Appenzeller Siedwürste, Appenzeller Pantli und Appenzeller Mostbröckli dürfen ab sofort das Markenzeichen IGP tragen.

Appenzeller Siedwürste, Appenzeller Pantli und Appenzeller Mostbröckli dürfen ab sofort das Markenzeichen IGP tragen.
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Urs Bolliger im Falstaff-Talk: Es geht um die Wurst

Der Geschäftsführer der Sortenorganisation Appenzeller Fleischspezialitäten über die Bedeutung von Regionalität, die Wahrung von Ursprung und darüber wie man Siedwurst isst.

Appenzeller Siedwurst, Appenzeller Pantli und Appenzeller Mostbröckli sind kulinarische Aushängeschilder des Appenzellerlands: Seit 1. November dürfen diese Produktbezeichnungen nur noch von den 18 zertifizierten Mitgliedern der Sortenorganisation Appenzeller Fleischspezialitäten verwendet werden. In den vergangenen sechs Monaten besuchte und überprüfte das Schweizer Zertifizierungs-Unternehmen ProCert AG alle Mitgliederbetriebe mit dem Ergebnis, dass die 18 Betriebe die anspruchsvollen Anforderungen erfüllen und somit die offiziellen Logos der Appenzeller Fleischspezialitäten IGP auf ihren Produkten verwenden dürfen. Der wirkungsvolle Schutz traditioneller Produkte mit Hilfe von Markenzeichen wie IGP ist ein wichtiger Schritt, um diese Einkommensquellen für die Region nachhaltig zu erhalten und zu fördern.
Die Zertifikate der Sortenorganisation Appenzeller Fleischspezialitäten wurden am 31. Oktober im «Restaurant Ochsen» in Schönengrund (AR) feierlich an die Mitglieder überreicht. Urs Bolliger, der Geschäftführer der Organisation freut sich über die Wertschätzung der regionalen Produkte. Mit Falstaff sprach er über die zunehmende Bedeutung der Regionalität und seine tägliche Motivation als Geschäftsführer.

FALSTAFF: Wofür steht die Sortenorganisation Appenzeller Fleischspezialitäten?
Urs Bolliger: Die Sortenkommission überwacht die Anwendung und Umsetzung des Pflichtenheftes für die Appenzeller Fleischspezialitäten sowie die Einhaltung der Mindestqualitätsansprüche. Die Sortenorganisation ist aber auch für den Erhalt der Einzigartigkeit der Produkte zuständig: AOP oder IGP Produkte sind traditionelle Spezialitäten, die eine starke Verbindung zu ihrer Ursprungsregion aufweisen. Sie widerspiegeln ihre Herkunft und somit auch einen bestimmten Kulturkreis und ein bestimmtes Handwerk. Daher wird besonders darauf geachtet, dass es keine Kopierungen gibt, der Name »Appenzeller« also nur von zertifizierten Produzenten verwendet wird.
Welche Bedeutung hat Regionalität in der Schweiz?
Die Bedeutung des Terroir ist in der Schweiz sehr stark – aber auch in der gesamten EU nimmt das regionale Bewusstsein zu. Die Sehnsucht nach Regionalität und Authenzität ist bei einem gewissen Kundensegment sehr stark vorhanden. Es gibt jedoch eine kleine Unterscheidung zwischen der West- und der Ostschweiz: In der französischen Schweiz haben AOP und IGP Produkte einen höheren Stellenwert, während man in der deutschsprachigen Schweiz eher auf Labels setzt, wie beispielsweise das Regio-Label Culinarium oder regionale Bioprodukte.
1999 haben Sie das erste Regionalmarketingprojekt der Schweiz, das Gütesiegel Toggenburg, ins Leben gerufen. Heute, beinahe 20 Jahre später, sind Sie Geschäftsführer der Sortenorganisation Appenzeller Fleischspezialitäten. Wie hat sich der Markt seither verändert?
In den vergangenen 20 Jahren hat sich das regionale Bewusstsein der Konsumenten eindeutig verstärkt. Zu Beginn der 2000er-Jahre haben mich verschiedene Händler sowie Gastronomie-Händler mit meinen Labels lediglich belächelt. Heute kommen die Händler auf mich zu. Sie wollen regionale Produkte und setzen bei ihrem Sortiment einen klaren Fokus auf die Schweiz. Interessant ist allerdings, dass es insgesamt drei verschiedene Ebenen von Regionalität gibt. Zum einen gibt es Produkte, deren Rohstoffe aus der Region kommen und die auch in der Region selbst hergestellt werden. Dann gibt es Produkte, die lediglich in der Region verarbeitet werden, wie bespielsweise der Parmaschinken. Und es gibt Industrieprodukte, bei denen nur einzelne Zutaten aus der Region stammen. Eine Studie hat dabei ergeben, dass die Konsumenten allerdings kaum zwischen diesen drei Definitionen unterscheiden, wenn es um den Kauf regionaler Produkte geht.

