«Waltraud» heisst der Kellerneubau, den Torres 2008 in Betrieb nehmen konnte – eine Hommage an Miguel A. Torres’ (deutsche) Ehefrau Waltraud.

«Waltraud» heisst der Kellerneubau, den Torres 2008 in Betrieb nehmen konnte – eine Hommage an Miguel A. Torres’ (deutsche) Ehefrau Waltraud.
© jordielias

Torres: Aus Katalonien in die Welt

Kein spanisches Weingut besitzt international einen höheren Bekanntheitsgrad: Die Weine, die Familie Torres in Katalonien und anderswo erzeugt, haben spanische Weinbaugeschichte geschrieben.

Als der Ort Vilafranca del Penedès im Jahr 1865 Anschluss an Spaniens Eisenbahnnetz fand, hatten Jaime Torres und sein Bruder Miguel eine Idee: Nachdem es nun so einfach war, Waren in den Hafen Barcelona zu transportieren, warum nicht in die Vermarktung von Wein einsteigen? Miguel Torres pflegte, wie schon 14 Generationen vor ihm, die Weinberge der Familie in den Hügeln des Penedès. Aber bislang waren die Trauben immer an Händler verkauft worden, Wein hatte die Familie nur für den Eigenbedarf gekeltert. Jaime Torres lebte auf Kuba und hatte dort durch die glückliche Beteiligung an einer Erdölbohrung ein Vermögen gemacht. Ein eigenes Handelsschiff und ein gutes Netzwerk in der damaligen spanischen Kolonie besass er auch. Also stürzten sich die beiden Brüder in das Wagnis: 1870 eröffneten sie eine Bodega direkt gegenüber des Bahnhofs von Vilafranca del Penedès. In aller Stille und Bescheidenheit war damit nichts weniger als eine Weltmarke geboren.

Eine alte Familie

«Wir sind», sagt Miguel Torres Maczassek, nach dem Firmengründer der dritte Miguel der Dynastie, «eine alte Familie». Dass das Covid-Jahr 2020 die von langer Hand geplanten 150-Jahr-Feiern verunmöglicht hat, nimmt der 46-jährige gelassen: «Jede Generation hat ihre Herausforderungen». Blickt man zurück in der Firmengeschichte, wird nur allzu deutlich, wie Recht Torres hat. Schon die zweite Generation stand, in Person von Juan Torres Casals, vor gewaltigen Aufgaben: Nach der Unabhängigkeit Kubas von Spanien brach dem Weingut der wichtigste Markt weg, wenige Jahre später erreichte die Reblaus die Weinberge Kataloniens. Juan Torres blieb dennoch dynamisch, er stellte den Export neu auf, begann, Brandy zu erzeugen, registrierte die Marke «Coronas», und schaute sich in den Nachbargebieten des Penedès um. «Wir haben eine Flasche 1923er Priorat, die Juan Torres gekeltert hat, im Familienkeller», sagt Miguel Torres Maczassek. Gute 80 Jahre später sollte die Familie ins Priorat zurückkehren.

Kämpfe und Wiederaufbau

Die dritte Torres-Generation übernahm 1932: Miguel Torres Carbó gelangte nach dem Tod seines Vaters mit nur 23 Jahren in Verantwortung. Im spanischen Bürgerkrieg musste er sich nach Barcelona absetzen, nachdem Anarchosyndikalisten das Weingut besetzt hatten. Es sagt viel über den Geist der Familie aus, dass Torres trotz der Gefahr, in die er sich brachte, per Telefon mit dem Weingut verbunden blieb, um Anweisungen zum Fortschritt der Arbeiten zu geben. Auch als das Weingut kurz vor Ende des Bürgerkriegs bei einem Bombardement der deutschen Luftwaffe zerstört wurde, gab er nicht auf.

Er reiste in die USA und zog Aufträge an Land. «Unter anderem hörte er, dass der Nachschub von Chablis in die USA stockte», erzählt Miguel Torres Maczassek, «also etikettierte er Parellada als Chablis und verkaufte ihn in die USA. Nach dem zweiten Weltkrieg ging das natürlich nicht mehr, aber während des Kriegs konnte mein Grossvater so an die Einnahmen gelangen, die er für den Wiederaufbau benötigte. Wir haben noch das Telegramm, mit dem er sich aus den USA meldete und schrieb: Ihr könnt das Weingut jetzt wieder aufbauen.»

Generation Vier expandiert

In die Zeit von Miguel A. Torres fällt der wohl grösste Triumph des Weinguts: Als der 1970er Cabernet Sauvignon Gran Coronas Etiqueta Negra 1979 in einer Vergleichsprobe in Paris den gesamten Bordelaiser Weinadel hinter sich lässt, schaut die Weinwelt mit neuen Augen auf Torres. Der in Frankreich ausgebildete Miguel A. Torres führt französische Sorten in seinen Weinbergen ein, und er startet ein Tochterunternehmen in Chile, während seine Schwester Marimar in die USA übersiedelt und dort ein Weingut in Kalifornien gründet. Als Miguel Torres Carbó im Jahr 1991 stirbt, wird Miguel A. Torres auch formell Präsident des Unternehmens. In den Folgejahren übernimmt Torres den Penedès-Konkurrenten Jean Leon und dehnt seine Aktivitäten nach Ribera del Duero, ins Priorat, nach Rioja und Rueda aus. Im Jahr 2008 wird eine neue Weinkellerei fertig, benannt nach Miguel A. Torres’ deutscher Ehefrau Waltraud Maczassek. Der Stammsitz in Vilafranca ist nun auch ein weintouristischer Magnet.

Schieferwürzig und ungemein fein: Torres’ Top-Priorat Mas de la Rosa.
Foto beigestellt
Schieferwürzig und ungemein fein: Torres’ Top-Priorat Mas de la Rosa.

Zukunftspläne

Mit Miguel Torres Maczassek als Generaldirektor und seiner Schwester Mireia als Verantwortliche für Forschung, Entwicklung und Innovation bestimmt heute die fünfte Generation den Weg des Weinguts in die Zukunft. Torres treibt ein umfangreiches Programm zur Wiederbelebung alter Lokalsorten voran, über 60 Sorten werden momentan erkundet, die ersten besitzen bereits Praxisreife. Zugleich forscht Torres auf eigene Kosten zum Thema Klimawandel – und möchte durch eigenes Verhalten dazu beitragen, ihn zu drosseln: Der Carbon Footprint wurde in den letzten Jahren um 30 Prozent verringert, ausgegebenes Ziel ist die völlige CO2-Neutralität.

«Ich sehe Torres wie ein Mosaik von Weingütern», blickt Miguel Torres Maczassek in die Zukunft. «Weine aus Einzellagen werden grösseren Stellenwert besitzen. Manchmal werde ich gefragt, ob wir bald nach Italien oder Australien gehen – und da pflege ich zu antworten: Wir sind zwar eine alte Familie, aber wir sind keine grosse Familie. Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir uns fokussieren.»

Erschienen in
Falstaff Nr. 09/2020

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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