Umgeben von den Alpen entstehen in Graubünden einige der besten Weine der Schweiz.

Umgeben von den Alpen entstehen in Graubünden einige der besten Weine der Schweiz.
© Heidiland Tourismus / Thomas Kes

Weinregion Graubünden: Karg und stolz drauf

Seit vielen Jahren wird die Bündner Herrschaft als das «Burgund der Schweiz» betitelt. Wer mit den Produzenten spricht, merkt aber, dass längst ein Paradigmenwechsel und mit ihm ein Wachstum an Selbstbewusstsein stattgefunden hat.

Der Vergleich mit dem Burgund gehört zur Bündner Herrschaft wie die Berge. Sei es wegen der Lage auf demselben Breitengrad, den Kalkböden, die hier zu finden sind, und natürlich den Hauptsorten beider Regionen – Pinot noir und Chardonnay. Es sind aber vor allem die Weine aus der Herrschaft, die diesen Vergleich in den letzten Jahrzehnten prägten. Im besten Fall sind die Bündner Weine in ihrer Eleganz, Frische und Langlebigkeit den Burgundern ja durchaus ähnlich.

Ein Weingut, das den Vergleich mit dem Burgund und den Erfolg Graubündens prägte wie kein anderes, ist das Weingut Gantenbein in Fläsch. Wie viele andere Weinmacher auch lernten Martha und Daniel Gantenbein von den grossen Weinen des Burgunds, wie Pinot und Chardonnay schmecken können. Seit 35 Jahren reisen sie jährlich in die Prestigeregion Frankreichs, kosten sich durch die hiesigen Weingüter und finden Inspiration für das eigene Wirken. «Kopiert haben wir nie – aber Ideen mitzunehmen ist durchaus erlaubt», sagt Daniel Gantenbein. Es ist die Präzision, die auch grossen Burgundern innewohnt, die im Schaffen der Gantenbeins eine zentrale Rolle spielt.

Hierfür begeisterten sich die internationalen Kritiker früh, was nicht nur den Gantenbeins, sondern der gesamten Bündner Herrschaft einen hervorragenden Ruf im In- und Ausland einbrachte. Ohne den Erfolg der Gantenbeins, so kann man getrost sagen, wäre die Bündner Herrschaft heute eine andere. Und so teilen das Burgund und Graubünden heute nicht nur denselben Weinstil, sondern auch ein ähnliches Renommee in den jeweiligen Ländern. «Wir sind hier aber in Fläsch und nicht im Burgund», sagt Daniel Gantenbein bei unserem Gespräch klärend. Ein Satz, den man sich nicht nur als Winzer in der Bündner Herrschaft, sondern auf der ganzen Welt gerne zu Herzen nehmen darf.

Daniel Gantenbein bei der Arbeit. Gemeinsam mit seiner Frau Martha brachte er der Bündner Herrschaft Weltruhm ein.
© feinerfotografie.ch
Daniel Gantenbein bei der Arbeit. Gemeinsam mit seiner Frau Martha brachte er der Bündner Herrschaft Weltruhm ein.

Der teuerste Schweizer

Der Bezug zum Burgund ist auch beim Weingut Donatsch aus Malans nicht von der Hand zu weisen. Winzer Martin Donatsch liebt grosse Burgunder, wie man beispielsweise regelmässig auf Social Media mitbekommt. Die Beziehung zum Burgund beschränkt sich bei den Donatschs jedoch nicht auf blosse Liebhaberei, sondern besitzt viel tiefere Wurzeln. Donatschs Vater Thomas war ein guter Freund von André Noblet, dem verstorbenen Kellermeisters der legendären Domaine de la Romanee Conti.

Mit drei gebrauchten Fässern «La Tâche» begann der Visionär 1973 den Herrschäftler nach klassischer Burgundermethode auszubauen. Er brachte somit einen Stil in die Region, der bis heute prägend ist. Für die Donatschs selbst prägend war eine Weinauktion vor zwei Jahren, die Graubünden auch preislich auf einen Hammerschlag in die Liga des Burgunds hievte. Der Pinot Réserve Privée 2013 wurde damals für den stolzen Preis von 1075 Franken versteigert. Der höchste Preis, der bis dato für eine Flasche Schweizer Wein erzielt wurde. Denselben Wein adelte der amerikanische Wine Advocate mit 97 Punkten – ebenfalls Rekord. Für die Donatschs und Graubünden begann eine neue Zeitrechnung. Rund 700 Mails erreichten Donatsch innerhalb von drei Tagen, als er den Release seiner Unique-Weine ankündigte. Die Kunden konnten jeweils zwei bis drei Flaschen der begehrten Weine erwerben.

Wenige Tage nach der Auslieferung waren die ersten auf Ricardo und Ebay zur Versteigerung zu finden. «Unsere Weine haben sich mittlerweile zum Spekulationsobjekt entwickelt. Eine Entwicklung, die ich nicht gutheisse, denn wir geben uns grösste Mühe, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt und unsere Kunden die Weine zu einem gerechten Preis erwerben können», sagt Donatsch.

Donatschs Weine sind gesucht, weil sie sich geschmacklich eben durchaus auf einem Niveau mit grossen Burgundern bewegen und bei aller Spekulation dennoch deutlich preiswerter sind. Händler und Restaurants im Ausland wussten das schon länger, wurden lange aber von den Donatschs abgewiesen. «Wir hatten Anfragen von Spitzenrestaurants weltweit, aber mein Vater wollte es nicht riskieren, den heimischen Markt zu benachteiligen», so Donatsch.

