Tasting vom 26.11.2014
Pinot Gris, Pinot Beurot, Tokay, Pinot Grigio, Ruländer, Grauburgunder: Die Pinot-Spielart mit bronzefarbenen Trauben hat viele Namen und wird in mindestens ebenso vielen Stilistiken hergestellt. Aromatisch eher neutral und mit betont schlanker Frische: So avancierte in den 90er-Jahren der Pinot Grigio aus Norditalien zum Szenegetränk. Doch dieser Stil beruht letztlich auf einem Missverständnis – oder auf einem Mangel an weinbaulicher Sorgfalt. Denn der Grauburgunder ist in erster Linie genau das, was sein Name auch aussagt: ein Burgunder. Bei reifen Trauben und niedrigem Ertrag stellt sich fast von selbst ein kraftvolles Volumen ein. In den Aromen gibt sich immer wieder die beerige Frucht des Pinot Noir zu erkennen, sie wird ins Würzige variiert durch sortentypisch nussige Aromen, die oft an Esskastanien gemahnen. Auch der Beitrag von hoch- und überreifem Lesegut spielt im typischen Grauburgunder- (oder Ruländer-)Duft eine Rolle. Winzer, die mit einer Spur Edelfäule sensibel umzugehen wissen, können ihren Weinen besonderen Schmelz und besonderen Bukettreichtum verleihen. Der Grat ist jedoch schmal, nur die besten Erzeuger verstehen es, einen solchen »Ruländer«-Typ zu keltern, ohne ins Kitschige abzudriften.
Die Besonderheit des Kaiserstühler Grauburgunders ist seine Verbindung aus der Mineralität des Vulkangesteins und der Kraft seiner Gaumenstruktur. Andere hochwertige Grauburgunder-Herkünfte, das Friaul etwa, das Elsaß oder die Pfalz produzieren die Sorte von verschiedenen anderen Bodentypen. Der kompakte Körper eines Collio Pinot Grigio, die barocke Fülle eines Alsace (Tokay) Pinot Gris, die Wucht eines Pfälzers – all diese Eigenschaften kann auch der Kaiserstühler Grauburgunder anklingen lassen. Und doch bleibt er stets eigen in seinem Spiel mit mineralischer Kühle und extraktgetriebenem Feuer.
Die besten Kaiserstühler Grauburgunder werden heute fast ausschließlich mit Holzeinsatz gewonnen. Das neue Barrique ist indes kein Must: Größere Gebinde, vom Tonneaux bis zum klassischen 3000-Liter-Holzfass, sind bei den Winzern zuletzt wieder sehr beliebt geworden. Sie geben dem weit ausgreifenden Volumen des Grauburgunder Fassung, ohne ihn aromatisch mit Vanille-Tönen zu überfrachten.
Beim Servieren guter Grauburgunder sollte man darauf achten, dass der Wein nicht zu kühl ist. Die optimale Trinktemperatur liegt eher bei 14 als bei 10 Grad. Die meisten Weine sind bereits trinkreif, wenn sie auf den Markt kommen – zwei bis fünf Jahre Flaschenreife bringen eine Vertiefung von Farbe und Aromatik. In jedem Reifezustand lassen sich die Weine sehr gut kulinarisch kombinieren – etwa zu gebratenem Kalbskotelett oder zu Geflügel in Rahmsauce.
Notizen von Ulrich Sautter