Bildgewaltig und märchenfaft: Die Aufführung an der Fête wird von Daniele Finzi Pasca inszeniert.

Bildgewaltig und märchenfaft: Die Aufführung an der Fête wird von Daniele Finzi Pasca inszeniert.
© Fred Merz | lundi13

Fête des Vignerons: Das Fest der Feste

Nur einmal pro Generation geht die Fête des Vignerons in Vevey über die Bühne. Ein weltweit einzigartiges Weinfest. Im Sommer 2019 findet es statt – das erste Mal seit 20 Jahren.

Schon im Januar herrscht ein wenig Hektik im kleinen Städtchen Vevey. Dabei findet die Fête des Vignerons erst im Juli und August 2019 statt. Bis dahin wird im Ort quasi eine weitere Stadt aufgebaut. Das Zentrum der Fête ist eine grosse Arena auf dem Marktplatz direkt am See. Erstmals in der Geschichte der Fête werden täglich 20'000 Zuschauer dem Schauspiel des «Winzerfests» beiwohnen können – grösser war die Fête nie. Ein gigantisches Vorhaben, wenn man bedenkt, dass Vevey selbst nur knapp 18'000 Einwohner hat und somit gänzlich in der temporären Anlage untergebracht werden könnte. Die 1400 Quadratmeter grosse Hauptbühne ist in etwa so gross wie ein olympisches Schwimmbecken, dazu gibt es vier erhöhte Nebenbühnen von jeweils 300 Quadratmetern. Sechs Monate Bauzeit haben sich die Organisatoren gegeben, ein sportlicher Plan.
Der Tessiner Daniele Finzi Pasca ist künstlerischer Leiter der Veranstaltung und wird der sich im Bau befindenden Arena Leben einhauchen. Die Besucher erwartet eine Inszenierung voll magischer Kulissen, erstaunlicher Bühnenmaschinerie, Überraschungseffekten und Kunstsstücken. Das rund zweieinhalbstündige Spektakel lebt von der Mitwirkung von nicht weniger als 5400 Schauspielerinnen und Schauspielern, grösstenteils Laien. Für die bombastische Inszenierung ist Pasca genau der Richtige. Schliesslich hat er schon Grossveranstaltungen wie beispielsweise die Schlussfeier der Olympischen Spiele in Turin im Jahr 2006 und Sotschi 2014 umgesetzt. Im Jahr 2005 entwarf er für den Cirque du Soleil die Produktion «Corteo» und für seine Leistungen auf den Bühnen dieser Welt verlieh ihm die Schweizerische Gesellschaft für Theaterkultur 2012 den Hans-Reinhart-Ring.
Die konzeptuelle Arbeit für die Aufführungen in der Arena begann bereits vor fünf Jahren, im September letzten Jahres starteten die Proben. Eines der Highlights wird Finzi Pascas Interpretation der Hirtenhymne «Ranz des Vaches» sein. Das Waadtland ist geprägt vom Zusammenspiel zwischen den Seeregionen und den Bergen. Bis heute gibt es Familien, die regelmässig von den Almwiesen runter zu den Weinbergen am See ziehen und so die sommerliche Weide für die herbstliche Weinlese verlassen. Und so ist es nur logisch, dass seit 1819 auch die Senner bei jedem Weinfest mit dabei sind. Dann stimmen sie im Chor oder solo den berühmten Kühreigen an – quasi die offizielle Hymne der Fête.
Insgesamt erwarten die Veranstalter in diesem Jahr knapp eine Millionen Besucher aus der ganzen Welt. Schätzen lässt sich deren Zahl nur schwer, denn die Erfahrungswerte sind gering – die Fête findet nur etwa alle 20–25 Jahre statt. Bei der letzten, im Jahr 1999, feierten rund 500.000 Menschen in Vevey. Über Generationen hinweg hat sich die Fête des Vignerons zu einem grandiosen Spektakel entwickelt. Veranstalter ist die Confrérie des Vignerons, die mit dem mittlerweile gigantischen Fest die Arbeit der Winzer und ihrer Heimat gebührend würdigen möchte. Das französische Wort «Vigneron» steht dabei für die Weinbauern, also die Menschen, die sich um den Anbau im Rebberg kümmern, und für diese ist das Fest auch bestimmt.

Am 1. Dezember 2016 wurde die Fête des Vignerons in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Seinen Ursprung hat das auf Deutsch übersetzte «Winzerfest» im 17. Jahrhundert. Zum ersten Mal in der Geschichte wirken in diesem Jahr alle Deutschschweizer Kantone mit und präsentieren an sogenannten «Kantonstagen» ihre lokalen Brauchtümer. Ein bewusster Schritt der Veranstalter zur Überwindung des sogenannten Röstigrabens, der Sprachgrenze zwischen Deutsch- und Westschweiz. Schliesslich sind die Feierlichkeiten tief und fest in der Waadtländer Kultur verankert. Weil die Fête jeder Generation eben nur einmal vergönnt ist, werden viele Winzer und Weingüter der Region sowie ausserhalb die Veranstaltung mit speziellen Weinen ehren.
Die Veranstalter haben sich etwa mit Winzern aus dem Lavaux und dem Chablais zusammengeschlossen, um gemeinsam 500'000 Flaschen Pinot-Gamay und Chasselas zu produzieren, die bei den Feierlichkeiten ausgeschenkt werden. Zudem werden zwei Spitzenweine mit je 5000 Flaschen angeboten – ein weisser Dézaley, ein weisser Yvorne. Die lokalen Produzenten Badoux und Obrist bringen Festweine mit goldenem Spezialetikett. Und es geht noch weiter: Selbst die Schweizer Fluglinie SWISS hat für die Fête des Vignerons eigens eine Maschine designen lassen. Der neue CS300-Jet mit Basis in Genf wurde vom bekannten Westschweizer Künstler Mathias Forbach, alias Fichtre, designt und soll den Rhythmus der Natur, mit dem der Weinbau so stark verknüpft ist, verkörpern. Auf der einen Seite des Flugzeugs mit warmen Farben, die Frühling und Sommer repräsentieren, auf der anderen Seite mit den Tönen des Winters. Beide treffen sich an der Spitze und symbolisieren den zyklischen Charakter der Natur. Und vielleicht auch den Zyklus dieses eimaligen Fests, das von jeder Generation entsprechend dem jeweiligen Zeitgeist und verbunden mit jahrhundertelanger Tradition veranstaltet wird.


Tipps & Information

Fête des Vignerons
Termin: Donnerstag, 18. Juli bis Sonntag, 11. August 2019
Ort: Place du Marché
1800 Vevey
Infos und Tickets: fetedesvignerons.ch
Während der Fête des Vignerons verwandelt sich ganz Vevey in ein spektakuläres Festareal. Bars, Weinkeller und Restaurants laden die Besucher zu einem einzigartigen, traditionsreichen Beisammensein ein. Auch ausserhalb der Arena. Tipps für Unterkünfte und Aktivitäten sowie das Programm der Veranstaltungen und Kantonstage finden sich auf der offiziellen Webseite.
Anreise
Von ausserhalb der Schweiz empfiehlt sich ein Flug nach Genf. Von dort erreicht man das Städtchen Vevey mit dem Zug innerhalb einer Stunde. Besuchern aus der Schweiz wird ebenfalls die Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln empfohlen.

Erschienen in
Falstaff Special «Vaud» 2019

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