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Waadt: Das Beste aus der Terroirküche

Lokale Produkte und ­traditionelle Rezepte ­bietet der Kanton Waadt zuhauf. Nicht nur im Sterne­segment, auch in der bodenständigen ­Gastro­­nomie ist die ­Region top!

Die Sprachgrenze zwischen der Deutschschweiz und dem französisch sprechenden Teil des Landes bezeichnet man als Röstigraben. Gemeint sind damit lange nicht nur sprachliche Differenzen, sondern vor allem solche kultureller Art. Wie der Name impliziert, können diese Unterschiede durchaus auch kulinarischer Natur sein. Die Deutschschweizer sind zum Beispiel der Überzeugung, dass in den Wirtshäusern am Genfersee schon am Mittag Wein getrunken wird, während das in Bern oder Zürich je länger je mehr die grosse Ausnahme ist. Ein negativ geladenes Vorurteil ist das allerdings nicht – viel mehr bewundern die Restschweizer die Romands dafür, dass ihre Bevölkerung die eigenen Erzeugnisse schätzt und man nicht schief angesehen wird, wenn man zum Lunch ein Glas Wein bestellt. Ob nun in der Romandie am Mittag wirklich mehr Wein getrunken wird, ist dabei übrigens unerheblich – auch wenn ein Essen in einem klassischen Waadtländer Wirtshaus durchaus diesen Eindruck vermittelt.

Fisch aus dem See

Das «Au Cœur de la Côte» ist am Mittag gut gefüllt – das Publikum ist erfreulich durchmischt, hier kehren Handwerker genauso gerne ein wie Geschäftsleute oder Touristen, und an fast jedem Tisch gönnt man sich zum deftigen Mittagessen ein Glas lokalen Wein. Das Wirtshaus wurde 1896 in Vinzel, einem Dorf im Herzen der Weinbauregion «La Côte», eröffnet.
Berühmt ist die Region natürlich für ihren Chasselas-Wein und das Restaurant für den Malakoff de Vinzel, eine frittierte Käseschnitte, die hier zu Öffnungszeiten durchgehend angeboten wird. Zum Malakoff isst man Salat und bestellt so lange nach, bis man genug hat – vermerkt wird die Anzahl verspeister Malakoffs mittels Bleistiftstrichs auf dem papiernen Tischset. Als Vorspeise reichen uns heute je zwei Stück der köstlichen, knusprig-cremigen Halbkugeln. Schliesslich wollen wir auch den regionalen Fisch kosten. «Filet de Perche», Barschfilet aus dem Genfersee, steht in vielen Waadtländer Wirtshäusern auf der Karte. Der Genfersee gilt bis heute als äusserst fischreich und viele Restaurants beherrschen die Fischküche entsprechend gut.
Bekannt für die Fisch-Spezialitäten ist auch die «Auberge de la Gare» in Grandvaux in der Zone des Lavaux. Koch Philippe Delessert ist der beste Beweis dafür, dass eine Küche nicht immer kompliziert oder originell sein muss, um zu überzeugen. Delessert setzt auf solides Handwerk und erstklassige regionale Produkte. Regionales Fleisch kauft er bei einem Metzger im nahen Vevey, Mehl bei einer Mühle im Waadtländer Mittelland und sogar Schnecken – sollten die gerade auf der Karte stehen – bezieht er aus regionaler Zucht. Und natürlich ist auch der grösste Teil des Weinkellers mit regionalen Tropfen gefüllt. Für den international reisenden Weinfan besonders erfreulich: Die Karte ist nicht nur überaus fair kalkuliert, sondern wird komplettiert von einer Auswahl von Spitzencrus aus der ganzen Schweiz.

