© Marcel Rickli

Food-Innovationsplatz Zürich

Alleine an der Zürcher Eliteuniversität ETH forschen mehr als 65 Teams zum Thema Ernährung. Im Dunstkreis der Zürcher Hochschulen entstehen neue Start-ups und Foodunternehmen.

© Thomas Ralfalzyk

Kempttal ist nicht das Silicon Valley. Erfolgsgeschichten, wie man sie aus dem Tal der Visionäre in Kalifornien kennt, gibt es aber auch von hier zu berichten.

Angefangen bei Julius Maggi, der Ende des 19. Jahrhunderts die Mühle seines Vaters im Kempttal unweit von Zürich übernahm und die industrielle Lebensmittelproduktion revolutionierte, bis hin zu Planted, jenem Food-Start-up, das an exakt demselben Ort heute eine andere Revolution vorantreibt.

Mit einer natürlichen, pflanzlichen Fleischalternataive erobert Planted seit einigen Jahren die Schweiz. Entwickelt wurde diese an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ETH vor nicht mehr als vier Jahren. Genau wie bei Maggi spielen Leguminosen, also Hülsenfrüchte, bei Planted die Hauptrolle.

Statt Brühwürfeln und Flüssigwürze produziert das ETH-Spin-off daraus jedoch veganes Chicken oder veganes Pulled Pork. Hergestellt wird der nachhaltige Fleischersatz auf Basis von Erbsenprotein, Erbsenfasern und Rapsöl. Vermischt, erhitzt und unter Druck gesetzt, entsteht aus den Ingredienzien ein Teig, der anschliessend in die gewünschte Form gebracht werden kann.

Das Resultat ist tierischem Fleisch verblüffend ähnlich, geschmacklich und visuell sind kaum Unterschiede festzustellen. In einer Welt, in der das Tierleid bei der Fleischproduktion immer offensichtlicher wird, eine saubere Alternative.

Eine, die vor allem im letzten Jahr, als Corona den Planeten erfasste, immer mehr ins Bewusstsein der Konsumenten rückte.

«Unser pflanzliches Fleisch soll dem Original in nichts nachstehen. Wir wollen sogar besser sein, was den Nährwert angeht und natürlich nachhaltiger», erzählt Pascal Bieri, einer der vier Gründer von Planted.

Das Unternehmen entstand im direkten Dunstkreis der wohl grössten Innovationskraft im Schweizer Food-Bereich – der ETH. «Ohne die ETH wäre das alles, was wir tun, nicht möglich», so Bieri. An der Zürcher Eliteuniversität forschte Planted, entwickelte sein Produkt hin zur Marktreife und baute die erste kleine Produktionslinie auf.

Mit der Listung bei Grossverteilern wie Coop stieg die Nachfrage der Planted-Produkte jedoch so immens, dass die ETH zu klein wurde. «Wir kamen an den Anschlag hinsichtlich der Produktionskapazität und mussten uns vergrössern», berichtet Bieri. Auf der Suche nach potenziellen Standorten stiess man auf «The Valley», wie das ehemalige Maggi-Areal in Kempttal heute genannt wird.

Die eindrückliche historische Bausubstanz und die Nähe zu Zürich überzeugten, weshalb man hier Anfang 2020 eine neue Produktionsstätte, samt Büros einrichtete. «Es ist schon witzig, dass wir ein paar Generationen später hier in der ehemaligen Maggifabrik ansässig sind und ein Produkt herstellen, das noch näher an der Realität ist als die Maggiwürze», sagt Bieri.

Rund 500 Kilogramm pflanzliches Fleisch produziert Planted hier nun pro Stunde in einer modernen Extrusionsanlage. Am Tag unseres Besuches wird Chicken produziert, der Renner von Planted und das Produkt mit dem das ETH-Spin-off startete.

Auf die Idee pflanzliches Fleisch zu produzieren kam Bieri, als er in den USA lebte und arbeitete. «Ich kam als Konsument in das ganze Thema pflanzenbasiertes Fleisch und ass es immer wieder.

