Tasting vom 15.10.2014
Fruchtige Rieslinge der Prädikate Kabinett und Spätlese, wie sie Falstaff für dieses Heft an der Nahe verkostet hat, haben fast überall Hochkonjunktur – außer in Deutschland selbst. Das hat vielleicht auch etwas damit zu tun, dass das Weglegen guter Flaschen aus der Mode gekommen ist. Denn die sogenannten fruchtigen Weine zeigen sich am schönsten nach ein paar Jahren Reife: wenn die Süße sich in ihrer Deutlichkeit gemildert hat und alle Komponenten zu einem geschmacklich runden und aromatisch komplexen Amalgam verschmolzen sind.
Der von manchem mit Argwohn beäugte Jahrgang 2013 – bei den Kabinett- und Spätlese-Weinen zeigt er sich von seiner besten Seite: geschliffen nervig, mit großem Spiel und atemberaubender Frische. Einen einzigen Wermutstropfen fand die Falstaff-Jury bereits bei der Vorbereitung der Probe vor: Da die Erntemengen in 2013 so klein waren – viele Spitzenbetriebe hatten nur die Hälfte einer normalen Lese – waren einige Kabinett- und Spätlese-Weine schon im Laufe des Sommers ausverkauft. Dafür sind mancherorts noch Weine des Jahrgangs 2012 auf den Karten, die mit ihrem Reifevorsprung gefallen.
Man kann nur zum Kauf dieser Weine raten – und zur Geduld, sie in ein paar Jahren bei bester Reife zu genießen. Auch kulinarische Marriagen bieten sich dafür an: Zu Wildgerichten beispielsweise mit ihrem Spiel von herbem Fleisch und Preiselbeeren sind reife Spätlesen eine ideale Begleitung.
Notizen von Ulrich Sautter