Regionaler Weingenuss

Restaurants, die sich den lokalen Weinen verschrieben haben, gibt es im Waadtland einige, doch nur wenige stehen dafür so unmissverständlich wie die «Auberge de l’Onde» in Saint-Saphorin. Sommelier und Restaurantleiter Jérôme Aké Béda (siehe Interview Seite 21) hat in den letzten Jahren eine einzigartige Sammlung von Waadtländer Weinen angelegt, daneben sind auch grossartige Positionen aus dem angrenzenden Frankreich zu finden. Das Bistro im Erdgeschoss ist urgemütlich. Reservieren Sie aber einen Platz in der «Rôtisserie» im ersten Obergeschoss – ganz klassisch werden hier viele Gerichte auf einem offenen Kamingrill zubereitet. Zu den Highlights gehören das Filet vom Simmentaler Rind, die lokalen Fische und nicht zuletzt die begleitenden Weine, die Aké Béda besonders weininteressierten Gästen gerne blind serviert. Wer sich hier auf eine Weinentdeckungsreise einlässt, wird reich belohnt.
Auch im «Café de Riex» stehen die grossen Crus des Lavaux auf der Weinkarte. Der Koch Peter Hasler serviert bodenständige Kost, die zuweilen mit einem überraschenden Twist aufwartet. Die Gerichte werden auf einer Schiefertafel in der altehrwürdigen Gaststube präsentiert. Bei unserem Besuch serviert Hasler zur Vorspeise einen erstklassigen Thunfisch mit Tomateneis und als Hauptgang ein Rumpsteak mit Möhren, Kartoffeln und einer exzellenten Jus. Für den Koch sind Saisonalität und Regionalität keine einfachen Schlagworte, sondern der Schlüssel zu hochwertiger Küche. Er pflegt enge Kontakte zu Produzenten und Lieferanten aus der unmittelbaren Umgebung. Nicht nur die Arbeitsweise, auch das Haus und die Küche verströmen den Charme vergangener Zeiten – das «Café de Riex» ist altmodisch im besten Sinne und damit moderner als manches Szenelokal. Die Fans und unzähligen – durchaus auch prominenten – Stammgäste danken es dem Patron Peter Hasler. Wer im «Café de Riex» einkehren will, sollte seinen Tisch unbedingt vorab reservieren.

Brasseriekultur in Lausanne

Lausanne ist die Hauptstadt des Kantons Waadt und kulinarisch ein echtes Eldorado. Die «École hôtelière de Lausanne», die hier ansässige Hotelfachschule, gilt weltweit als führende Institution ihrer Art. Die Luxushotels im Ort beherbergen oft erstklassige, vielfach ausgezeichnete Restaurants, und dann wäre da noch die französisch geprägte Wirtshauskultur, die in den «Pintes», «Auberges» und «Brasseries» von Lausanne gelebt wird. Das urige «Au Chat Noir» erinnert mit seiner Einrichtung – seinen Holzstühlen und Lederbänken – an die legendären Brasserien von Paris.
Das Lokal gehört zu den wenigen noch übrig gebliebenen und authentischen Lokalen dieser Art in Lausanne. Chefkoch Stéphane Chouzenoux hält sich zwar an die französischen Klassiker, serviert diese jedoch in einer Präzision, wie man sie nur mehr selten zu Gesicht bekommt. Die aktuell angebotenen Speisen werden auf Schiefertafeln präsentiert und bei Bedarf ganz einfach ausgewechselt. Vermeintlich einfache Gerichte wie ein Risotto oder ein Kalbskotelett mit Pilzen werden hier zu einem grossen Genuss. An die Stadt Paris erinnern nicht nur das Intérieur und der Geschmack der Speisen, sondern auch der umtriebige Service und die meist gut besetzte Gaststube.
Eine andere Richtung schlägt Koch Yves Pannier in seiner «Brasserie Lausanne-Moudon» ein. Das ebenso traditionelle Lokal hat der junge, ursprünglich aus der Bretagne stammende Gastronom im Jahr 2017 übernommen. Gerichte wie Steak Tartare serviert Pannier klassisch oder in Thai-Version, den Fisch aus dem Neuenburgersee verarbeitet er zu lokalen «Fish & Chips», und natürlich darf auch ein Burger in einer modern interpretierten «Brasserie» nicht fehlen. Die Wirtshauskultur und damit die lokale Küche – die «Cuisine terroir» – sind im Waadtland so lebendig wie eh und je.


