Wie gesund ist Grillieren?
© Gina Müller

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Zumindest in den Sommermonaten scheint vielerorts die Küche nach draussen zu wandern – immerhin liegt Grillieren nach wie vor im Trend. Vom «Nur schnell Würste auf den Rost legen» hat es sich zu einer distinguierten Profession entwickelt, und die – meist männlichen – Hobby-Grillmeister investieren in Ausrüstung, edles Zubehör, Grill-kurse, qualitativ hochwertiges Grillgut und viel Zeit, wenn es so weit ist. Schaut man durch die «Gesundheitsbrille» aufs Grillieren, gibt es sowohl Plus- als auch Minuspunkte. Als Plus ist festzuhalten: Grillieren an sich ist eine fettarme – wenn nicht sogar fettfreie – Garmethode. Das Grillgut schwimmt weder im eigenen noch im vorher erhitzten Fett, im Gegenteil: Beim Grillieren tritt das Fett aus. In Zeiten von Überfluss und reichlichem Angebot an hochkalorischen Treatments sind Fettsparvarianten zu begrüssen. Ausserdem ist häufig für ein buntes Salatbuffet, Gemüse und generell Vielfalt gesorgt. Das ist grundsätzlich sowohl kulinarisch wie auch gesundheitlich wertvoll. Allerdings können in der Fülle die Beilagen und Saucen den Fettspar-vorteil oftmals schnell wettmachen.
Beim Grillieren gilt: Gewusst wie!
Tropfendes Fett führt zu den Minuspunkten: Verbrennt es auf der heissen Glut, bilden sich polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, kurz PAK. Das sind krebserregende Stoffe, die mit dem aufsteigenden Rauch ins Grillgut gelangen. Benzpyren ist der bekannteste Vertreter der PAK. Bei zum Verkauf angebotenen Räucherwaren gilt für Benzpyren eine Höchstmenge von 1 μg pro Kilogramm Fleisch. Beim Grillieren wird dieser Wert deutlich überschritten: In der äusseren Schicht enthält über Holzkohle grilliertes Fleisch etwa die zehnfache Menge.
Ausserdem bilden sich bei sehr hohen Temperaturen, wie sie beim Grillieren entstehen, vermehrt heterozyklische aromatische Amine (HAA). Sie zählen ebenfalls zu den krebserregenden Stoffen und entstehen besonders beim Grillieren. Versuche zeigten, dass sich bei einer Temperatur von 220 °C – wie beim Grillieren – drei Mal so viele HAA bilden als bei einer Temperatur von 170 °C. Legt man Gepökeltes auf den Rost – Wienerli oder Rippli –, kommt eine weitere Substanz ins Spiel: Nitrosamine. Bei starker Hitze verbindet sich das Nitrit aus dem Pökelsalz mit den Eiweissbausteinen, den Aminosäuren, im Fleisch und es entstehen krebserregende Nitrosamine. Entscheidet man sich dafür, Kartoffeln, Brot oder andere stärkehaltige Lebensmittel wie Polenta zu grillieren, kommt es vor allem bei intensiver Bräunung zur Bildung von Acrylamid (AA). Auch das gilt als krebserregend und kann das Erbgut verändern.
Sollte man das Grillieren also lieber bleiben lassen? Nein, man muss sich nur zu helfen wissen, um die Konzentration der Substanzen möglichst gering zu halten. Von Gepökeltem und Geräuchertem lässt man die Finger. Und Stärkehaltiges soll nicht zu braun werden.

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Krebserregende Stoffe minimieren
PAK kann man reduzieren, indem man mariniertes Fleisch vor dem Grillieren abtupft, sodass kein Fett in die Glut tropfen kann. Ausserdem ist es besser, das Fleisch mit einer Zange zu wenden und nicht mit der Gabel. Sie zerstört die äussere Schicht, wodurch wiederum Flüssigkeit austritt, die tropft. Zusätzlich ist es gut, Grilltassen zu verwenden, idealerweise aus Edelstahl, oder überhaupt indirekt zu grillieren.
Das bedeutet, das Grillgut nicht direkt über der Glut, sondern am Rand daneben zu platzieren (oder umgekehrt: die Glut am Rand und das Grillgut in die Mitte). Auch das Löschen von Feuer mit Bier oder Wasser lässt man besser sein. Damit wird nur Asche aufgewirbelt und Rauch gebildet, die sich beide an Fleisch und Gemüse inklusive der PAK niederschlagen. Über stark rauchender Glut ist der PAK-Gehalt bis zu 80 Mal höher als über fast rauchfreien Stellen. Und last but not least: PAK stecken vor allem in der gebräunten Kruste, verkohlte Stücke sollte man daher nicht essen. HAA wiederum lassen sich Versuchen zufolge mit intensiven Kräutermarinaden aus Rosmarin, Oregano oder Thymian und Knoblauch vermindern. Auf das Abtupfen sollte man dann nur nicht vergessen …
Grilliert werden oft auch Tomaten und Schafkäse oder Fisch mit Zitronensaft in Alufolie. Wenn Säure und Salz auf Aluminium treffen, kann dieses auf die Speisen übergehen. Das ist bei hoher Aufnahme gesundheitsrelevant, beim Grillieren ab und zu aber eher vernachlässigbar.
Sauber werken
So viel zu den langfristigen Folgen. Kurzfristig können Bakterien wie Campylobacter oder Salmonellen die Grillsaison durch Fieber, Durchfall und Krämpfe unterbrechen. Daher nimmt man auch beim Grillieren eigenes Besteck und Geschirr für das rohe und für das gegarte Fleisch, hantiert generell «küchenhygienisch» und lässt Mayonnaise-salate oder -saucen nicht zu lange in der Sonne stehen.
All die potenziellen Gesundheitsrisiken könnten einem fast den Appetit verderben. Doch auch beim Grillieren gilt: Die Dosis macht das Gift. Täglich muss vielleicht nicht sein, aber gegen Immer-mal-wieder-Grillieren spricht nichts. Als das Gefährlichste beim Grillieren wird ohnehin nicht das Essen eingestuft, sondern das Feuer.
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