Nach langen Diskussionen konnte er seine Eltern jedoch überzeugen und mittlerweile gehen rund fünf Prozent der gesamten Donatsch-Produktion ins Ausland. «Eigentlich haben wir selbst dafür zu wenig Wein. Aber mir geht es beim Export nicht darum, das eigene Ego zu streicheln, sondern darum, das Image der Schweizer Weine im Ausland voranzutreiben», sagt Donatsch. Für diesen Zweck scheinen die Burgunder aus Graubünden wie gemacht zu sein. 

Pioniere: Winzer Martin Donatsch (rechts) und sein Vater Thomas.
© Andrea Ebener
Pioniere: Winzer Martin Donatsch (rechts) und sein Vater Thomas.

Die Ablösung vom Burgund

«Die Qualität war in Graubünden immer schon sehr hoch», sagt Patrick Adank vom Weingut Hansruedi Adank in Fläsch. Adank, der seine Lehr- und Wanderjahre unter anderem im Burgund und der Champagne verbrachte spürt, dass sich in den letzten Jahren viel in der Region verändert. Es scheint als suchten die jüngeren Winzer der Bündner Herrschaft nach einer eigenen Identität. «Die Unterschiede in der Ausrichtung der Weingüter wird grösser. Es gibt viele Winzer die versuchen zum Beispiel die Lagen herauszuarbeiten, sozusagen die Identität und Herkunft ihrer Böden eigenständiger darzustellen», sagt Adank. Sie leugnen den Bezug zum Burgund nicht, streichen ihn aber auch nicht mehr auf die Art heraus, wie das früher der Fall war.

Grund dafür ist nicht nur der eigene Antrieb, sondern auch der Druck von aussen, der heute spürbarer denn je ist. Patrick Adank sagt dazu: «Graubünden gilt schon lange als eine der Top-Regionen der Schweiz. Aber auch andere Weinregionen aus dem In- und Ausland bringen grosse Weine in die Flasche und verbessern sich stetig.» Auch ihm geht es darum ein neues, eigenes Profil zu erarbeiten. Eines, das das Terroir der Herrschaft noch stärker und ohne Kompromisse zeigt. Das alpine Klima mit seinen kühlen Nächten und der längeren Vegetationsperiode ist perfekt geeignet, um Cool-Climate-Weine zu produzieren. Bedingungen, von denen Winzer in anderen Gebieten Europas und auch in der Schweiz nur träumen können, denn der fortschreitende Klimawandel mischt die Karten zugunsten der kühlen Gegenden neu.

Während die Schweizer Weinmacher und auch die Konsumenten für Jahrzehnte Säure, Ecken und Kanten als Makel in den heimischen Weinen ansahen, ist man heute stolz auf genau diese Eigenschaften. «Diese Charakteristik ist es doch, die die Bündner Weine auszeichnet. Sie widerspiegelt das alpine Klima, in dem wir uns befinden», sagt Adank. Das Selbstbewusstsein der Weinmacher in der Herrschaft nimmt die nächste Stufe, so scheint es. Adank will die Bündner Herrschaft auf die Flasche bringen, arbeitet hierfür biologisch und nachhaltig. Dabei immer im Blick: das Puristische, das Karge, das die alpine Landschaft Graubündens auszeichnet.

Zwei Bündner Winzergenerationen: Patrick Adank und sein Vater Hansruedi.
Foto beigestellt
Zwei Bündner Winzergenerationen: Patrick Adank und sein Vater Hansruedi.

Nah an der eigenen Region

Mit der Umstellung auf biodynamischen Anbau vor einigen Jahren entwickelten sich auch die Weine der Familie Obrecht noch stärker in diese Richtung. Filigraner und knackiger seien sie geworden, erzählt uns Francisca Obrecht und damit letztendlich terroirtypischer. Dank dem ordentlichen Preisniveau, das durch die Pionierarbeit nach Burgunder-Vorbild begründet ist, konnten die Obrechts die Umstellung auf den deutlich zeitintensiveren biodynamischen Anbau durchziehen ohne die Preise ihrer Weine nach oben zu korrigieren. Ein Glücksfall, wie Francisca Obrecht findet. Das Beobachten der Natur ist seit der Umstellung auf biodynamischen Anbau Kern ihrer täglichen Arbeit. Näher an den Reben zu sein, bringt Francisca Obrecht und ihren Mann Christian auf neue Ideen.

«Im Rebberg arbeiten wir mittlerweile mit mehreren Lesezeitpunkten, um die besten Trauben für den jeweiligen Wein zu finden. Es geht uns heute nicht mehr um Parzellen, sondern um die einzelnen Stöcke. Hierdurch nutzen wir die Varianz viel besser, wie das beim Kochen auch möglich ist. Man kann auch aus Siedfleisch etwas Geniales zubereiten, es braucht einfach mehr Zeit», sagt Obrecht. In den letzten Jahren begeistern sich auch immer mehr junge, unbedarfte Weingeniesser für die puristischen Alpenweine der Obrechts, erzählt sie uns. Der Gedanke der Nachhaltigkeit werde immer wichtiger, genauso wie die Menschen, die hinter einem Produkt stehen. Genauso wie das Lokale, die Region in der ein Wein entsteht. Graubünden ist mehr denn je Graubünden und nicht länger das «Burgund der Schweiz» – eine erfreuliche Entwicklung.

Das alpine Klima in der Bündner Herrschaft ist perfekt geeignet, um Cool-Climate-Weine zu produzieren. 
© Heidiland Tourismus
Das alpine Klima in der Bündner Herrschaft ist perfekt geeignet, um Cool-Climate-Weine zu produzieren. 

Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2021

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