronensaft mariniert, Salat vom Wildspargel mit Scampi, Canestrelli (Muscheln) und kleine Calamari in eigener Tinte mit Kapern und Wein, Filet von der Meeresbarbe mit Gemüse in der Folie gegart und als krönender Hauptgang ein Stück Steinbutt vom Grill mit gedämpftem Grünzeug von Karotten und Fenchel. »Wir wollen unsere Fische und Krustentiere so puristisch wie nur irgendwie möglich auf die Teller bringen«, sagt Dragan Jurdana, »Beilagen würden da nur stören.«

Dragan und Dean Jurdana führen das »Johnson« seit 1996. Die sympathische Kompromisslosigkeit, mit der dort gekocht wird, ist auch in der Kvarner Bucht einzigartig. Dabei ist die Region inzwischen reich an guten Restaurants. So lohnt sich etwa die Überwindung einer längeren Serpentinenstraße auf die steilen Hügel der Učka oberhalb von Lovran, um am Ende das kleine Gebirgshotel »Draga di Lovrana« mit Restaurant vorzufinden, dessen Lage wohl schöner kaum sein kann. Der Panoramablick aufs Meer ist überwältigend. 

Das Haus wurde zu Monarchiezeiten erbaut und damals als »schönstes Ausflugsziel der österreichischen Riviera« beworben. Danach fiel es den Wirren der Geschichte zum Opfer und stand jahrzehntelang abgebrannt und verwahrlost in der Landschaft. Erst 2005 wurde es von der Familie des Fischhändlers Christian Nikolac detailgetreu wiederaufgebaut. 

Seither bietet es den Gästen vier Doppelzimmer und eine Juniorsuite sowie ein Restaurant mit einer traumhaften Terrasse und einer großartigen Fischküche. Ein Menü von Küchenchef Zdravko Tomšić beinhaltet für gewöhnlich neben den obligatorischen rohen Scampi Gerichte wie St. Petersfisch und Herz­muscheln nach Draga-di-Lovrana-Art ­in Wein oder Seeteufel-Kutteln-Ragout mit Tomaten, Sellerie, Karotten, Majoran und Weißwein.

Auf keinen Fall versäumen sollte man auch einen Besuch bei Nenad Kukurin, der in dem Bergdörfchen Kastav oberhalb von Opatija ein charmantes Hotel und ein großartiges Restaurant betreibt. Kukurin ist ein Pionier der kroatischen Slow-Food-Bewegung und hat als Sommelier eine Menge Auszeichnungen bekommen. Sein Scampi-Risotto ist ebenso überwältigend wie seine Auswahl an kroatischen Weinen, darunter auch bekannte Orange Wines wie jene von Mladen Rožanić (Weingut Roxanich). 

Was die Hotels der Region betrifft, so zählt die »Villa Astra« in Lovran zu den stilvollsten Quartieren der Region. Hinter der leuchtend gelben Fassade mit ihren Veranden und venezianischen Fensterbögen verbergen sich sechs elegante Juniorsuiten, in den Salons lächelt der selige Kaiser Franz Joseph schelmisch von den Wänden. Die entzückende Villa liegt direkt am Meer, eingebettet in einen Palmengarten. 

Wer es modern haben will, der ist im De­­sign-Hotel »Bevanda« direkt am Meer in Opatija, dem früheren Abbazia, bestens aufgehoben. Oder im neuen Fünf-Sterne-Hotel »Navis«, das von dem kroatischen Stararchitekten Idis Turato bis ins letzte Detail durchgestylt wurde. Es klebt wie ein futuristisches Schwalbennest am schmalen Küstenstreifen der Bucht von Preluk bei Volosko. Im Restaurant wird eine nicht minder moderne Küche zelebriert. 

Als Familienhotel eignet sich hingegen vor allem das »Miramar« in Opatija. Es ist das einzige nennenswerte Hotel, das inzwischen sogar im Winter geöffnet hat.

Dalmatien

Die Katalanen, die eine sentimental-poetische Seite haben, sagen von ihrer Provinz Empordà, sie sei der Vereinigung eines Hirten mit einer Sirene entsprungen. 

Schade, dass so etwas den Kroaten nicht eingefallen ist – für Dalmatien würde das Bild nämlich noch viel besser passen. Land und Meer treffen hier mitunter spektakulär aufeinander: Steil fallen die verkarsteten Berge ins Meer ab, vor der Küste ragen sie noch als prächtige Inselwelt aus dem Wasser. Wer hier mit einem Boot unterwegs ist, bekommt schnell das Gefühl, sich in einem magischen Labyrinth aus Meer und Felsen zu verlieren.

Nur 47 der über tausend Inseln sind dauerhaft bewohnt, auf vielen verstecken sich aber urige Lokale. Wer hier in einer Bucht ankert, kann nach dem Planschen im klaren Wasser hinüber zum Fischlokal schwimmen, wo gerade frisch gefangener Hai über dem offenen Feuer gegrillt wird. Bloß wenn die Bora, der berüchtigtste Wind der Adria, hier mit mehr als 200 km/h bläst, wird es ungemütlich.

»Die Küche Dalmatiens ist noch viel mehr als andere Gegenden Kroatiens vom Meer geprägt und oft der italienischen sehr ähnlich«, sagt Neno Treselj, Spitzenkoch aus Split, der derzeit im »Nenos Feines« in Wien kocht. Venezianische Fisch-Eintöpfe, in denen bis zu sechs verschiedene Fische zusammenfinden; köstliche Kalmare, die die Dalmatiner gern in ihrer Freizeit angeln und dann entweder ganz simpel grillen oder mit Kräutern füllen und im Rohr backen, und jede Menge gebratener und gegrillter Fisch, etwa Thun, Makrelen, Sardellen und Sardinen – das ist Dalmatiens Gourmetwelt.

Besonders im Frühjahr zeigt sich die Küstenküche von ihrer deftigeren Seite: Zwischen Split und Trogir kocht jeder Wirt seine Version von Lamm mit Artischocken und »Bob« (Saubohnen).

Die wahren kulinarischen Abenteuer warten aber wie so oft im Hinterland. Vor allem ein Ausflug den Fluss Neretva hinauf lohnt sich: Keine Stunde vom Meer entfernt, ganz knapp hinter der bosnischen Grenze, wird in den Wirtshäusern bei Metković noch die legendäre Frosch- und Aalküche des Balkans zelebriert.

Wer Kroatien nicht verlassen will, findet Ähnliches auch noch um das Dorf Sinj, wo neben Fröschen auch jede Menge Flusskrebse verkocht werden. In dieser Gegend finden sich entlang der Straßen die Lammbrater, wo sich ganze Tiere – oft von den Inseln Brač oder Pag – am Spieß über glühenden Holzscheiten drehen, bis sie butterweich geschmort sind. Dazu gibt es Kartoffeln aus der Peka, einer Art Tagine, in der auch gern Kalb und Oktopus in der Glut geschmort werden.

Das Zentrum Dalmatiens ist Split, die mit Abstand größte Stadt der Gegend, wo auch die Dichte der Restaurants am größten ist. Nicht weit von hier finden sich auch die Ruinen der einstigen römischen Hauptstadt.

Wer es gern beschaulicher und noch südlicher mag, der macht Dubrovnik zu seiner Basis – von hier ist es auch nicht mehr weit in die prächtige Bucht von Kotor in Montene­gro, dem größten Fjord des Mittelmeers.

Kulinarik an der Küste

Aus Falstaff Magazin Nr. 03/2016

Tobias Müller
Autor
Herbert Hacker
Herbert Hacker
Autor
Mehr zum Thema