© Zürich Tourismus

«Kronenhalle»: Hohe Kunst und Hausmannskost

Die «Kronenhalle» ist eines der berühmtesten Restaurants der Schweiz. Hier speist man zwischen Originalen von Künstlern wie Miró, Chagall oder Picasso gehobene, zeitlose Hausmannskost und teilt sich das Lokal mit Prominenz aus aller Welt.

Wir schaffen es nur wenige Schritte in den Eingangsbereich der Zürcher «­Kronenhalle», bevor uns ein junger Mann in weissem Smoking und mit schwarzer Fliege begrüsst. Ab jetzt sind wir in den besten Händen, so wie immer. Er führt uns durch den dunklen Gang in Richtung der Gasträume. Das Klirren des Silbergeschirrs ist zu vernehmen, das Rauschen der Gespräche der Gäste, so wie es seit fast 100 Jahren zur Zürcher Institution gehört.

1924 eröffnen Hulda und Gottlieb Zumsteg die «Kronenhalle» im einstigen «Hôtel de la Couronne» unmittelbar beim Bellevue im Zentrum von Zürich. Von da an avanciert das Haus schnell zum beliebten Treffpunkt der Zürcher, aber auch der Künstler und Schriftsteller aus aller Welt. Als Gottlieb Zumsteg im Jahr 1957 stirbt, steigt Sohn Gustav, der zwischen­zeitlich als Händler edelster Stoffe in Paris Karriere machte, in die Geschäftsleitung ein. Mit seinen Kontakten in Modebranche und Kunstwelt verhilft er dem Lokal zum heutigen Legendenstatus.

Gustav Zumsteg ist Kunstsammler und hängt Bilder aus seiner Kollektion, unter anderem von Miró, Braque oder Matisse, im Restaurant auf, was für weitere Bekanntheit sorgt. Legenden wie Coco Chanel, James Joyce, Richard Strauss, Yves Saint Laurent, Marc Chagall, Federico Fellini, Max Frisch oder Friedrich Dürrenmatt zählen in jenen Jahren zu den Gästen der Zumstegs und zu jenen, die in der «Kronenhalle» ein Stück Heimat fanden. Davon zeugen nicht zuletzt die liebevollen Einträge in den Gästebüchern.

Die Patronne Hulda

Ein Name fällt in praktisch jedem Gästebucheintrag: der von Hulda Zumsteg. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1984 war sie mehr als 60 Jahre lang die «Patronne» im Haus. Eine leidenschaftliche Gastgeberin, wie man sie heute nur mehr selten findet, die alles im Blick behielt. Hulda Zumsteg sorgte dafür, dass sich alle in der «Kronenhalle» wohl fühlten.

Hungrigen Studenten schenkte sie gerne eine Suppe und ein Stück Brot, den Stars wie auch allen anderen Gästen Herzlichkeit und ein offenes Ohr. Hulda Zumsteg, von den Stammgästen liebevoll beim Vornamen genannt, war für alle da. Denn in der «Kronenhalle» werden alle Gäste mit der gleichen professionellen Gastfreundschaft empfangen. Das gilt auch heute noch – und das ist wohl einer der Gründe dafür, dass die Menschen immer wieder kommen. So wie der Umstand, dass nach wie vor allerlei Prominenz in dem Restaurant nahezu tagtäglich zu Gast ist.

Statt im Gästebuch findet man sie heute allerdings auf Instagram: Schauspielerin Tilda Swinton liess sich hier ablichten, genauso wie Schachlegende Garri ­Kasparow, und auch die Rolling Stones waren bei ihrem letzten Zürcher Konzert 2017 in der «Kronenhalle» zu Gast. Wer sonst noch aktuell zu den prominenten Gästen gehört, kann der heutige Direktor, Dominique Godat, natürlich nicht verraten – Diskretion gehört zu dem Haus wie die Kunst oder das Geschnetzelte.

Die Kunst der «Kronenhalle»

Als Gustav Zumsteg im Jahr 2005 verstarb, war die Nachfolgelösung längst definiert. Schon 1985 gingen das Lokal und die Kunstsammlung in eine Stiftung über. Testamentarisch festgehalten hat er, dass die Küche ein sehr hohes Niveau halten muss, aber auch, dass seine Kunstwerke allesamt nicht nur im Lokal verbleiben, sondern auch an dem von ihm bestimmten Platz hängen bleiben müssen.

