Tasting vom 12.10.2012
Große Vertikalproben eines Rotweins werden normalerweise Weinen aus Bordeaux oder Burgund gewidmet, ein Rückblick auf ein österreichisches Gewächs hat selbst bei den Weißweinen echten Seltenheitswert. Eine derartig umfangreiche wie jene, zu der Familie Kollwentz im September ins Wiener Palais Coburg geladen hat, und zwar, um einen heimischen Rotwein ins Rampenlicht zu stellen, gab es meines Wissens noch nie. Von 2011 bis zurück ins Jahr 1969 durfte sich eine mit über 80 Personen große Schar von Weinfreunden, die aus allen Ecken Österreichs, Deutschlands und der Schweiz zusammengekommen waren, am »Steinzeiler« der Familie Kollwentz erfreuen. Denn was wohl niemand erwarten konnte, ist die Tatsache, dass neben den bekannt exzellenten Weinen der jüngeren Zeit auch die gereiften Steinzeiler mit größtem Vernügen zu degustieren waren. Senior Anton und Junior Andi Kollwentz verfügen über einen für österreichische Verhältnisse sehr umfangreichen Vinotheksbestand, nur so war es überhaupt möglich, für eine so große Personenzahl sämtliche Weine direkt aus dem eigenen Altweinkeller zu zeigen. Weil eine lückenlose Vertikale zu umfangreich ausgefallen wäre, wurden die Weine auf dem Weingut vorab probiert und eine Auswahl jener getroffen, die sich am besten zeigten. So kamen die Gäste zu einem wohl unvergesslichen Abend. Bis zum Jahrgang 1985 füllte Anton Kollwentz einen reinsortigen Blaufränkisch unter dem Namen Steinzeiler ab. Steinzeiler ist die Bezeichnung einer sehr alten, bereits im Jahre 1569 erstmals urkundlich erwähnten Weingartenlage am Leithaberg zwischen Großhöflein und Müllendorf – eine Riede, die nur mehr fragmentarisch besteht. Heute ist Steinzeiler eine geschützte Marke der Familie Kollwentz, die für die Top-Rotweincuvée des Hauses steht. Von 1986 bis 1990 hieß der Wein Cuvée Römerhof, danach wurde er nur noch als Steinzeiler bezeichnet und verkörpert die Qualitätsspitze im Hause. Von den Herzstücken der Kollwentz’schen Blaufränkisch-Weingärten, den Rieden Point und Setz, werden die besten Trauben von alten, tief verwurzelten Reben für diese Cuvée ausgewählt. Diese Reben bringen nur mehr kleine Erträge von überaus hoher Qualität. Zum Blaufränkisch, der mit 80 Prozent den Löwenanteil stellt, gesellen sich, abhängig vom Jahrgang, kleine Anteile von Cabernet Sauvignon und Zweigelt. Die Farbe des Steinzeilers ist in den ersten Jahren intensiv dunkelviolett. Sein Duft ist geprägt von schwarzen Beeren, Röstaromen und zartem Vanilleflair. Am Gaumen überzeugt er mit mächtigen, reifen Tanninen, kräftiger Beerenaromatik, Würze und Eleganz mit langem Abgang. Ausgebaut wird er in neuen französischen Barriquefässern, eine Vinifikationsmethode, mit der man im Hause Kollwentz seit über 25 Jahren bestens vertraut ist. Nach 30 Monaten Ausbau erfolgt die Füllung ohne Filtration und Schönung. Die optimale Trinkreife des Steinzeilers liegt bei fünf bis 18 Jahren, die epochale Probe in Wien unterstrich aber das deutlich höhere Reifepotenzial dieses Gewächses. In schwachen Rotweinjahren, wie zuletzt 2010, verzichtet Andi Kollwentz, der nun seit 2004 gemeinsam mit seiner Frau Heidi die Geschicke des Weinguts lenkt, völlig auf den Steinzeiler. NOTIZEN VON PETER MOSER