Seit Sie Geschäftsführer der Sortenorganisation St. Galler Bratwurst sind, werden Sie auch als Gralshüter der St.Galler Bratwurst bezeichnet. Werden Sie fortan auch der Gralshüter von Mostbröckli, Siedwurst und Pantli?
(Schmunzelt): Das muss ich noch herausfinden. Die St. Galler Bratwurst geniesst im Grossraum St. Gallen natürlich eine viel grössere Bekanntheit. Wir möchten allerdings bereits seit 20 Jahren Trends um Emotionen aufbauen – ob ich dann auch Gralshüter von Mostbröckli, Siedwurst und Pantli sein werde ist fraglich. Aber vielleicht ergibt sich etwas völlig Neues – vielleicht werde ich der nächste Freiheitskämpfer der Appenzeller Fleischspezialitäten. In jedem Fall möchten wir die Bekanntheit der Marke stärken. Denn die wichtigste Voraussetzung um Mitglied der Sortenorganisation zu sein, ist der Stolz auf ein erstklassiges Produkt. Die Produzenten sind stolz darauf mit ihren Produkten ein Erbe zu tragen und das verdient Respekt und Anerkennung. Und genau dadurch wird ein Produkt einzigartig.
Was ist Ihre tägliche Motivation als Geschäftsführer der Sortenorganisation Appenzeller Fleischspezialitäten?
Der Ursprung. Und die Liebe zum ländlichen Raum. Wichtig ist vor allem das Bewusstsein, dass die ländlichen Regionen nur dann erhalten bleiben können, wenn auch die Produzenten in diesem Raum abgesichert sind. Zum anderem sind es die Menschen selbst, die mich täglich in meiner Tätigkeit motivieren. Es gibt in etwa 600 Betriebe, die in unserem Netzwerk versammelt sind und ich habe grossen Respekt vor diesen Menschen. Mit ihnen gemeinsam möchte ich einen Weg gehen, der den Ursprung ehrt, aber auch Innovationen schafft.

Viele sind sich nach wie vor uneinig darüber, wie die korrekte Häutung der Appenzeller Siedwurst erfolgen soll. Wie essen Sie sie am liebsten?
Produktionstechnisch gesehen ist der Unterschied zwischen der St.Galler Bratwurst und der Siedwurst der, dass die St.Galler Bratwurst in Schweinedarm abgefüllt ist, der verspeist werden kann und die  Siedwurst in Rinderdarm, der etwas fester ist.
Ich halbiere die Siedwurst immer zuerst und schneide sie dann der Länge nach auf. Dann Schäle ich sie ab. Die Siedwurst ist im Gegensatz zur Bratwurst eher ein Gericht, dass man gesittet auf einem Teller am Tisch verspeist, wobei man sich auch gerne mehr Zeit nimmt, während man die Bratwurst auch einmal schnell zwischendurch als «Fast Food» verspeisen kann. Ich finde es schön, dass man sich für das kultivierte Schälen Zeit nimmt und ein gewisses Geschick darin entwickelt. Eine Siedwurst zu essen kann manchmal also auch ein entschleunigendes Ritual sein.

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Zur Person

Urs Bolliger ist gelernter Landwirt und Dipl. Ing. Agronom aus Grabs im Kanton St.Gallen. Seit beinahe 19 Jahren ist er Geschäftsführer von Culinarium – seit Januar 2018 ist er nun auch Geschäftsführer der Sortenorganisation Appenzeller Fleischspezialitäten. Als Geschäftsführer der Sortenorganisation St. Galler Bratwurst fungiert er seit 2009. Zudem ist er bereits seit 2010 Mitglied der Marketingkommission der Schweizerischen Vereinigung der AOP-IGP Produkte.


INFO

IGP – IGP ist die Abkürzung für «Indication Géographique Protégée» oder geschützte geografische Angabe. Es steht für traditionelle Produkte, die im Herkunftsgebiet entweder erzeugt, verarbeitet oder veredelt werden. Die Rohstoffe dafür dürfen im Gegensatz zur AOP auch aus anderen Regionen der Schweiz stammen.

AOP – AOP ist die Abkürzung für «Appellation d'Origine Protégée». Die deutsche Übersetzung lautet geschützte Ursprungsbezeichnung. In der Schweiz hat sich aber die französische Schreibweise durchgesetzt. Bedingung für das Garantiezeichen AOP ist, dass von den Rohstoffen bis zur Produktion alles
aus einer klar eingegrenzten
Ursprungsregion stammt.


Rafaela Mörzinger
Redaktions- und Portalmanagerin Falstaff Schweiz
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