Rund um das Kunsthaus Zürich ist über die Jahre ein wahres Kunstviertel entstanden. Die neu eröffnete Erweiterung dürfte das zusätzlich befeuern.

Rund um das Kunsthaus Zürich ist über die Jahre ein wahres Kunstviertel entstanden. Die neu eröffnete Erweiterung dürfte das zusätzlich befeuern.
© Schweiz Tourismus / Oliver Baer

Kunsthaus Zürich: Mehr Raum für Kunst

Mit dem Erweiterungsbau des Architekten David Chipperfield wird das Kunsthaus Zürich zum grössten Kunstmuseum der Schweiz. Galerien und Kreative zieht das ins unmittelbare Umfeld des Hauses.

Im Oktober beginnt ein neues Zeitalter für Zürichs Kunstwelt. Nach fünfjähriger Bauphase wird der Erweiterungsbau des Zürcher Kunsthauses, entworfen vom internationalen Star-Architekt David Chipperfield, eröffnet. Mit dem lichtdurchfluteten Zuwachs wird das Kunstmuseum zum grössten seiner Art in der Schweiz. Nicht nur für das Kunsthaus selbst, sondern für die ganze Stadt wird damit eine neue Ära eingeläutet.
Chipperfields monumentaler Bau erhebt sich am Heimplatz, gegenüber dem historisch gewachsenen Museumskomplex. Die schmalen, hochformatigen Fenster bieten einen Einblick ins Innere des neuen Kunsttempels. Das goldig schimmernde Messing der Eingangstür kann durchaus als Metapher für die Wichtigkeit, mit der der Neubau für das Kunsthaus verbunden ist, gesehen werden.

Räumlich verdoppelt sich das Museum und kann hierdurch nun Dauerleihgaben wie die des Schweizer Mäzens und Kunstsammlers Emil Georg Bührle entsprechend in Szene setzen. Mit dem Festsaal im Neubau und einem erweiterten Begleitprogramm soll das Kunsthaus so zum wichtigsten Kunstmuseum der Schweiz werden und zugleich seine Stellung im internationalen Kontext stärken. 

Nach rund zwölf Jahren Plan- und Bauzeit wurde sie Ende 2020 fertiggestellt: Die Kunsthaus-Erweiterung am Heimplatz.
© Franca Candrian
Nach rund zwölf Jahren Plan- und Bauzeit wurde sie Ende 2020 fertiggestellt: Die Kunsthaus-Erweiterung am Heimplatz.

Neue Sammlungen

Bekannt war das Zürcher Museum bisher für seine eigene Sammlung, die etwa bedeutende Werke von Picasso, Chagall oder Monet umfasst. Zudem verfügt das Haus über die umfangreichste Kollektion des berühmten Schweizer Künstlers Alberto Giacometti, der vor allem durch seine eindrücklichen Plastiken berühmt wurde. Mit dem majestätischen Neubau von Chipperfield, der unter anderem die James-Simon-Galerie auf der Berliner Museumsinsel gestaltete, erhält das Kunsthaus jene Anmut und jenen nötigen Raum, der nötig ist, um im internationalen Kontext an Bedeutung zuzulegen.

Vor allem auch durch die zentrale Integration der Emil-Georg-Bührle-Sammlung, die unter anderem bedeutende Meisterwerke des Impressionismus umfasst. Zuvor waren die Werke aus Bührles Nachlass in einer Villa am Zürcher Stadtrand untergebracht. Nun finden sie endlich jenen Raum, der ihnen gebührt. Hinzu kommt die Sammlung Merzbacher, die Kunst der Moderne umfasst, sowie die Privatsammlung von Hubert Looser, die schwerpunktmässig in den 1960ern angesiedelt ist. Bührles Sammlung stand schon bei der Ideenfindung für den Neubau im Jahr 2001 im Zentrum.

Überschattet wurde die verstärkte Einbindung der Sammlung ins Kunsthaus jedoch durch die Geschäfte des Kunstliebhabers Bührle als Waffenfabrikant. Die kunsthistorische Bedeutung der Sammlung ist jedoch keinesfalls von der Hand zu weisen. Nach der Eröffnung des neuen Trakts im Herbst wird das Kunsthaus Zürich mit ihr eine der bedeutendsten Kollektionen des Postimpressionismus und Impressionismus neben Paris beherbergen. Neue Strahlkraft für Zürich, das in den letzten zehn, fünfzehn Jahren in der internationalen Kunstszene etwas an Glanz verlor. Um Pfingsten konnten Besucher die provisorisch belebten Räumlichkeiten des Chipperfield-Baus bereits bestaunen.

Zu sehen gab es beispielsweise Calders überdimensionales Mobile «Cinc blancs, un rouge», Max Ernsts «Pétales et jardin de la nymphe Ancolie» oder Robert Delaunays «Formes circulaires». Letzteres, das grösste Bild in der Sammlung des Kunsthauses, scheint wie gemacht für den freizügigen Neubau, der dem monumentalen, vibrierenden Werk genügend Platz bietet. Auch Urs Fischers Grundstein, eine Bronze-Plastik befindet sich hier. Fischer schenkte sie dem Zürcher Kunsthaus zum Start des Neubaus. 

