Die pittoreske Weinlandschaft bei Constantia Glen in Constantia. Hier im Süden von Kapstadt nahm der südafrikanische Weinbau seinen Anfang.

Die pittoreske Weinlandschaft bei Constantia Glen in Constantia. Hier im Süden von Kapstadt nahm der südafrikanische Weinbau seinen Anfang.
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Südafrika: Kap der guten Trauben

Kaum eine andere Weinregion der Welt hat in der jüngeren Vergangenheit eine derart steile Karriere gemacht.

Die Region am Kap präsentiert sich heute dem Besucher als wahrer Garten Eden. Überragt vom mächtigen weithin sichtbaren Tafelberg und umspült von den Wogen des Atlantiks herrschen hier ideale Bedingungen für den Weinbau. Keine Autostunde von Kapstadt entfernt reihen sich zahlreiche Weinbaugebiete aneinander, die sich im Klima und in der Bodenbeschaffenheit so unterscheiden, dass es möglich ist, auf engstem Raum so gut wie jede Sorte und jeden Weinstil zu erzeugen. Im heißen Norden liegt das Swartland, wo ähnliche Bedingungen wie in Australien oder Südfrankreich herrschen, das berühmte Stellenbosch könnte man als das Bordeaux Afrikas bezeichnen, in den kühlen, meeresnahen Regionen wie der Walker Bay wachsen die Sorten des Burgund. Auf höher gelegenen Berghängen hat man sogar mit Riesling gute Erfolge. Aufgrund dieser optimalen Bedingungen findet man in Südafrika ein qualitativ hochwertiges Weinangebot zu nahezu unschlagbaren Preisen. Neben den klassischen europäischen Spitzenrebsorten verfügt Südafrika mit der roten Kreuzung namens Pinotage über eine eigenständige Weinsorte, die dank ihres unverwechselbaren Charakters viel zum guten Ruf Südafrikas in der Weinwelt beigetragen hat.

Erst die politische Entwicklung der letzten zwanzig Jahre ließ die südafrikanische Weinwirtschaft zu einem weltweit beachteten Erzeuger aufblühen

Südfrika ist weltweit das einzige Land, bei dem ganz exakt bestimmt werden kann, seit wann dort Wein gekeltert wird. Man verdankt die­­sen Umstand einem Eintrag im Tagebuch von Jan van Riebeeck von der niederländischen Ostindien-Kompanie, der als erster »Commander of the Cape« am 2. Februar 1659 festhielt: »Gepriesen sei Gott, heute wurde zum ersten Mal aus Trauben vom Kap Wein gemacht.« In der jüngeren Geschichte wird allerdings der Beginn einer modernen Weinwirtschaft mit einem Datum verbunden, das lediglich 26 Jahre zurückliegt. Es war der 11. Februar 1990, an dem Nelson Mandela das Victor-Verster-Gefängnis in Paarl als freier Mann verlassen konnte. Südafrikas schrittweiser Übergang in eine funktionierende Demokratie ließ in der Folge, neben einigen weiterhin notwendigen Genossenschaften, auch die privaten Weingüter erblühen. Rund 20 Prozent des Weins kommen heute von den Weingütern, jedes Jahr wächst die Zahl der kleinen Boutique-Winzer, das Angebot wird immer bunter und die Qualität legt stetig zu. Der Weintourismus boomt und lockt Einheimische aus Kapstadt ebenso in die Region wie eine wachsende Zahl von Weinfreunden aus aller Welt.

Die uralten Weinstöcke der Sadie Family Wines im Winter.
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Die uralten Weinstöcke der Sadie Family Wines im Winter.

