Tasting vom 14.10.2011
Im Herbst 2011 feiert der großartige Bordeaux-Jahrgang 1961 seinen 50. Geburtstag. Man spricht von einem der besten Nachkriegsjahrgänge, und viele der in diesem Jahr geborenen Weine konnten diesem ausgezeichneten Ruf über Jahrzehnte hinweg gerecht werden. Wie bei seinem Vorfahren 1945 und seinen Enkeln wie 2010 verbindet dieser Jahrgang Farbe, hohen Alkohol, viel Extrakt und massive Tannine – diese Faktoren sind das Rüstzeug für großes Reifepotenzial. Während solche Ergebnisse in jüngerer Zeit mithilfe moderner Methoden und Techniken in Weinberg und Keller erzielt werden, so wuchsen die großen Bordeaux einst schlicht auf natürliche Weise. 1961 gab es in Bordeaux eine kleine Ernte. Warum? Ab dem 17. März gab es Minustemperaturen, die am 29. mit –5 °C ihren Tiefpunkt erreichten. Das Pech dabei war, dass ein überdurchschnittlich warmer Januar und Februar die Reben bereits um den 10. März hatten austreiben lassen. Angenehmes Maiwetter ließ die Stöcke bereits sehr früh blühen, ab dem 27. Mai wurde es kalt, das Wetter zur Hauptblüte war alles andere als vorteilhaft. Der Frost im März und die Blüteausfälle Ende Mai sind also für die geringe Weinmenge verantwortlich. Ab dem 23. Juni stellte sich Hochdruckwetter ein, und es fiel – wenn man von wenigen, unbedeutenden Hitzegewittern in der Aquitaine einmal absieht – in der brütenden Hitzeperiode bis in den September hinein kein Tropfen Regen. Noch Mitte September blies ein heißer Südwind. Eine Ausnahme machte der 20. September, als das Thermometer plötzlich fiel und es in Strömen zu regnen begann. Am nächsten Tag war der Spuk vorbei, es wurde wieder warm und sonnig. In Saint-Émilion nahte bereits das Ende der Weinlese, auch auf Haut-Brion waren am 27. September alle Trauben von den Stöcken. Spezialisten für vollreifen Cabernet Sauvignon starteten ihre Leseaktivitäten erst am 1. Oktober. Dennoch sollte man sich darüber im Klaren sein, dass auch am rechten Ufer faszinierende Weine entstanden sind. Pétrus, Latour à Pomerol, L’Eglise-Clinet, Lafleur oder Trotanoy, aber auch Château Figeac brachten 1961 tolle Ergebnisse. In Saint-Émilion war nicht winzerisches Unvermögen, sondern die Frostkatastrophe des Jahres 1956 dafür verantwortlich, dass die Weine nicht ganz auf der Höhe waren. Es war auch definitiv kein Jahr für edelsüße Weine, auch wenn die Sauternes vom Glanz des Jahrgangs profitierten. Nach 50 Jahren muss man allerdings realistisch sein, denn auch die besten Weine halten nicht ewig. Ein bestimmender Faktor ist der Umstand, wie dieser Wein im Laufe seines langen Lebens gelagert wurde. Ist er als Trophäenwein um die halbe Welt gereist? War er großer Hitze ausgesetzt? Die Liste der möglichen Beeinträchtigungen ist lang. Wir halten also fest: 1961 war ein großartiger Jahrgang. Manche dieser Weine, vorzugsweise aus Großflaschen, versprechen dem Altweinkenner großes Trinkvergnügen. Im Idealfall kommen diese Weine direkt aus dem Bestand des betreffenden Château. Aber in diesen exklusiven Genuss kommen leider nur die wenigsten Weinfreunde. Also kehrt man zum alten Spruch über reife Bordeaux zurück: »Es gibt keine großen Weine, es gibt nur tolle Flaschen.« Die im Folgenden präsentierten Weine wurden bei einer sensationellen 61er-Probe von WeinArt in Steinbach am Attersee im August 2011 in der servierten Reihenfolge aufgezeichnet. (www.weinart.at) NOTIZEN von Peter Moser