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Vegan – Mit Genuss und ohne Mangel?

Vegane Ernährung polarisiert, stellt Vertrautes in Frage, nimmt spätestens seit der Klimadebatte Fahrt auf und braucht für eine gesunde Rundum-Versorgung des Körpers jedenfalls mehr Know-how als andere Ernährungsweisen.

Entgegen landläufiger Annahme machen vegan lebende Menschen weiterhin nur einen kleinen Bruchteil der Gesellschaft aus: Gerade einmal ein Prozent verzichtet völlig auf tierische Produkte, also auf Fleisch, Wurst, Eier und Fisch ebenso wie auf Milch, Käse und Honig. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Tierethik, Gesundheit und Klima stehen dabei weit oben. Insbesondere junge, höher gebildete Menschen entschliesen sich zunehmend, sich rein pflanzlich zu ernähren. Diese setzen sich in der Regel generell intensiv mit Ernährung auseinander – und das ist auch nötig, damit sich «vegan» nährstoffbedarfdeckend und wohlschmeckend in die Praxis umsetzen lässt und die gesundheitlichen Risiken gering gehalten werden.

Denn Veganer essen zwar mehr Gemüse, Obst und (Vollkorn-)Getreide, konsumieren weniger Tabak und Alkohol und bewegen sich meist mehr als der Bevölkerungsdurchschnitt. Dadurch haben sie einen niedrigeren Cholesterinspiegel und ein geringeres Risiko für Bluthochdruck, Herzkrankheiten sowie Typ-2-Diabetes. Allerdings gilt bei einer rein pflanzlichen Ernährungsweise die Versorgung mit einigen Nährstoffen als potenziell kritisch.

Eiweiss kaum ein Problem

Häufig werden zur Überprüfung der Nährstoffversorgung allgemeine Blutbilder empfohlen. Katharina Petter von der Veganen Gesellschaft Österreich und Karl Zwiauer vom Landesklinikum St. Pölten warnten aber zuletzt in einem Interview des «forum. ernährung heute», sich allein darauf zu verlassen, da etwa ein Vitamin-B12-, Jod- oder Eisenmangel so nicht rechtzeitig zu erkennen ist. Vielmehr ist der Mangel bereits eingetreten, wenn sich das Blutbild verändert zeigt. Empfohlen wird daher eine jährliche konkrete Untersuchung der kritischen Nährstoffe für Erwachsene und Kinder. 

Anders als man glauben möchte, ist dabei Eiweiss in den seltensten Fällen das Problem: Statt der tierischen Eiweissquellen Fisch, Fleisch und Ei sowie Milch und Milchprodukten finden sich Hülsenfrüchte, Nüsse, Produkte wie Tofu und Seitan sowie pflanzliche Milchalternativen wie Reis-, Hafer- oder Sojadrinks in den Ernährungsempfehlungen. Damit ist die Eiweissaufnahme gut zu bewerkstelligen.

Die «VeChi»-Studie aus Dortmund zeigt, dass selbst bei Kindern die Zufuhrraten von Eiweiss durchwegs über den Richtwerten liegen, egal, ob sie sich omnivor, vegetarisch oder vegan ernähren. Besonders Sojaprodukte weisen hochwertiges Eiweiss auf. Ebenso punkten Pistazien, da sie alle essenziellen Aminosäuren enthalten. Auch Pilze können zur Eiweissaufnahme beitragen.

Was fast allen fehlt

Konkret ist für eine ausreichende Versorgung auf ein paar Feinheiten zu achten, die in der veganen Lebensmittelpyramide des deutschen Instituts für alternative und nachhaltige Ernährung (IFANE) veranschaulicht sind. Richtet man seinen Speiseplan nach den Empfehlungen aus, werden bei fast allen Nährstoffen die Referenzwerte erreicht oder überschritten. Besonderes Augenmerk verlangen allerdings folgende Mikro- und Makronährstoffe:

  • Vitamin B12 muss zugeführt werden, da es nur in tierischen Produkten vorkommt. Dazu gibt es für jedes Lebensalter Empfehlungen zu Frequenz und Dosis. Eine individuelle Abklärung wäre gut, da die Langzeitfolgen einer Überdosierung unklar sind. Eine regelmässige Überprüfung der Körperspeicher ist erforderlich.
     
  • Nötig ist eine Nahrungsergänzung auch bei Omega-3-Fettsäuren, für die es mit EPA-/DHA angereicherte Öle und Ölkapseln gibt, zum Beispiel Leinöl. Auch die Meeresalge Nori fungiert als Quelle.
     
  • Eisen und Jod sind unabhängig von Ernährungsweisen ein Problem. So zeigt sich zwar, dass die Eisenzufuhr bei vegan essenden Kindern am höchsten ist, jedoch ist die Verfügbarkeit aus pflanzlichen Quellen nicht so gut. Um die Eisenabsorption zu verbessern, wird generell empfohlen, gleichzeitig Vitamin C aufzunehmen. Am besten ist es, eisenreiches Gemüse wie Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, Spinat, Erbsen oder Schwarzwurzeln mit Zitrusfrüchten, Paprika, Grünkohl oder Brokkoli zu kombinieren. Jod kann über angereichertes Speisesalz und Nori-Algen aufgenommen werden.
     
  • Auch die Versorgung mit Kalzium kann schwierig sein. Das Problem: Da vom Körper Kalzium aus den Knochen entnommen wird, um den Wert im Blut konstant zu halten, zeigt ein Blutbild trotz Mangels meist Werte im Normalbereich. Das ist gerade bei Kindern kritisch, weil sich die Knochen bei Kalzium-Mangel nicht optimal ausbilden können. Viel Kalzium enthalten Hülsenfrüchte wie Bohnen und Kichererbsen, Kohl, Oliven oder Nüsse, Brokkoli, Rucola, Sesam und Sojaprodukte. Weiters sind kalziumreiche Mineralwässer ideal, also jene mit mehr als 150 mg Kalzium pro Liter. Zusätzlich können mit Kalzium angereicherte Milchalternativen eine ausreichende Aufnahme erleichtern.
     
  • Bei Vitamin D reicht die Zufuhr über die Nahrung unabhängig von der Ernährungsweise nicht aus. Es wird bei ausreichender Sonnenexposition vom Körper selbst zur Genüge produziert. Vor allem in den lichtarmen Monaten Oktober bis März sollte Vitamin D supplementiert werden – was jedoch für alle Menschen in unseren Breitengraden gilt.

Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2021

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Marlies Gruber
Autor
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