Die «Kronenhalle» ist in drei Gasträume gegliedert. Im Herzstück, der Brasserie, wacht das 1967 vom Schweizer Künstler Varlin geschaffene und von Gustav Zumsteg in Auftrag gegebene Porträt der einstigen «Patronne» Hulda Zumsteg über grosse und kleinere Tischgesellschaften. Gleich daneben befindet sich der Chagall-Saal – mit Werken von Pierre Bonnard und eben Marc Chagall. Der dritte Gastraum im ersten Obergeschoss ist ganz der Schweizer Kunst gewidmet. Und in der legendären «Kronenhalle Bar» hängen klassisch-moderne Kunstwerke von Joan Miró, Pablo Picasso oder Paul Klee.

«Die Bilder sind ein wichtiger Teil der ‹Kronenhalle›», erklärt Direktor Dominique Godat. «Aber wer nur Bilder sehen will, kann auch ins Museum gehen.» Denn die «Kronenhalle» ist natürlich in erster Linie ein Restaurant. Berühmt ist die Küche für ihre Klassiker – allen voran das Kalbsgeschnetzelte «­Kronenhalle» – und auch ihrer Kontinuität wegen. Viele Gerichte stammen noch aus der Ära Zumsteg. Hulda Zumsteg wusste, was ihren Gästen schmeckt, und Gustav Zumsteg, der Weltenbummler, brachte neue Einflüsse mit ein.

In seinem Testament definierte er nicht nur den Verbleib der Kunstwerke im Lokal, sondern auch die Entwicklung der Küche und des Angebots. Die Veränderung soll – neben den fixen Klassikern – durchaus zugelassen werden. Ein Drahtseilakt. Die letzte Änderung betraf den Kaffee, verrät Dominique Godat. Nach 40 Jahren wurde dessen Zusammensetzung und Röstung in Zusammenarbeit mit dem jahrelangen Lieferanten angepasst. «Das war gar nicht einfach», sagt Godat.

Geschnetzeltes vegetarisch

Am grössten Klassiker auf der Speisekarte – dem Geschnetzelten mit Rösti – hat sich in den Jahren nichts verändert. Die Champignons in der Rahmsauce werden in der «Kronenhalle» püriert, das Fleisch scharf angebraten. Serviert wird das Ganze mit Rösti, das Geschnetzelte kommt in der Sauce in einem Silbergeschirr. Das Gericht wird von den Kellnern am Tisch in zwei Gängen auf den Teller serviert. Klassisch eben.

Seit Kurzem aber gibt es dieses Gericht auch als vegetarische Variante – statt Kalbfleisch kommt ein Fleischersatz eines Zürcher Start-ups in die Sauce. «Die Leute essen heute nicht mehr jeden Tag Fleisch», sagt Dominique Godat. «Darauf müssen wir reagieren. Gleichzeitig sollen die Klassiker aber unverändert auf der Karte bleiben.» Vordefiniert sind diese dabei nicht. Das Geschnetzelte ist ein Klassiker, genauso wie die Leberli oder das Entrecôte «Café de Paris».

Zu Klassikern geworden sind aber auch Gerichte, die nicht als solche auf der Karte stehen, verrät Godat: Die Avocado à la Vinaigrette ist genauso ein Renner wie das Sashimi vom Gelbflossen-Thunfisch. Godat: «Die Reaktion auf das Sashimi war gemischt, als wir es erstmals auf der Karte hatten. Die Leute dachten, dass das zu einem Ort mit Bratwurst und Rösti nicht passe. Mittlerweile könnten wir es aber nicht mehr von der Karte nehmen, die Stammgäste würden es vermissen.»

Für die Küche der «Kronenhalle» verantwortlich ist seit 30 Jahren Küchenchef Peter Schärer. In sieben Jahren steht seine Pension an. Bereits heute ist man dabei, die Nachfolge aufzugleisen, damit alles reibungslos und im Geiste des Lokals weitergehen kann. Die Brigade in der Küche besteht aus 30 Personen, damit man stets flexibel auf den täglichen Gästeansturm reagieren kann.

Insgesamt sind rund 90 Mitarbeiter um das Wohl der Gäste in der «­Kronenhalle» bemüht. Gerade im Service sind es oft Menschen, die schon viele Jahre dort arbeiten. «Es braucht viel Erfahrung», sagt Dominique Godat. «Die Gäste haben Erwartungen – und unser Ziel als Team ist es, diese zu übertreffen. Dann ist der Gast begeistert.» Es ist vor allem das klassische Gastgebertum, die herzliche, zuvorkommende Art, welches die Gäste immer wieder hierherkommen lässt. Werte, die einst die Gründerfamilie Zumsteg eingeführt hat und die bis heute Bestand haben. Die Legende «Kronenhalle» lebt. Und wie.

kronenhalle.com


© Falstaff Verlag

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2022

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Benjamin Herzog
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Chefredaktion Schweiz
Dominik Vombach
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