Schmuggel mit Chardonnay-Setzlingen in den 80ern

Einige Pioniere hatten schon in den Siebzigern erkannt, dass Tourismus eine wichtige Möglichkeit darstellt, Menschen zum Weingenuss zu animieren. Südafrika ist ein Land, in dem bis heute Bier und Brandy eine dominante Rolle spielen, der Weinkonsum beschränkt sich noch immer auf einige Liter per capita. Als 1971 in Stellenbosch die erste Weinstraße eingerichtet wurde und Winzer den Gästen Verkostungen am Weingut anboten, war das revolutionär. Die Großbrauereien und die KWV mit Exportexklusivität bemühten sich redlich, den aufkeimenden Weinboom einzugrenzen, unter anderem, indem man die Einfuhr von Pflanzmaterial international gefragter Rebsorten unterband. Chardonnay-Setzlinge wurden noch in den Achtzigern illegal ins Land eingeschmuggelt. Der Export mit Weinen aus der in Südafrika gekreuzten roten Rebsorte Pinotage, die außerhalb des Landes nicht bekannt war, gestaltete sich eher schwierig. Aber die wenigen qualitätsorientierten Kräfte ließen sich nicht entmutigen, sie legten bereits 1973 den Grundstein für eine klare Herkunftsdefinition mittels »South African Wine of Origin (WO)«. Die heute fünfschichtig aufgebaute Appellationspyramide ist ein komplexes Klassifikationssystem und besteht aus Geographical Units, Regions, Districts, Wards und Single Vineyards. Die Basis bilden die fünf Weinbaugebiete (Geographical Units) namens Western Cape, Northern Cape, Eastern Cape, KwaZulu-Natal und Limpopo. Die Weinberge erstrecken sich heute von der trockenen Northern-Cape-Zone, die sich über 300 Kilometer ausdehnt und von der Bewässerung durch den Orange River abhängig ist, bis ins östliche KwaZulu-Natal-Gebiet, das in der Sommerregen-Zone liegt und weintechnisch noch sehr jung und klein ist.

4% des weltweiten Weins kommen aus Südafrika

Auch heute wickeln mehrere große Kooperativen den Löwenanteil des südafrikanischen Weingeschäfts ab, der Verkauf im Fass spielt in diesem Bereich eine wichtige Rolle. Daneben steigt die Zahl der privaten Weingüter rapide, 212 waren es noch 1991, mittlerweile hat sich die Zahl bei rund 500 eingependelt. Südafrika trägt etwa 4 Prozent zur gesamten Weltweinproduktion bei und rangiert damit auf dem neunten Rang unter den größten Erzeugern. Das Land verfügt insgesamt über ziemlich exakt 100.000 Hektar unter Reben.
DIE BESTEN WEINE SÜDAFRIKAS

Das Weingut Rust en Vrede ist ein echter Klassiker und für jeden Besucher ein Pflichttermin.
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Das Weingut Rust en Vrede ist ein echter Klassiker und für jeden Besucher ein Pflichttermin.

Pinotage: die originäre Rebsorte Südafrikas

Südafrika besitzt mit der Pinotage seine ur­eigene Rebsorte. Vor über neunzig Jahren, exakt im Jahr 1925, wurden an der Universität von Stellenbosch von Prof. Abraham Perold zwei Rotweinsorten von grund­verschiedenen Charaktereigenschaften miteinander gekreuzt. 1941 wurde zum ersten Mal Wein aus Pinotage gekeltert. Der feinfruchtige, elegante und kapriziöse Pinot Noir aus dem kühleren Burgund mit der rustikalen, tannin­reichen Cinsault-Traube aus dem heißen Klima des Languedoc in Südfrankreich. In jenen Tagen bezeichnete man in Südafrika den Cinsault in Verwechslung mit Syrah auch als »Hermitage« und so entstand der Name aus Pinot und Hermitage: Pinotage, der Weine mit einem rauchigen Bukett und kraftvollen, aber im Idealfall auch runden Tanninen ergibt. Der Pinotage hat sich in den wärmeren Zonen Südafrikas sehr gut bewährt, man findet ihn heute auch in kleineren Populationen in Ländern wie Kalifornien, Kanada, Brasilien, Neuseeland und sogar in Israel. In Südafrika ist Pinotage heute die drittwichtigste Rotweinsorte und nimmt etwa 6,5 Prozent der Rebfläche ein.

