Tasting vom 02.01.2005
Bordeaux 1966. Der Austrieb erfolgte Ende März, ein milder April beschleunigte den Wuchs der Reben. Sieht man von zwei Regentagen ab, verlief die Blüte Anfang Juni gut und problemlos. Der Juli gestaltete sich regnerisch, im August kam die Sonne zurück, es blieb jedoch recht kühl. Im Vergleich zu normalen Jahren betrug der Rückstand in der Reife bereits mehrere Wochen. Ein miserables Jahr kündigte sich an, dann aber geschah das Wunder: Ende August stiegen die Tempaturen an, der September gestaltete sich trocken und vergleichsweise heiß. Gute dreißig Grad am Tage beschleunigten die Traubenreife, die etwas ungleichmäßig war, und Ende September konnte schließlich die Ernte beginnen. Etwas Regen am Monatsende tat den Kulturen gut, am rechten Ufer war man in den ersten Tagen des Oktobers bereits mit der Weinlese fertig. Zu einem Zeitpunkt, wo Spitzengüter in Pauillac noch gar nicht erst begonnen hatten. Es blieb weiter trocken, gut für die Rotweinlese, schlecht für Sauternes, denn die Botrytis konnte sich nicht entwickeln. Generell heißt es von 1966, dass der Jahrgang eher das linke Ufer begünstigt hat, Pauillac und St.-Julien im speziellen, die besten Weine des rechten Ufers sind aber alles andere als zu verachten. Der Jahrgang 1966 war nach 1961, 1962 und 1964 der vierte, aber auch letzte sehr gute der sechziger Jahre. Ohne Zweifel kann man die 66er-Weine grundsätzlich als stoffiger wie die 1962er sehen, oft sind sie ausgeglichener als jene 1964. An den ganz großen 1961er reicht er allerdings nicht heran. Das Merkmal des Jahrgangs ist eine frische, lebendige Säurestruktur, die die Weine bis in unsere Tage herübergetragen hat, bei vielen ist aber das Tannin immer trockener geworden und so hat das Gros der Weine seine besten Zeiten bereits hinter sich. Dennoch gibt es eine Handvoll noch überaus erfreuliche Weine und wenn sie im nächsten Jahr einen runden Geburtstag feiern, dann sollen Sie sich – vorausgesetzt sie haben nicht ohnehin weise vorgesorgt – möglichst bald um die eine oder andere Flasche Ihres Geburtsjahrgangs umsehen. Ob die Weine nämlich noch eine weitere Dekade überstehen, ist für die meisten wirklich unwahrscheinlich. Folgende Weine des Jahrgangs gelten als Favoriten und haben noch Perspektive: Laville-Haut-Brion; Beychevelle, Cheval Blanc, Figeac, Haut-Brion, Lafleur, Latour, Lynch-Bages, La Misson Haut-Brion, Magdeleine, Palmer, Pétrus; d’Yquem, Guiraud, Lafeurie-Peyraguey. Genussvoll zu trinken (am besten natürlich aus Großflaschen) sind nach meiner Erfahrung auch Batailley, La Lagune, Rauzan-Ségla, und der verlässliche Mouton-Baron-Philippe. Sollte ich gerade Ihren persönlichen Favoriten vergessen haben, oder ihn schlicht weg nicht kennen, lassen Sie es mich wissen. Von der Erstgewächsen ist Château Lafite-Rothschild in diesem Jahrgang in guten Flaschen ordentlich, schwache Farbe, zart animalisch mit leichten Schokonoten, fast burgundisch in der Textur (87), der Margaux allerdings ist seinem Rang überhaupt nicht gerecht geworden, wirkt malzig, säurebetont und unreif. Ausone war stets schlank und zart, hat eine süße Zwetschkenrösterfrucht, andererseits aber schon ausgezehrte Tannine. (88) von Peter Moser