Foto beigestellt

Falstaff-Talk mit Vincent Chaperon, Kellermeister von Dom Pérignon

Das Champagnerhaus lancierte kürzlich den Dom Pérignon Vintage 2004 Plénitude 2. Falstaff sprach mit Vincent Chaperon, dem Kellermeister des Hauses, über den Jahrgang 2004, die Herausforderungen der heutigen Zeit und eine neue Form von Luxus.

Falstaff: Herr Chaperon, wie haben Sie das Jahr 2004 in Erinnerung?
Vincent Chaperon:
Für mich war das Jahr wie eine Wiedergeburt. So, als wäre man einen Marathon gelaufen. Man ist geschafft und glücklich darüber, dass man sich jetzt endlich ein wenig ausruhen kann. Ein grosser Unterschied zum Jahrgang 2003, bei dem wir mit Frost und immenser Hitze zu kämpfen hatten. 2003 verlangte uns allen viel ab. 2004 war eine Erleichterung und ich finde, das spürt man auch den Weinen an. Es lief alles sehr ruhig und reibungslos ab. Häufig spürt man den Weinen an, wie das Jahr im Allgemeinen war. Wie man gelebt hat und wie einen die Natur leben liess.

Wie viel ihrer eigenen Persönlichkeit spiegelt sich in den Weinen wieder, die Sie für Dom Pérignon kreieren?
Diese Frage beschäftigt mich andauernd. Und ich glaube, dass es eine Mischung aus drei Dingen ist: Der Persönlichkeit von Dom Pérignon, der Natur und dem Charakter des Jahrgangs sowie meiner Intuition und meinen Emotionen. Ich treffe viele Entscheidungen intuitiv.

Sie sind seit 2019 Kellermeister von Dom Pérignon. Welche Veränderungen haben Sie seitdem vorgenommen oder ist Ihnen Kontinuität wichtiger?
Meine Rolle ist es, den Weg von Dom Pérignon weiterzuführen. Und das bedeutet, dass man sich immer wieder neu erfindet. Das ist unsere Philosophie. Nach zwanzig Jahren mit Richard Geoffroy als Kellermeister haben wir einige Dinge verändert. Ich denke, die Welt befindet sich aktuell in einer Übergangsphase. Und wir erleben gerade einen wichtigen Moment diesbezüglich. Ich glaube, dass wir uns auf etwas Neues zu bewegen.

Auf was bewegen wir uns zu?
Ich bin 46 und habe Kinder, die 18 Jahre alt sind. Die Kluft zwischen unseren Generationen ist riesig. Es ist wie zu Zeiten der Renaissance bei der Erfindung des Buchdrucks. Der Zugang zu Wissen hat sich verändert. In unserer globalisierten Welt weiss man alles zu jedem Zeitpunkt. Nachdem wir realisiert hatten, dass die Ressourcen unseres Planeten endlich sind, entwickelte sich das Bewusstsein für Ökologie. In den 1980ern entstand der ökologische Weinbau daraus. Mit Covid hat sich die Situation noch einmal verändert und vor allem hat das Virus vieles beschleunigt, denke ich. Wir müssen handeln und zwar schnell. Ich denke, wir haben eine Mission, eine Verantwortung.

Hat sich auch die Wahrnehmung von Luxus verändert?
Luxus ist für die Menschheit seit jeher eine Möglichkeit, der Endlichkeit zu begegnen. Das ist die ursprüngliche Definition von Luxus. Vor Tausenden von Jahren war Luxus lediglich spiritueller Natur, dann haben sich andere Formen entwickelt. Warum? Weil Luxus ein Spiegel der Gesellschaft ist. Es ist sehr interessant, die Autoindustrie in diesem Zusammenhang zu betrachten, denn sie ist immer sehr eng mit der Gesellschaft verknüpft. Wenn man also die Entwicklung der Autos in den 60ern, 70ern und 80ern anschaut, spiegelt das wider, was die Menschen damals suchten. Heute ist Luxus wohl am ehesten mit Wurzeln gleichzusetzen, der Natur und dem Bedürfnis der Menschen verwurzelt zu sein. Die Menschen arbeiten in Städten und haben ein grosses Bedürfnis, sich mit der Natur zu verbinden. Ich denke, das ist der neue Luxus.

Dom Pérignon produziert ausschliesslich Jahrgangschampagner. Inwiefern wird der Klimawandel mit seinen Wetterkapriolen hierbei zum Hindernis?
Ich versuche den Klimawandel nicht als Hindernis, sondern als Chance zu sehen. Ich denke, dass die Menschheit sich schon immer an wechselnde Bedingungen angepasst hat. Heute geht es um etwas, das wir kürzlich mit Wissenschaftlern besprochen haben. Wir hatten ein grosses Forum über das Bodenleben, bei dem wir versuchten, den Menschen bewusst zu machen, wie wichtig es für unseren Planeten ist. Jeder weiss, wie wichtig die Meere sind, aber wie wichtig der Boden und die Organismen in ihm sind, ist nicht allen bewusst. Der Boden macht etwa 50 bis 60 Prozent der Biodiversität auf unserem Planeten aus. Ein äusserst wichtiger Faktor im Kohlenstoffkreislauf, denn er kann CO2 aufnehmen. Es geht heute darum, die anthropomorphe Sichtweise zu verlassen, denn es gibt nicht die Natur und uns, sondern wir sind Teil der Natur. Wir sind nicht hier, um die Natur auszubeuten, wir sind hier, um mit ihr Hand in Hand zu gehen. Es ist nicht mehr wie vor fünfzig Jahren, als es darum ging, möglichst viel zu produzieren. Heute geht es darum, wie man das Bodenleben fördern kann. 

Mehr zum Thema