Was mich bei den amerikanischen Versionen aber von Beginn an störte, war die ellenlange Ingredients-Liste. Ich schrieb meinem Cousin Lukas Böni, der damals an der ETH seinen PhD in Lebensmitteltechnologie machte, eine Whatsapp mit einem Bild von einem veganen Burger und fragte ihn, ob es denn nicht möglich sei, das Ganze auch mit weniger Zusatzstoffen hinzubekommen», erzählt Bieri.

Böni, ebenfalls Gründer von Planted, begann zu forschen – mit Erfolg, wie die Geschichte zeigt. Bis heute werden die Produkte ständig weiterentwickelt, wird am Biss, dem Geschmack und dem Aussehen gefeilt.

Bieri zeigt uns ein Video von einem Stück Pflanzenfleisch, aus dem Saft austritt, wie aus einem frisch aufgeschnittenen, gebratenen Steak. «Dahin wird die Reise gehen», sagt er und strahlt.

Planted ist auf Expansionskurs und mittlerweile auch im Ausland aktiv, hat Vertriebsfirmen in Berlin und in Frankreich gegründet und peilt den Markteintritt in Grossbritannien an.

Von Beginn an unterstützte die ETH das Projekt, stellte ihre Labore zur Verfügung, später die besagte Produktionsmanufaktur und auch das Startkapital von 150.000 Franken stammt vom ETH Pinoeer Fellowship.

Die renommierte eidgenössische Technische Hochschule ist nicht nur für Planted, sondern für die gesamte Food-Start-up-Szene der Schweiz ein wahrer Segen. «Einerseits weil sie aktiv Start-ups aus dem Bereich Food-Tech fördert, andererseits, weil sie gegen aussen eine grosse Glaubwürdigkeit vermittelt.

Schliesslich gehört die ETH zu den besten Universitäten der Welt», erzählt Bieri. Und damit nicht genug!

Die ETH ist nur eine Zürcher Hochschule, die Food-Innovation fördert. Auch die Zürcher Hochschule der angewandten Wissenschaften ZHAW ist in diesem Bereich ganz vorne mit dabei.

Das Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation ILGI in Wädenswil forscht in enger Zusammenarbeit mit Unternehmen, Institutionen und Behörden. Auch die ZHAW ist ein Nährboden für Food-Start-ups. Urban Farmers ist beispielsweise ein solches ZHAW-Spin-off.

Das Unternehmen und die Hochschule widmeten sich früh der Entwicklung sogenannter Aquaponik-Systeme, wo Fische und Pflanzen in einem geschlossenen System gezüchtet werden. Die Nährstoffe aus der Fischzucht werden dabei für die Aufzucht der Pflanzen verwendet.

Die Pionierarbeit der ZHAW in dem Bereich trägt heute in verschiedenen solchen Farmen weltweit Früchte.


© ETH Zürich / Gian Marco Castelberg

Die Food-Start-ups der ETH

An der ETH forschen rund 65 Forscherteams zum Thema Ernährung. Dass aus dieser Masse an Kompetenz viele neue Projekte und Start-ups entstehen, ist dabei kaum verwunderlich.

Neben Planted gehört auch Tastelab zu den Kindern der ETH. Dieses machte sich in den letzten Jahren einen Namen mit seinen Caterings und Pop-ups und seit der Coronakrise auch mit innovativen App-Lösungen für die Küche. Im Zentrum der Aktivitäten des ETH-Spin-offs steht immer die kulinarische Zukunft.

Das Start-up SmartBreed von ETH-Studenten widmet sich der Züchtung von Insekten als Proteinquelle und das Forschungsprojekt LemnaPro sucht an der ETH nach einem Weg, die proteinhaltige Wasserlinse Wolffia in Europa zu züchten und als gesunde und leckere Lebensmittelzutat einzuführen. Neben vielen weiteren Beispielen natürlich.


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