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Unbezahlbare Tipps für preiswerte Burgunder

Das Burgund gilt als teuer und kaum zugänglich. Aber stimmt das wirklich noch? Falstaff meint Nein! Denn es gibt sie, die preiswerten Burgunder. Wir sagen, welche das sind.

Romanée-Conti, Armand Rousseau, Coche-Dury, das alles ist uns entglitten«, sagt Willi Klinger, der seit Anfang des Jahres die Weinhandelskette Wein & Co leitet. Die vier- und fünfstelligen Preise für die gesuchtesten Raritäten der Starwinzer lassen Burgund-Liebhaber verzweifeln – zumal in ihrem Sog auch manch ein einstmals mittelpreisiger Burgunder teurer geworden ist. Doch trotz alledem hält der erfahrene Wein-Impresario Klinger Burgund immer noch für ein Schatzkästchen. Denn gleich nachdem er Anfang des Jahres von der Österreichischen Weinmarketing zu Wein & Co gewechselt war, hatte er ausgiebig die Gegend zwischen Dijon und Lyon bereist. Und fand dabei, wie er sagt, ein »neues Burgund«, eines der reellen Preise und der dynamischen, jungen Betriebe mit frischen Ideen.

Auch Sébastien Visentin, der mit seinem auf die Gastronomie ausgerichteten, in Berlin etablierten Weinhandel schon seit gut 20 Jahren einer der wichtigsten Botschafter der französischen Weinkultur in Deutschland ist, sieht Burgund unverändert positiv: »In der Gastronomie ist die Stimmung gegenüber Burgund nach wie vor gut«, sagt Visentin, »sicher sind die Preise in den letzten fünf Jahren gestiegen, teils auch wegen kleiner Ernten. Aber das hat die Nachfrage nicht gebremst, ich würde sogar fast sagen: ganz im Gegenteil.«

»Ich beurteile das Burgund als sehr gro­ßen Trend in der Schweizer Weinwelt. Die Nachfrage nimmt Jahr für Jahr zu«, berichtet auch Jan Martel aus der Schweiz. Mit der Weinhandlung Martel zählt er zu den wichtigsten Burgunderspezialisten in der Eidgenossenschaft und vertritt zahlreiche legendäre Weingüter aus der französischen Region. Interessanterweise nahm das Geschäft mit den Weinen aus dem Burgund bei Martel während des Lockdowns noch einmal deutlich an Fahrt auf, vor allem bei Privatkunden. »Und das trotz der Preisent­wicklung in den letzten Jahren, die doch äußerst beachtlich war«, erzählt er.

Aber: Kann man wirklich glauben, dass es in einem Anbaugebiet von rund 29.000 Hektar keine Weine gibt, die man sich leisten kann und für die man nicht schon seit 30 Jahren auf der Kundenliste des Weinguts stehen muss? »Die kontingentierten Weine, das sind doch maximal ein, zwei Prozent«, gibt Albert Kierdorf zu bedenken, der als einer von nur 17 Händlern weltweit die Weine von Romanée-Conti vertreiben darf. »Ich gelte in erster Linie als Händler von Spitzenburgundern, aber unsere eigentliche Leistungsfähigkeit zeigt sich darin, dass wir exzellente Preis-Leistungs-Burgunder im Sortiment haben.«

Nach so viel Vorschusslorbeeren haben sich die Falstaff-Wein-Chefredakteure in Österreich, der Schweiz und Deutschland mit Neugier und Verve in eine Verkostung gestürzt, um die besten Burgunder im reellen zweistelligen Preissegment zu finden. Dabei haben sich fünf Wege zum leistbaren Burgundergenuss herauskristallisiert:

1 Zu AOCs greifen, die nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen

Burgund hat 84 kontrollierte Herkunftsbezeichnungen. Jeder kennt Chambertin, Chablis und Montrachet (siehe auch »Die glorreichen Zehn«), aber wie steht es mit Maranges, Irancy oder Vézelay? In den weniger namhaften Regionen wachsen zwar keine Burgunder mit Kult-Potenzial, aber die guten Weine aus diesen Herkünften reichen meist mühelos an die mittleren aus den Spitzenorten heran oder übertreffen sie. Die ganze Côte Chalonnaise am südlichen Anschluss der Côte de Beaune etwa ist ein Dorado für Schnäppchenjäger, hier gibt es zwar keine Grands Crus, aber Weine aus Premier-Cru-Lagen können ein beachtliches Format aufweisen und kosten selten mehr als 30 Euro. AOCs wie Maranges und Santenay im Süden der Côte de Baune, Pernand-Vergelesses in der Nachbarschaft des Corton-Hügels, Saint-Aubin in zweiter Reihe hinter Chassagne und Puligny, Auxey-Duresses im Hinterland von Meursault oder Fixin und Marsannay im Norden der Côte de Nuits sind immer eine gute Wette, wenn man nach echten Burgundern zu reellen Preisen sucht.


