In kurzer Zeit schraubt sich der GoldenPass-Zug in atemberaubende Höhen. Vom Genfersee aus geht es in hübsche Bergdörfer.

In kurzer Zeit schraubt sich der GoldenPass-Zug in atemberaubende Höhen. Vom Genfersee aus geht es in hübsche Bergdörfer.
© Golden Pass Service

Mit dem GoldenPass-Zug durch die Alpen

Ein deutscher Autor und ein österreichischer Fotograf sind mit dem ­GoldenPass-Zug von ­Montreux nach Rossinière gefahren. Eine steile Fahrt, die ihre Sicht auf das ­Fortbewegungsmittel Zug veränderte.

Als ich erfuhr, dass ich eine Fahrt im GoldenPass-Zug unternehmen soll, brach ich nicht direkt in Jubelstürme aus. Ich komme aus Deutschland, müssen Sie wissen, bei uns sind die Züge entweder verspätet oder dreckig, der ästhetische Wert eines Regional-Expresses ist begrenzt. Eine einstündige Zugfahrt als versprochenes Highlight einer Reise – nun ja, das gibt’s in meiner Heimat eher selten. Mein Kollege und Fotograf Manfred, wenngleich Österreicher, hat lange genug in Berlin gelebt, um jegliche Illusionen übers Bahnfahren zu verlieren. Weshalb wir zwar höflich lächeln, aber eigentlich skeptisch sind, als uns der Herr vom Bahnanbieter an diesem Morgen freudig die Billets entgegenreckt, ja fast schon beglückwünscht zu unserer Tour mit dem GoldenPass MOB Panoramic. Ausgangspunkt ist Montreux, hier startet der Zug mehrmals am Tag und fährt mit einigen Stopps bis nach Zweisimmen. Wir haben uns für eine Passage entschieden, nicht für die gesamte Strecke. Unser Ziel sind die Berge, um die ganze Bandbreite des Waadtlands zu erkunden; vom See soll es auf knapp 1000 Meter hinaufgehen.
Das Hotel haben wir extra früh verlassen, um unseren Zug ja nicht zu verpassen. Eine gute Viertelstunde vor Abfahrt stehen wir auf dem Gleis im «Montreux Gare», die Schweizer Pünktlichkeit im Kopf, Schreibblock und Kamera in der Hand. Wir sind eingeladen zu einer Fahrt in der Ersten Klasse, was unsere Stimmung gleich ein wenig hebt. Erste Klasse, das klingt nach viel Platz, nach Verwöhnprogramm, nach Gelassenheit. Wenn dieser Tarif irgendwo auf der Welt noch diesen Namen tragen darf, dann doch wohl hier in der Schweiz. Und tatsächlich: Breite, komfortable Sessel erwarten uns, alles ist penibel sauber, ein abwechslungsreiches kulinarisches Angebot bis hin zu feinsten Weinen aus der Region stehen auf der Karte. Bis auf eine schweigende ältere Dame im Vierersitz vor uns haben wir den ganzen Wagen für uns allein. Manfred erzählt wortreich von Spurbreiten und historischen Zügen, ich denke an meine Tour durch Russland mit der Transsibirischen Eisenbahn vor vielen Jahren; wir scheinen niemanden zu stören.

Im Belle-Epoque-Wagen fühlt man sich fast wie im Orient-Express – bei hochmoderner Technik.
© Golden Pass Service
Im Belle-Epoque-Wagen fühlt man sich fast wie im Orient-Express – bei hochmoderner Technik.

