Bei der Lagerung in japanischer Eiche gibt das Holz seinen Geschmack ab – das erdige Aroma macht den Whisky spannend.

Bei der Lagerung in japanischer Eiche gibt das Holz seinen Geschmack ab – das erdige Aroma macht den Whisky spannend.
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Japans Shootingstar: Whisky

Japanische Whiskys zählen mittlerweile zu den besten der Welt. Ein weltweiter Hype, der überrascht.

Der Schock der Schotten war gross. In der jährlich erscheinenden «Jim Murray’s Whisky Bible», einem britischen Ranking der weltbesten Whiskys, landete vor zwei Jahren erstmals kein einziger schottischer Scotch unter den ersten fünf. Es kam aber noch schlimmer: Auf Platz eins fand sich zur allgemeinen Verwunderung ein Whisky aus Japan. 
Ein Exote aus den Brennblasen der Söhne Nippons als bester Whisky der Welt? Wie kann das sein? Jim Murray beschrieb den damaligen Preisträger jedenfalls als «dicht, trocken und abgerundet wie eine Billard-kugel». Von dem «Schottenschocker» (Spiegel online) mit dem Namen «Yamazaki Single Malt Sherry Cask 2013» wurden rund 16.000 Flaschen produziert. 
Bereits 2001 bewertete das renommierte «Whisky Magazine» erstmals japanische Whiskys in Blindverkostungen. Die Überraschung dabei: Schon damals schnitten die Japaner sehr gut ab. Das brachte Japan in das Bewusstsein der Fachleute und auch der Konsumenten. Seit 2003 gibt es eine eigene Kategorie für japanischen Whisky, bei der im ersten Jahr «Hibiki 21 years» (Suntory) gewann, gefolgt von «Yoichi 10 years» (Nikka) und «Yamazaki 1991 Bourbon Cask» (Suntory). Im Ranking aller Whiskysorten kam «Hibiki 21 years» auf Platz neun. 
Seither liegt japanischer Whisky mit beeindruckender Regelmässigkeit vor seinen schottischen Kollegen ganz weit vorne.

 Der Whisky von Nikka erlebte durch eine Telenovela einen sagenhaften Boom.
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Der Whisky von Nikka erlebte durch eine Telenovela einen sagenhaften Boom.

Zwei Männer waren es, die schon in den 1920er-Jahren den Grundstein für den heutigen Erfolg des japanischen Whiskys legten. Masataka Taketsuru, der Spross einer alteingesessenen Familie von Sake-Brauern in der Präfektur Hiroshima, ging als junger Mann Anfang des 20. Jahrhunderts zum Studium nach Glasgow und eignete sich dort in mehreren Destillerien die Kunst des Whiskymachens an. Zurück in Japan, versuchte er, dieses Wissen praktisch umzusetzen. Unterstützt wurde er dabei vom Unternehmer Shinjiro Torii, der mit dem Import von Wein und Spirituosen sein Geschäft aufgebaut hatte. Er überredete Taketsuru, die Yamazaki-Destillerie als erste kommerzielle Whiskybrennerei Japans zu betreiben. 

Als Standort wurde ein Vorort von Kyoto gewählt, da hier Vorkommen von geeignetem Wasser vorhanden waren. 1924 begannen sie mit der Arbeit an dem «Shirofuda» (White Label) genannten Whisky, der 1929 erstmals verkauft wurde. 

© Jeremy Souteyrat

Schottland als Vorbild

Ihrer ersten Whisky-Version war kein sofortiger Erfolg vergönnt, da sich Taketsuru sehr stark an den Qualitäten seiner Ausbildung bei der Hazelburn Distillery in Campbeltown (Schottland) orientierte. Die kräftige Rauchnote traf nicht so ganz den Geschmack der Japaner. Mit einigen Anpassungen wurde die Marktakzeptanz nach einiger Zeit besser. 
1934 verliess Taketsuru Toriis Firma – heute heisst sie Suntory – und baute auf der nördlich gelegenen Insel Hokkaido seine eigene Brennerei: Yoichi. Den relativ abgelegenen Standort wählte er, weil hier die klimatischen Bedingungen denen Schottlands besser entsprachen als auf der Hauptinsel Honshu, auf der heute das Gros der japanischen Destillerien steht. 
Ab 1940 verkaufte er Whisky unter dem Namen Nikka. Die Marktaussichten im eigenen Land waren positiv und blieben es auch nach dem Zweiten Weltkrieg, obwohl sich die Whiskyhersteller fast ausschliesslich auf den für sie heimischen Markt konzentrierten. 

