Tag der offenen Flasche
Das Schmidheiny-Weingut Höcklistein in Rapperswil-Jona lädt zur grossen Degustation.
© Hans-Peter Siffert/weiweltfoto.ch

Das Schmidheiny-Weingut Höcklistein in Rapperswil-Jona lädt zur grossen Degustation.
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In den Städten wird am 1. Mai mit einem farbenfrohen Umzug, mit Ansprachen, kämpferischen Parolen und ab und zu etwas Krawall der Tag der Arbeit gefeiert. Auf dem Land herrscht eine nicht weniger fröhliche Stimmung. Dort begehen die Winzer und ihre Anhänger das spezielle Datum mit dem «Tag der offenen Weinkeller» – zumindest in der deutschsprachigen Schweiz und seit Beginn des neuen Jahrtausends.

Der Tag der offenen Kellertüren lädt wie im Weingut Möhr-Niggli in Maienfeld zum Gespräch über den Weinbau ein.
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Rund 230 Weinkeller aus zwölf Deutschschweizer Kantonen zwischen Jura und Alpen haben sich herausgeputzt. Dazu einige Betriebe im Fürstentum Liechtenstein und vom deutschen Bodenseeufer. Der Wein fliesst in Strömen, und mannigfaltige regionaltypische kulinarische Köstlichkeiten stillen den aufkommenden Hunger.
Als die Meilener Winzerin Cécile Schwarzenbach 2001 den Anlass initiierte, inspiriert von ein paar Winterthurer Weinbauern, die zwei Jahre zuvor einen Versuchsballon gestartet hatten, hätte sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht einen derart durchschlagenden Erfolg mit heute 10.000 bis 20.000 Besuchern erhofft. «Wir riefen zwanzig Betriebe am Zürichsee dazu auf, am 1. Mai ihre Kellertüre zu öffnen, und gingen mit gutem Beispiel voran.» Da schönes Wetter herrschte, richtete sie auch Tische am Seeufer ein. Tröpfchenweise seien die Besucher zunächst eingetroffen. «Doch allmählich füllte sich der Garten. Die Stimmung stieg, und es wurde ein richtig gutes Weinfest.» Den Kollegen war es ähnlich ergangen, und man beschloss weiterzumachen.

Cécile Schwarzenbach von der Reblaube in Meilen war zu Beginn die treibende Kraft hinter den «Offenen Weinkellern».
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Dank professionellem, marketinggeschultem Handling wuchs der Anlass in den kommenden Jahren kontinuierlich. 2003 schlossen sich Winzer aus dem gesamten Kanton Zürich an. 2007 folgten die Aargauer und Thurgauer, 2008 die Schaffhauser. 2009 reihten sich Basel-Stadt, 2010 Baselland, Luzern, Schwyz, Sankt Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Graubünden ein. In den nächsten beiden Jahren meldeten sich die Berner vom Bieler- und Thunersee, 2013 die Solothurner, 2014 die Liechtensteiner, 2015 die Obwaldner.

Sogar in den Rebbergen wird degustiert wie hier im Schiterberg in Andelfingen.
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2016 schliesslich gesellten sich als Gäste gar deutsche Weingüter aus der Bodenseeregion dazu, was da und dort für etwas Unmut sorgte. Bezeichnenderweise sei die Kritik nicht von den Schweizer Anrainern des Bodensees gekommen. Diese hätten verstanden, dass Wein etwas «Grenzüberschreitendes und Verbindendes» sei, sagt Andreas Keller, der mit seiner Firma Swiss Wine Connection seit 2006 in guter Zusammenarbeit mit dem Branchenverband Deutschschweizer Wein für die Organisation des Grossanlasses verantwortlich ist.

Das Weingut zum Sternen in Würenlingen öffnet am 1. Mai auch die Kellertüren.
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Andreas Keller träumt gar noch weiter. «Grossartig wäre, wenn der 1. Mai in Zukunft zu einem Anlass des ganzen Weinlandes Schweiz würde, quer über alle Kantons-, Sprach- und sonstigen Grenzen und Röschtigräben hinweg.» Ein geeintes Auftreten des Schweizer Weins ist kein schlechtes Rezept in rauen Zeiten der Globalisierung.
Es waren einmal zwei Mäuse
Jedes Jahr wird der Tag der offenen Weinkeller von kleinen, frechen Tieren begleitet. Sie stammen aus der Feder des Winterthurer Künstlers Peter Gut.

Künstler Peter Gut.
Foto beigestellt
Seit 2009 begleiten die wundersamen Plakate des Zeichners, Malers und Karikaturisten Peter Gut – bekannt aus «NZZ», «NZZ Folio», «Bilanz» und «Die Zeit» – die «Tage der offenen Weinkeller». Sie sorgen für Aufsehen und Bewunderung und werden von den Besuchern auch rege gekauft.
Sein erstes Motiv der zwei degustierenden Mäuse wurde zwar von den Winzern nicht auf Anhieb goutiert. Mäuse würden Ekel auslösen und in einem sauberen Weinkeller seien sie kaum anzutreffen, wurde genörgelt. Spätestens aber im darauffolgenden Jahr, als sie flink vor einer sanftmütigen Katze davonsprangen, legten sich die Wogen, und als sich dann Jahr für Jahr die Menagerie vergrösserte, begann sich eine richtige Fangemeinde zu bilden.
So erzählen Peter Guts Kellertiere mittlerweile eine fortlaufende, fabelartige Geschichte, die zum scharfsinnigen Interpetieren einlädt. Vor der müdtrunkenen Katze tanzt ein Zirkushündchen; Krähe und Fuchs mischen sich ins bacchantische Spiel; ein Dachs taucht auf und führt die fidele Truppe in die Krokodilbar, wo Krähe und Mäuse zum Tanz aufspielen und sich Hund und Katze verliebt zuprosten. Auf dem letzten, aktuellen Plakat sind ausländische Besucher eingetroffen und testen wohlwollend, mit geübten Nasen und Kennerblick, die Deutschschweizer Weine. Gross ist schon die Spannung, wie und mit welchen Protagonisten Peter Gut die Geschichte nächstes Jahr weiterspinnen wird.
Aus dem Falstaff Magazin Nr. 03/2017
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