2 Nach unbekannteren Mitgliedern namhafter Winzer- Dynastien suchen

Die sprichwörtliche Zersplitterung Burgunds – den Clos de Vougeot beispielsweise teilen sich 74 Eigentümer – ist eine Folge des Erbrechts, das schon seit Jahrhunderten nach dem Prinzip der Realteilung gehandhabt wird. Diesen Umstand kann man sich auf der Suche nach Spitzenweinen zunutze machen: Denn wenn beispielsweise Jean-François Coche vom Weingut Coche-Dury Reben in Meursaults Spitzenlage Les Perrières besitzt, dann kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass auch sein Cousin Fabien Coche dort Reben besitzt – und etwas Würdiges aus ihrem Ertrag keltert. Gegen diesen Vorschlag lässt sich natürlich einwenden, dass auch der Stil des Weinguts Einfluss besitzt. Das Weingut Coche-Dury hat seinen Ruf schließlich nicht von ungefähr. Aber macht der Unterschied zwischen den Weinen der Cousins wirklich 1000 Euro pro Flasche aus? Zumal Burgundkenner wissen: Je reifer die Weine werden, desto mehr zeigt sich das Terroir und desto mehr verblasst die Handschrift des Winzers. 

3 Rotweine von WeißWein- Experten kaufen

Fast jedes namhafte Burgunder-Weingut hat seinen Schwerpunkt, ist entweder für seine Weiß- oder seine Rotweine berühmt. Noch vor zehn oder 15 Jahren hatte diese asymmetrische Wertschätzung in der Regel guten Grund, oft waren die Rotweine von Weißwein-Experten rustikal und die Weißweine der Rotwein-Winzer plump. Aber das ist längst nicht mehr so, wie auch der Falstaff-Test unter Beweis gestellt hat. Zwar ist es durchaus so, dass man etwa dem roten Santenay von Marc Colin oder dem roten Chassagne-Montrachet von Vincent & François Jouard anschmeckt, dass das stilistische Ideal dieser Winzer eines ist, das sich an der Eleganz eines Chardonnay orientiert. Aber dieser Zug zur Finesse steht auch dem Pinot Noir sehr gut zu Gesicht. Kurioserweise scheinen unserem Eindruck nach die Weißweine der Rotwein-Winzer tendenziell noch eher etwas unbeständig zu sein, wenngleich sich auch hier Trouvaillen aufspüren lassen, vor allem an der Côte de Beaune.

4 Aligoté probieren

Die Rebsorte Aligoté ist fast in Vergessenheit geraten. Doch was sagt es aus, dass Aubert de Villaine, der Mitinhaber der Domaine de la Romanée-Conti, im Weingut seiner eigenen Familie dieser Sorte die Treue hält? Der Ort Bouzeron, in dem die Domaine de Villaine zu Hause ist, ist sogar als Herkunftsbezeichnung ausschließlich für Aligoté definiert. Im Mittelalter soll auch der Montrachet mit dieser urtümlichen Traube bepflanzt gewesen sein. Natürlich erreichen die Weine aus dieser Sorte nicht die Geschmeidigkeit eines Chardonnay und nicht seine Komplexität. Doch die Mineralität der Böden geben sie genauso gut wieder. Wer einen kleinen Meursault trinken möchte, kann beispielsweise um weniger als 20 Euro zum Aligoté von Antoine Jobard (dem Neffen von Rémi Jobard) greifen. 

5 Der Jugend eine Chance geben

»In Burgund sind auch die jungen Winzer eher Traditionalisten und gehören nicht zur tätowierten Fraktion«, hat Sébastien Visentin beobachtet. Bachelet-Monnot aus Visentins Sortiment beispielsweise ist so ein Betrieb, gegründet 2005 von den zwei Brüdern Marc und Alexandre Bachelet. Neben ihren ausgezeichneten Maranges in beiden Farben erzeugen die Brüder auch Puligny Premier Cru Les Folatières und sogar Bâtard Montrachet. Eine Neugründung aus dem Jahr 2009 ist die Domaine La Croix Montjoie aus dem Sortiment von Albert Kierdorf. Das Weingut liegt ganz im Norden Burgunds, deutlich näher an Auxerre als an Dijon, südlich von Chablis. Schon in ihren ersten Jahren haben sich auch Sophie und Matthieu Woillez einen Namen gemacht: für ihre Weißweine aus der 2017 neu formierten AOC Vézelay und ebenso für den als Bourgogne Générique etikettierten, aber als Pinot Noir erlebten – die Preise indes sind mehr als auf dem Boden geblieben, es sind ausgesprochene Schnäppchen.

Noch jünger ist Pierre Girardin: 21 Jahre alt. »Pierres Vater Vincent hatte sich ein kleines Burgunderimperium aufgebaut«, erzählt Willi Klinger von Wein & Co, »doch irgendwann hat er gemerkt, dass ihm das zu viel wurde, darum hat er im Jahr 2012 fast alles verkauft.« Viereinhalb Hektar behielt sich Girardin jedoch zurück, anfangs ohne konkreten Plan. »Dann ging eines Tages der damals 17-jährige Pierre hin und sagte: ›Papa, ich will das machen.‹« Die Talentproben des Youngsters, die Falstaff verkosten konnte, sind nachgerade begeisternd.

Auch wenn solche Geschichten nicht alltäglich sind – es gibt sie. Als Weinkenner darf man darauf vertrauen, dass einen der gute Fachhandel zu solchen oder ähnlichen Betrieben und seinen Weinen führt, ohne dass man vorher Tonnen von Büchern gewälzt hat oder zu tief in die Tasche greifen musste. »Burgund nur für Experten? Das wäre das Schlimmste, was passieren könnte«, sagt auch Sébastien Visentin. Und Willi Klinger meint: »Burgund im Sortiment zu führen, das ist ein Bekenntnis dazu, dass man als Händler nicht immer den einfachsten Weg gehen kann.«

Top 10 Appellationen des Burgunds

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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Von Ulrich Sautter