Die Sammlung des Kunsthauses Zürich ist hochkarätig. Darin finden sich Werke von Künstlern wie Max Bill oder Georg Baselitz.
Foto beigestellt
Die Sammlung des Kunsthauses Zürich ist hochkarätig. Darin finden sich Werke von Künstlern wie Max Bill oder Georg Baselitz.

Die Galerienmeile Zürichs

Durch den Neubau und die Neuausrichtung des Kunsthaus werden auch Zürichs Galerien gelockt, die sich je nach Budget in den letzten Jahren an der Rämistrasse, zwischen See und Kunsthaus, ansiedeln. Rund ein halbes Dutzend verlagerte den Standort in die Gegend um das Kunsthaus oder eröffnete hier Filialen. Abgerundet wird das Ganze durch eine faszinierende und lebendige Underground-Szene mit ihren Off Spaces. In dieser Dichte und Diversität gibt es das – gemessen an der Grösse der Zürichs – wohl kaum in einer anderen europäischen Metropole.

In der Gegend um den Heimplatz trifft dies besonders zu. Letztlich wurde hier bereits vor über hundert Jahren Kunstgeschichte geschrieben, als unweit die Künstlergruppe um Hugo Ball und Hans Arp das «Cabaret Voltaire», die Geburtsstätte des Dada im Zürcher Niederdorf gründeten. Während die Trendmeile Zürich-West lange als Hotspot der Kunstszene galt, suchen heute immer mehr Galerien die Nähe zur Zürcher Altstadt und zum Kunsthaus.

Zu finden sind hier mittlerweile namhafte Galerien wie die Galerie Presenhuber, die seit Anfang letzten Jahres unweit des Museums aktiv wurde. Genauso wie der Zürcher Ableger der Galerie Lévy-Gorvy with Rumbler und auch Hauser & Wirth, die mittlerweile an der Rämistrasse zwei Filialen betreibt. Lange zuvor, im Jahr 1996, bezog Victor Gisler bereits mit seiner Galerie «Mai 36» die Rämistrasse, nur wenige Gehminuten vom Kunsthaus entfernt. «Mai 36» zählt zu den wichtigsten Galerien der Schweiz, ist auf zeitgenössische Kunst spezialisiert und repräsentiert neben international renommierten Kunstschaffenden auch aufstrebende Talente.

Hier wurde Kunstgeschichte geschrieben: Im Cabaret Voltaire, unweit des Kunsthauses im Niederdorf, entstand 1916 die Dada-Bewegung.
© Zürich Tourism
Hier wurde Kunstgeschichte geschrieben: Im Cabaret Voltaire, unweit des Kunsthauses im Niederdorf, entstand 1916 die Dada-Bewegung.

Gisler war lange Zeit Mitglied des Art Basel Komitees und ist Gründungsmitglied des Zürich Art Weekends. Zum Programm seiner Galerie gehören Künstler wie der Anfang des Jahres verstorbene US-Künstler John Baldessari, Stephan Balkenhol oder Pia Fries. Ergänzend zur sich manifestierenden Galeriemeile Zürichs findet sich gleich gegenüber vom Kunsthaus ein weiteres Highlight für Kulturinteressierte: Das Schauspielhaus Zürich. Eine der progressivsten und renommiertesten Theaterbühnen im deutschsprachigen Raum. Im Jahr 1901 im Haus «Pfauen» ins Leben gerufen und seither mit kritischen, politisch relevanten Stücken begeisternd. Einige der wichtigsten Stücke von Bertold Brecht feierten hier Weltpremiere, genauso wie zahlreiche Dramen der Schweizer Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch. Letzerer lieferte posthum auch die Basis für eine der neueren gefeierten Inszenierungen des Schauspielhaus «Der Mensch erscheint im Holozän». Aufgeführt im rund drei Kilometer entfernten Schiffbau, der seit dem Jahr 2000 vom Zürcher Schauspielhaus bespielt wird. 

Gisler war lange Zeit Mitglied des Art Basel Komitees und ist Gründungsmitglied des Zürich Art Weekends. Zum Programm seiner Galerie gehören Künstler wie der Anfang des Jahres verstorbene US-Künstler John Baldessari, Stephan Balkenhol oder Pia Fries. Ergänzend zur sich manifestierenden Galeriemeile Zürichs findet sich gleich gegenüber vom Kunsthaus ein weiteres Highlight für Kulturinteressierte: Das Schauspielhaus Zürich. Eine der progressivsten und renommiertesten Theaterbühnen im deutschsprachigen Raum. Im Jahr 1901 im Haus «Pfauen» ins Leben gerufen und seither mit kritischen, politisch relevanten Stücken begeisternd. Einige der wichtigsten Stücke von Bertold Brecht feierten hier Weltpremiere, genauso wie zahlreiche Dramen der Schweizer Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch. Letzerer lieferte posthum auch die Basis für eine der neueren gefeierten Inszenierungen des Schauspielhaus «Der Mensch erscheint im Holozän». Aufgeführt im rund drei Kilometer entfernten Schiffbau, der seit dem Jahr 2000 vom Zürcher Schauspielhaus bespielt wird. 

Larissa Schmid
Autor
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