© Gina Mueller

Weltmilchtag: Was Milch alles kann

Rund um die Milch ranken sich viele Mythen. Die Gruppe der Milchgegner ist gross und verunsichert oft mit ihren Behauptungen. Anlässlich des Weltmilchtags hat Falstaff sich die Fakten angesehen.

Milch polarisiert. Während die einen auf den guten Geschmack und den gesundheitlichen Nutzen pochen, meinen andere, dass sie verschleimt, dick macht und den Knochen Kalzium raubt. Dazu kommt die Diskussion um Milchallergie und Laktoseintoleranz und damit um die Tatsache, dass der Mensch das einzige Säugetier ist, das Milch einer anderen Spezies trinkt. Dennoch zählen in Europa und Nordamerika Milch und Milchprodukte immer noch zu den Grundnahrungsmitteln. Sie sind wichtige Nährstofflieferanten, vor allem für Kalzium und Eiweiss und fixer Bestandteil von offiziellen Ernährungsempfehlungen in mehr als 42 Ländern der Welt. Weil sie die Ernährungsqualität positiv beeinflussen, wird ihr regelmässiger Konsum daher auch als Marker für eine ausgewogene Ernährung gesehen. So kommt etwa die Hälfte des aufgenommenen Kalziums in Österreich oder den USA aus Milch und Milchprodukten. Dekliniert man die heimischen Speisekarten durch, überrascht das ganz und gar nicht.
Laut einer Umfrage der AMA Marketing 2017 ist das beliebteste Milchprodukt der Käse, an zweiter Stelle steht die Milch selbst. Dabei verfeinert ein Drittel jeder Milchpackung Kaffee oder Tee, ein Fünftel wird fürs Kochen und Backen verwendet, der Rest drittelt sich auf Müsli und Cerealien, Milchmischgetränke oder wird pur getrunken. Selbstverständlich hängt der Milchkonsum von geografischen, genetischen, kulturellen und sozioökonomischen Gegebenheiten ab. In China zum Beispiel stammen nur vier Prozent des Kalziums aus Milch. Dort rät auch die traditionelle chinesische Medizin (TCM) vom Milchkonsum ab. Denn Milch würde die Schleimbildung im Körper und damit Atemwegsinfekte fördern. Wissenschaftliche Belege gibt es dafür jedoch nicht.
Sind allerdings gerade aufgrund des geringen Milchkonsums in China die Raten für Osteoporose niedriger? Milchgegner bringen diese Beobachtung häufig vor. Sie beziehen sich auf das sogenannte Kalzium-Paradoxon. Es besagt, dass vor allem in afrikanischen und asiatischen Gegenden, in denen der Milchkonsum niedrig ist, weniger Knochenbrüche auftreten. Erklärt wird das Paradoxon damit, dass das in der Milch enthaltene Eiweiss eine gesteigerte Kalziumausscheidung nach sich ziehe und somit mehr Kalzium verloren gehe, als über die Milch zugeführt werde.
Eine Reihe an Studien hat zwischenzeitlich jedoch die Kalziumbilanz beim Milchkonsum untersucht. Dabei zeigte sich: Milch und Milchprodukte liefern deutlich mehr Kalzium, als für die Neutralisierung der schwefelhaltigen Aminosäuren im Milcheiweiss benötigt wird. Trinkt man beispielsweise 100 ml Trinkmilch, nimmt man daraus 36 mg Kalzium auf, und die Niere scheidet dafür 5 mg Kalzium aus. Es bleibt also ein Plus von 31 mg. Bei 100 g Emmentaler kommt es gar zu einer positiven Bilanz von 265 mg. Am Milchkonsum liegt es demnach nicht, wenn es um feste Knochen geht. Schliesslich ist Kalzium auch nur einer von mehreren Puzzlesteinen für die Knochenstabilität. Sowohl die Gene, der Hormonhaushalt, das Bewegungsverhalten und die Zufuhr von Vitamin D, Phosphor, Vitamin C, Kupfer und Magnesium sind dafür relevant.

Milch macht eine gute Figur

Geht es darum zu eruieren, woher die Fettpolster kommen, dann steht auch immer wieder einmal die Milch in der Kritik. Doch gerade Milch scheint einen Beitrag für eine schlanke Linie leisten zu können. Bereits 1984 beobachteten Wissenschaftler, dass mit einer hohen Kalziumaufnahme ein geringeres Körpergewicht einhergeht. Auch die aktuelle Datenlage zeigt, dass regelmässiger Milch- und Käsekonsum eher der Entwicklung von Übergewicht entgegenwirkt. Wer abnehmen möchte, kann von einem gesteigerten Konsum sogar profitieren. Bei Interventionsstudien mit einer verringerten Kalorienaufnahme verbesserte sich in der Milch-Gruppe die Körperzusammensetzung. Das heisst: Die Milchtrinker bauten mehr Körperfett ab und erhielten ihre Muskelmasse. Der Vorteil? Muskeln verbrennen auch im Ruhezustand mehr Kalorien als Fett. Man kann also mehr essen und hält das Gewicht trotzdem konstant.
Warum Milchprodukte positiv wirken, wird einerseits durch das Kalzium erklärt, andererseits durch das Molkeneiweiss. Kalzium sorgt für eine höhere Fettspaltung und eine verringerte Fettaufnahme. Molkeneiweiss wiederum scheint den Muskel-abbau bei Gewichtsverlust zu hemmen und gleichzeitig den Appetit zu regulieren. Auch punkto Herz-Kreislauf-Erkran­kungen haben Milch und Milchprodukte eine weisse Weste. Zwar enthalten sie wie andere tierische Produkte vor allem gesättigte Fettsäuren, doch Milchfett weist einen hohen Anteil kurzkettiger Fettsäuren auf. Das sind gesättigte Fettsäuren, die sich
neutral auf das Blutfettprofil auswirken. Auch die für Milchfett typische langkettige Stearinsäure verhält sich in Bezug auf das Blutcholesterin neutral.

Ein Schutzfaktor für Diabetes

Sogar bei Diabetes legt die aktuelle Studienlage nahe, dass Milch und Milchprodukte entgegenwirken können. Während Vollmilch und normalfette Milchprodukte das Diabetesrisiko weder erhöhen noch reduzieren, sinkt es mit dem Konsum von fettarmer Milch, Käse und Joghurt. Bei Käse und Joghurt hängt die beobachtete Schutzwirkung möglicherweise mit dem hohen Vitamin-K-Gehalt aus der bakteriellen Fermentation zusammen. Vitamin K wurde mittlerweile wie Vitamin D als eigenständiger Schutzfaktor in Bezug auf Diabetes erkannt. Das ist übrigens auch in Spinat, Brokkoli und Grünkohl reichlich enthalten.

Screening-Fragen

Empfohlen sind pro Tag drei Portionen Milchprodukte. Eine Portion ist zum Beispiel:  

  • 200–250 ml Milch
  • 180–250 g Joghurt
  • 50–60 g Käse

Vitamin- und Mineralstofflieferant Milch ist eine wesentliche Quelle für:

  • Vitamin B2
  • Niacin
  • Pantothensäure
  • Folat
  • Vitamin B12
  • Kalzium
  • Jod

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2018

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Marlies Gruber
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