© Thomas Grøndahl

Tischgespräch mit Claus Meyer

Der Mitbegründer des «Noma» spricht im Falstaff-Talk über Roger Federer und die Haute Cuisine.

Falstaff: Sie bezeichnen sich als besessen, wenn es darum geht, die Esskultur zu verbessern. Geben Sie uns bitte ein Beispiel.
Claus Meyer: Ich sitze im Beratungsausschuss von Ikea, dem sechstgrössten Lebensmittelunternehmen der Welt. Dort entfallen 2,2 Milliarden Franken Umsatz pro Jahr allein auf die Bereitstellung von Essen. Hier geht es darum, die Speisekarte, die Lieferkette und den Umgang mit den Gästen so zu ändern, dass eine nachhaltige Wende erreicht wird. Das ist nicht einfach, aber ich bin überzeugt davon, dass sie es schaffen. Es wird die globale Esskultur massiv beeinflussen.

Sie betreiben unter anderem Kochschulen für Mitglieder wirtschaftlich benachteiligter Gemeinden in New York und Bolivien. Was sind Ihre aktuellen Projekte?
Mit meiner Firma erwäge ich gerade den Kauf einer Firma, die Linsen, Bohnen und Getreide in Tempeh, ein indonesisches Fermentationsprodukt, umwandelt. Zudem investieren wir in kleine Start-ups, die pflanzenbasierte Mehllösungen unterschiedlicher Herkunft entwickeln.

Wer hat Sie in Ihrer Karriere am meisten inspiriert?
Es sind zwei Menschen abseits aller Gastronomie: Muhammad Ali, als ich jung war, und Roger Federer während der letzten zehn Jahre. Ich habe geweint, als er gegen Rafael Nadal gewonnen hat. Wenn ich Roger bei einer seiner fantastischen Aktionen auf dem Tennisplatz beobachte, gelingen mir die Saucen besser.

Welcher Stil dominiert heute die Haute Cuisine?
Einige der Top-Küchenchefs sind Genies. Im Mittelpunkt stehen aber nicht mehr sie selbst, sondern die radikale Beschränkung auf das Produkt. Das ist der wahre Luxus, ganz im Gegensatz zu Kaviar und Foie gras, die früher doch nur für Prahlerei und Reichtum standen. Die Hegemonie der technisch hochstilisierten spanischen Hochküche ist vorbei.

Und das bedeutet für Ihre Henkersmahlzeit?
Als Vorspeise ein feines Flusskrebs-Süppchen, danach Kartoffeln mit Liebstöckel-Mayonnaise und eine Apfeltarte mit Vanilleeis. Dazwischen darf das Käse-Quartett Comté, Mont d’Or, Beaufort und Appenzeller nebst einem perfekt gebackenen Brot nicht fehlen.

Welches Schweizer Restaurant steht auf Ihrer Agenda ganz oben?
Ich habe viel Gutes über Andreas Caminadas «Schloss Schauenstein» gehört. Wenn er in der Küche das ist, was Roger Federer auf dem Tennisplatz darstellt, werde ich ihn sofort besuchen. 

Über Claus Meyer

Schon mit 20 Jahren träumte Claus Meyer davon, die Esskultur in seinem Land zu verbessern. Heute zählt der 55-jährige Mitgründer des «Noma» zu den einflussreichsten Köchen der Welt. Das Restaurant wurde zwischen 2010 und 2014 viermal zum besten der Welt gewählt. Der Food-Aktivist Meyer versteht es, sich in Szene zu setzen. Beim Nordic Investment Forum in Zürich ist er Keynote-Speaker, zum Interview erscheint er in grauem Sweatshirt und roten Turnschuhen.


Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2019

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Christian Euler
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