Chenin Blanc ist wichtigste Weißweinsorte

Wer annimmt, Südafrika würde mehrheitlich Rotweine erzeugen, der irrt. Allerdings weist der Trend durchaus in diese Richtung. Heute beträgt das Verhältnis der Reben 55 Prozent weiße zu 45 Prozent rote Sorten. Vor 25 Jahren präsentierte sich ein völlig anderes Bild. Da hatten die Weißen einen Anteil von 84 Prozent, und nur 16 Prozent entfielen auf rote Rebsorten. Die im internationalen Premium-Weinbereich wichtigsten Rebsorten Chardonnay, Sauvignon Blanc, Cabernet Sauvignon, Merlot und Shiraz wurden in den letzten Jahren stark favorisiert und nehmen heute bereits rund die Hälfte aller südafrikanischen Weingärten ein. Klare Nummer eins ist aber nach wie vor der Chenin Blanc, der vor einem Vierteljahrhundert noch ein Drittel des Rebbestands ausmachte und sich nun bei 18 Prozent stabilisiert hat. Zweitwichtigste Weißweinsorte mit mehr als 11 Prozent ist die qualitativ unbedeutende Colombard, die als Grundlage der Brandyproduktion herangezogen wird. Meistangebaute Rotweinsorte ist heute mit 12 Prozent der Gesamtfläche der Cabernet Sauvignon, gefolgt von Shiraz, Merlot und dem Pinotage. Der trendige Sauvi­gnon Blanc liegt vor Chardonnay auf dem dritten Platz bei den Weißweinen, in den jüngeren Jahren wurden auf passenden Terroirs auch etwas Semillon, Viognier und ein paar Hektar Riesling ausgepflanzt. Der Pinot Noir besetzt knapp ein Prozent der Rebfläche und wurde zunächst in Stellenbosch erprobt, bevor er in den kühleren Zonen wie Walker Bay, Elgin oder Elim noch idealere Standorte eroberte. 
In klimatisch weit wärmeren Zonen wie im trendigen Swartland setzen die Winzer auf Rebsorten aus Südfrankreich wie Syrah, Grenache oder Mourvèdre. Jene, die gespritete Rotweine in der Art von Tawny bis Vintage Port erzeugen, haben sich aus Portugal Touriga Naçional, Tinta Barroca und Souzão zugelegt.

Kanonkop Estate in Stellenbosch ist berühmt für seine Pinotage-Rotweine.
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Kanonkop Estate in Stellenbosch ist berühmt für seine Pinotage-Rotweine.

»Collectible« Wein-Tipps

Auch auf Süßwein muss man in Südafrika nicht verzichten. Es gibt zwar wenige, aber diese haben ein sehr hohes Niveau. Legendär war bereits im 18. Jahrhundert der süße Vin de Constance, der seit 1986 aus rosinierten Muskat-Trauben in Constantia eine erfolgreiche Renaissance feiern konnte. 1969 wurde erstmals auch ein »echter« Süßwein aus Botrytis-Trauben erzeugt, mittlerweile entstehen regelmäßig Beerenauslesen, meist aus Chenin Blanc und Riesling. Neben einfacheren Tanksekten wächst das Segment der Topschaumweine, die nach französischem Vorbild durch eine zweite Gärung zu ihren Perlen kommen. In Südafrika wurde 1992 für diese Kategorie der Terminus »Methode Cap Classique (MCC)« eingeführt. Und die Frage, ob es in Südafrika auch Weine gibt, die man als »collectible« bezeichnen könnte, lässt sich heute problem­los bejahen.  Da wären Rust en Vrede 1694 Classification, Vergelegen V, Eben Sadies Columella und ­­­­­seine Roten aus den Old Vines Series, die Cuvee De Compostella von Mvemve und Raats, ­­einige zauberhafte Syrahs wie der von Table Mountain, Faible, Mullineux, Keermont oder jener des Boekenhoutskloof-Ablegers Porseleinberg. Wer richtig Geld ausgeben will, ­­setzt auf die auf wenige tausend Flaschen limitierte Cuvée G, kreiert von Mia Fischer und Denis Dubourdieu für 4G Winery.
(Aus Falstaff Nr. 01/2016)

Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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