Seit Ende der 1960er-Jahre kamen weitere Brennereien hinzu, wobei Suntory und Nikka ihre Vormachtstellung kontinuierlich ausbauten. Zur Lagerung werden heute meist gebrauchte Fässer verwendet, die ehemals Bourbon oder Sherry enthielten. Allerdings sind auch Fässer aus japanischer Eiche im Einsatz. Dieses Holz gibt seinen Geschmack, der eher moorig und erdig wirken kann, an das Destillat ab. 

 Das Wasser des Suntory-Whiskys »Hakushu« kommt aus einer Bergquelle.
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Das Wasser des Suntory-Whiskys »Hakushu« kommt aus einer Bergquelle.

Der erste Single Malt

Den Trend, Single Malts zu vermarkten, griffen die Japaner relativ spät auf. Zwar brachte Suntory 1984 den ersten «Yamazaki Single Malt» heraus, doch zunächst nur auf dem japanischen Markt. Es verging noch einige Zeit, bis sich weltweite Erfolge einstellen sollten. 
Die meisten japanischen Whiskysorten, die im eigenen Land getrunken werden, sind Blends, wobei Suntorys «Kakubin» (seit 1937) der verkaufsstärkste ist. Konsumiert werden diese Sorten auch gerne in Longdrinks, wie zum Beispiel als «mizu-wari» (Whisky mit kaltem Wasser) oder als «yu-wari» (Whisky mit heissem Wasser) und fungieren so oft als Speisenbegleiter. Auch der «Whisky Highball» ist in Japan populär: ein Longdrink, bei dem das Destillat mit viel Eis kalt gerührt und dann mit Soda aufgegossen wird. In Japan kann man diesen Drink sogar in vorgefertigten Getränkedosen kaufen. Feinere Sorten, sowohl Blends als auch Single Malts, werden hingegen pur in Nosing-Gläsern getrunken. Aber auch raffinierte Whisky-Cocktails finden sich heute immer öfter in den besten Bars grosser Metropolen.

Suntory führt mit Whiskys wie »Yamazaki« den japanischen Markt an.
© Naoki Minegishi
Suntory führt mit Whiskys wie »Yamazaki« den japanischen Markt an.

Begehrte Rarität

Allerdings hat der weltweite Erfolg auch seine Kehrseite. Vor dem Jahr 2000 war japanischer Whisky ausserhalb Japans nur wenigen ein Begriff. Die Nachfrage war überschaubar.
Erst der weltweite Hype führte dazu, dass gewisse Whiskysorten aufgrund begrenzter Mengen inzwischen nur mehr schwer zu bekommen sind. «Die Mengen sind zuweilen tatsächlich sehr gering», meint etwa Karl Wurm, Geschäftsführer von Beam Suntory Austria.  Bestimmte Abfüllungen wie etwa «Hibiki Japanese Har­mony» von Suntory seien aber dennoch gut verfügbar. Zu allem Überdruss ist auch in Japan die Nachfrage in den vergangenen Jahren extrem angestiegen. Urs Ullrich, Importeur für Nikka in der Schweiz, nennt dafür einen der Gründe: «Nachdem in Japan eine sehr erfolgreiche Telenovela über Masataka Taketsuru und ­seine schottische Frau Rita im Fernsehen lief, erlebte Nikka-Whisky plötzlich einen sagenhaften Boom, mit dem zuvor niemand gerechnet hatte.»
Mehr Informationen erhalten Sie im aktuellen Falstaff Magazin.

Wichtige japanische Whiskybrennereien

  • Yamazaki, gegr. 1923 (Honshū), Suntory
  • Yoichi, gegr. 1934 (Hokkaido), Nikka
  • Karuizawa, gegr. 1955 (Honshū), Mercian (geschlossen 2011)
  • Miyagikyo, gegr. 1969 (Honshū), Nikka
  • Fuji Gotemba, gegr. 1972 (Honshū), Kirin
  • Hakushu, gegr. 1973 (Honshū), Suntory
  • Chichibu, gegr. 2008 (Honshū), Ichiro Akuto
  • Eigashima (White Oak), gegr. 1984 (Honshū), Eigashima Shuzo
  • Shinshu, gegr. 1985/2012 (Honshū), Hombo Shuzo Co.

Aus dem Falstaff Magazin 07/16

Erhard Ruthner
Erhard Ruthner
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