TIPPS & ADRESSEN

  • Auberge de l’Onde
    Hier geht es auf mehreren Ebenen erstklassig zu und her: Im Erdgeschoss befindet sich die Brasserie, im Obergeschoss die Rôtisserie mit offenem Kamin. Erstklassige Weinkarte.
    aubergedelonde.ch
  • Auberge de Rivaz
    Eine echte Institution am Genfersee. Auf der Karte stehen sowohl elegante Meeresfrüchte als auch währschafte Teller. Schöne Weinkarte mit den besten Crus zu sehr vernünftigen Preisen.
    aubergederivaz.ch
  • Auberge de la Gare
    Café, Restaurant und Hotel zugleich. Im Sommer lädt die Terrasse mit schattenspendenden Bäumen zum Verweilen ein. In der Küche werden vornehmlich saisonale, regionale Produkte verarbeitet.
    aubergegrandvaux.ch

  • Auberge du Vigneron
    Die «Auberge du Vigneron» serviert Brasserie-Gerichte mit starkem Regionalbezug. Die Aussicht über die Rebberge von Epesses und den Genfersee ist atemberaubend. Gute regionale Weinauswahl.
    aubergeduvigneron.ch
  • Au Chat Noir
    Das Lokal mit Lederbänken und Holztischen ist eine der letzten echten Brasserien von Lausanne. Chefkoch Stéphane Chouzenoux erfindet die Brasserie-Klassiker zwar nicht neu, serviert sie aber auf einem selten gesehenen, hohen Niveau.
  • Au Coeur de La Côte
    Beliebtes Lokal bei Einheimischen und Touristen gleichermassen. Hausspezialität ist der Malakoff – eine frittierte Käseschnitte. Diese wird den ganzen Tag über serviert. Ausserdem feine Käsespezialitäten und Fisch aus dem See.
    malakoffvinzel.ch
  • Brasserie Lausanne-Moudon
    Der junge Gastronom Yves Pannier hat die klassische Brasserie im Jahr 2017 übernommen. Er serviert regionale Wirtshausgerichte, aber auch moderne Klassiker wie Burger.
    lausanne-moudon.ch
  • Café Romand
    Klassische «Pinte» im Herzen von Lausanne. Eröffnet im Jahr 1951 und eine der letzten verbliebenen Lausanner Brasserien. Warme Küche gibt es vom Mittag bis am Abend durchgehend.
    cafe-romand.ch
  • Café de Riex
    Koch Peter Hasler serviert in dem legendären Lokal bodenständige Kost, die zuweilen mit einem überraschenden Twist aufwartet.
    cafe-de-riex.ch
  • Les 3 Sifflets
    Alle Käseliebhaber kommen in diesem Restaurant voll auf ihre Rechung: Die alte Brasserieoptik spiegelt die Authentizität der Küche wider, hier werden Top-Produkte aus der Region verwendet. Unbedingt probieren: das herrliche Fondue – das kommt nämlich mit reichlich Tam-Tam an den Tisch.
    3sifflets.ch
  • Le Coucou
    Hoch über Montreux – auf 1150 Metern über Meer – befindet sich das Hotel und Restaurant «Le Coucou» in einem typischen Schweizer Chalet. Es begeistert mit einladendem Alpenchic. Auf die Teller kommen Schweizer Klassiker und in die Gläser lokale Weine oder doch lieber eine Flasche aus der exzellenten Champagnerauswahl?
    coucoumontreux.com
  • La Pinte Communale
    Hübsche Brasserie im Zentrum des Weindorfes Aigle. Auf der einen Seite werden regionale, währschafte Klassiker serviert, auf der anderen Seite gibt es moderne Gourmetgerichte. Chefkoch Alexandre Luquet verbindet Tradition und Moderne scheinbar spielend.
    pinte-communale.ch

Erschienen in
Falstaff Special «Vaud» 2019

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