Tasting vom 07.07.2017
Südtirol, Anfang der 1980er: Um das Image des Südtiroler Weines steht es nicht am besten. Gut über die Hälfte der Weinberge sind mit Vernatsch-Reben bepflanzt, aus denen Weine wie Kalterersee oder St. Magdalener gewonnen werden. Sie sind bekannt, aber nicht sehr gefragt. Nachdem in den 1960ern und 1970ern die süffigen Vernatsch-Weine aus Südtirol in immer größeren Mengen erzeugt wurden, ist der Markt für die stetig dünner gewordenen Weine Ende der 1970er rapide eingebrochen.
Das Konsumverhalten hat sich geändert: Nicht mehr viel, leicht und günstig ist angesagt, sondern weniger und dafür besser. Alois Lageder führt den Familienbetrieb, in dem seit 1823 Wein erzeugt wird, durch eine unruhige Zeit. An seiner Seite stehen sein Schwager, Kellermeister Louis von Dellemann und seine Schwester Wendelgard. Der Vater war früh verstorben, und Alois musste schon in jungen Jahren in den Betrieb einsteigen. Anfang der 1980er lernt er Robert Mondavi, den Qualitätspionier aus dem kalifornischen Napa Valley, kennen. Eine Begegnung, die nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Warum, so überlegt er, nicht auch in Südtirol Weine von internationalem Format erzeugen?
Dass das mit dem heimischen Vernatsch nicht möglich ist, wird ihm rasch klar. Es ist die Zeit, in der Chardonnay und Cabernet das Maß aller Dinge sind. Sein Vater hatte 1934 den Ansitz Löwengang im südlich gelegenen Margreid erworben. Die kalkhaltigen Böden erscheinen ideal für Weißweine, und Mitte der 1970er wird ein Weinberg mit Chardonnay bepflanzt. Die Trauben sollen die Grundlage für den neuen Spitzenweißwein bilden. Nach einigen Proben erscheint mit dem Jahrgang 1984 der erste Chardonnay Löwengang, einer der ersten Barrique-Weißweine Italiens. Zeitgleich erscheint auch die rote Variante, der Cabernet. Die Trauben stammen aus einem Weingarten am Ortsrand, der mit knorrigen, 120 Jahre alten Reben bestockt ist. Anfangs enthält der Cabernet Löwengang vor allem Cabernet Franc und Carménère. Im Laufe der Jahre kommen Cabernet Sauvignon und etwas Merlot in der Cuvée hinzu.
Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums organisierten Alois Lageder und Clemens Alois Lageder im Ansitz Löwengang eine einzigartige Verkostung, bei denen je zwölf Jahrgänge vom Chardonnay und vom Cabernet verkostet wurden. Einmal mehr zeigte sich dabei der Weißwein in der Langlebigkeit dem Rotwein überlegen. Interessant war auch, dass die Chardonnay aus den kühleren Jahren, die unmittelbar nach Erscheinen der Weine nicht so hoch bewertet wurden, nach 20 bis 30 Jahren Lagerung in der Regel weit besser dastehen als Weine aus den heißen Jahren.
Notizen von Othmar Kiem.