Auf die Minute genau um 8.44 Uhr setzt sich der Zug in Bewegung. Leise, ohne Quietschen und Ruckeln fährt er an, und wir verlassen den Bahnhof Montreux. Schon nach wenigen hundert Metern kommen die ersten Links- und Rechtsschwünge, sanft legen sich die Waggons in die Kurve. Dann geht es plötzlich spürbar bergauf, die Bahn zieht an, und in abenteuerlichen Kurven schraubt sie sich hoch über Montreux. Okay, das ist nicht schlecht. Unser Geplauder verstummt, als die Stadt vor der Kulisse des Sees zusammenschrumpft, Manfred hängt nur noch hinter der Kamera und knipst durch die breiten Fenster. Wieder und wieder wechseln wir die Seiten, rennen von links nach rechts, immer dann, wenn der Zug wieder eine 180-Grad-Serpentine genommen hat. Die Schaffnerin läuft vorbei und lächelt wissend. Wir staunen über den Panoramablick in der Reihenfolge Weinberge, Stadt, Genfersee, französisches Ufer, Alpengipfel. Zugegeben: Das ist etwas anderes als die Strecke Hamburg-Berlin, wo die niedersächsische Tiefebene irgendwann von der ostdeutschen Tiefebene abgelöst wird und der Spannungshöhepunkt ein äsendes Reh in der Ferne ist.
Immer höher windet sich die Strecke, wir fahren durch dichte Wälder, und als wir um die nächste Kurve fahren, liegt weisser Puder auf den Bäumen. Stahlblauer Himmel, schneebedeckte Gipfel. Wo ist der See hin? Wo sind die Autos, wo ist die Stadt? Fast wirkt es, als seien wir durch einen Teleport gefahren, so unterschiedlich sieht die Umgebung aus. Nadelbäume vor strahlender Sonne, vereinzelt Holzhäuser, gefrorene Weiher, alles überzogen von einer Schneeschicht. Schönster Naturkitsch, absolut filmreif – und tatsächlich wurden ja etliche Bollywood-Streifen in dieser Umgebung gedreht. Bollywood-Star Ranveer Singh hat als GoldenPass-Botschafter seinen Landsleuten die idyllischen Schweizer Landschaften nähergebracht, mit dem Ergebnis, dass die Übernachtungsraten indischer Gäste in die Höhe geschossen sind.

Einleuchtend, oder? Wir kauen, ohne etwas im Mund zu haben, aber der Aufstieg macht sich im Druckunterschied auf den Ohren bemerkbar. Manfred, mit reichlich schauspielerischem Talent gesegnet, hält sich mehrfach den Kopf und simuliert zunehmende Pression aufs Hirn, als auf einmal die freundliche Schaffnerin vor uns steht. «Wie gefällt es Ihnen?», fragt sie mit weichem französischen Akzent, als sie unsere Billets kontrolliert. Was sollen wir sagen. Sie hat uns. «Wunderbar, wunderbar», ruft Manfred und erzählt irgendeine Anekdote, ich muss lachen und bedaure ehrlich, dass die Tour gleich vorbei ist.
Die restliche Fahrt vergeht schnell, nach einer knappen Stunde steigen wir im hübschen Bergdorf Rossinière aus, Luftlinie keine 15 Kilometer von Montreux entfernt und nur 700 Meter höher, aber gefühlt eine halbe Welt.

Goldenpass-Zuglinie

Die GoldenPass-Linie fährt über eine der schönsten Bahnstrecken der Schweiz, vom Genfersee durch idyllische Landschaften und kleine Bergdörfer im Pays-d’Enhaut. Von Montreux bis Zweisimmen oder umgekehrt erstreckt sich die Verbindung. Die gesamte Strecke dauert circa zwei Stunden, auf Verlangen sind in diversen kleinen Städten und Dörfern Stopps möglich. Zur Verfügung stehen zwei Zugtypen: der GoldenPass Panoramic, der mit grossen Panoramafenstern ausgestattet ist. Oder der GoldenPass Classic, der bei gleichzeitig hochmoderner Ausstattung einem Orient-Express nachempfunden ist. Zu besonderen Zeiten im Jahr fahren zudem spezielle Themenzüge: Eine Fahrt mit dem Schokoladenzug beinhaltet für Fahrgäste Besuche der Schaukäserei «La Maison du Gruyère» sowie der «Maison Cailler», wo es um Schokoladenherstellung geht. Der Käsezug (zwischen Januar und April) fährt von Montreux oder Zweisimmen bis Château-d’Œx, wo man im Restaurant «Le Chalet» bei einer Käseherstellung dabei sein darf. Die Preise für die einfachen Fahrten beginnen je nach Streckenabschnitt bei ca. 18,- CHF.
Weitere Infos und aktuelle Fahrplanauskünfte erhält man über www.goldenpass.ch


Erschienen in
Falstaff Special «Vaud» 2019

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Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
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