Cantine Florio Kellermeister Tommaso Maggio.

Cantine Florio Kellermeister Tommaso Maggio.
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Falstaff-Talk mit Tommaso Maggio: «Marsala ist ein hervorragender Essensbegleiter»

Die Cantine Florio produziert seit dem Jahr 1833 Marsala an der sizilianischen Westküste. Falstaff sprach mit dem Kellermeister und «Master Blender» des Traditionshauses Tommaso Maggio darüber, wie dieser geschichtsträchtige Likörwein in die heutige Zeit passt.

Falstaff: Marsala besitzt eine über 250-jährige Geschichte, wurde einst an Königshäusern genossen, galt als Medizin und ist bis heute als Kochzutat bekannt. Wie geniesst man Marsala im Jahr 2022?

Tommaso Maggio: Ja, Marsala ist reich an Geschichte und Tradition. Dass Marsala als Medizin deklariert wurde, war aber ein Trick, um ihn zur Zeit der staatlichen Prohibition in den USA verkaufen zu können. Natürlich wurde er damals trotzdem illegal ausgeschenkt.

Marsala hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert, weil er sich dem Geschmack der Menschen angepasst hat, er wurde raffinierter. Heute gibt es viele verschiedene Marsala-Arten, die unterschiedlich konsumiert werden. Trockenere Varianten wie Marsala Vergine, Vergine Riserva oder Superiore geniesst man am besten etwas kühler, bei 10 bis 12 Grad. Sie sind hervorragende Essensbegleiter und passen sehr gut zu Käse oder anderen Gerichten, die etwas herzhafter oder salziger sind. Auch die Tradition, Marsala als Dessertwein zu servieren, ist weiterhin existent. Vor allem die Sorten Semisecco und Dolce passen zu jeder Art von Süssspeise, aber besonders zu Gebäck, Crèmes, Ricotta-Desserts oder Käsekuchen. 

Vielen Leuten in der Schweiz ist Marsala weitestgehend unbekannt. Mit welcher Art Marsala fängt man am besten an, wenn man ihn kennenlernen möchte?

Am besten lernt man ihn als Speisebegleiter kennen, finde ich. Ich war vor einigen Wochen in der Schweiz und muss sagen, dass trockener Marsala sehr gut zum hervorragenden Schweizer Käse passt. Natürlich darf man auch die tolle Schokolade nicht vergessen, die es in der Schweiz gibt. Hierzu würde ich einen etwas süsseren Marsala empfehlen. Besonders zu Haselnussschokolade harmoniert ein Semisecco ganz wunderbar. Zu herberen Varianten, ab einem Kakaogehalt von 70 % kann man aber durchaus auch einen trockenen Marsala geniessen. 

Wenn wir schon bei Pairings sind: Welcher Typ Marsala passt zu welchen Gerichten? Welche Kombinationen sollten unsere Leser unbedingt ausprobieren?

Meiner Meinung nach passt Marsala zu allen Gerichten, beispielsweise auch zu Fleisch. Zu fettem Fleisch geniesst man am besten einen etwas trockeneren Marsala. Zu weissem Fleisch, also Schweinefleisch oder Poulet, einen halbtrockenen Marsala, mit einem Zuckergehalt von etwa 70 g/l. Vor Kurzem haben wir unseren Marsala Vergine zu Austern getrunken, eine sehr schöne Kombination. Er ist etwas salzig und schmeckt nach Meer, weshalb er sehr gut zu allem passt, das aus Selbigem kommt. In Sizilien essen wir dazu auch rohe Scampi oder Crevetten, mit etwas Pfeffer gewürzt, so dass sie ein wenig scharf sind.

Die Cantine Florio hat sich unter anderem der Produktion von Premium-Marsalas verschrieben. Was genau macht einen Spitzen-Marsala aus dem Hause Florio aus?

Die Eigenschaften, die unseren Spitzen-Marsala auszeichnen, sind einmalig, da wir einen einzigartigen Weinkeller haben. Er besteht aus vier Teilen, in denen mehr als 3000 Weinfässer lagern. Dies stellt uns eine breite Palette an Werkzeugen zur Verfügung, mit denen wir arbeiten können. Das erste Werkzeug, das wir haben, ist die Zeit. Unsere Vorläufer haben uns Jahr für Jahr historische Reserveweine hinterlassen – die ältesten Weine, die in unserem Keller lagern, stammen aus dem Jahr 1939. Marsala wird mit jedem Jahr besser, weshalb wir die Möglichkeit haben, auf exzellente Weine zurückzugreifen. Zusätzlich lässt sich durch unsere Weine der Keller erforschen, in dem sie reifen. Wir möchten Marsala neu definieren, weshalb wir verschiedene Etiketten kreiert haben, auf denen angegeben ist, wo im Keller der jeweilige Wein entstand. Man muss sich vorstellen, dass die Gegebenheiten in unserem Keller je nach Stelle sehr unterschiedlich sind. Die Temperatur wird nicht reguliert, weshalb die Weine in einem natürlichen Klima lagern und auch von den Jahreszeiten beeinflusst werden. Am Eingang des Kellers, der etwa 90 Meter weit entfernt vom Meer liegt, entstehen Weine, die von Meeresluft geprägt werden und auch so riechen und leicht salzig schmecken. Im oberen Teil des Kellers wiederum ist es wärmer, weshalb die Weine dort schneller reifen, konzentrierter, kräftiger und strukturierter sind. Wir haben ausserdem genau definiert, an welchen Stellen in unserem Keller der Angel’s Share – also der Anteil an Wein, der im Lauf der Zeit verdampft und den Wein konzentriert – am grössten ist. 

Andere aufgespritete Weine wie etwa Sherry scheinen in der Weinwelt ein Comeback zu feiern. Wie steht es diesbezüglich um den Marsala?

Marsala ist leider in vielen Ländern praktisch verschwunden. Wir sehen aber, dass die Leute wieder anfangen, ihn zu geniessen. In Belgien, zum Beispiel, erlebt er eine kleine Renaissance.

Der Marsala-Wein verlor unter anderem an Beliebtheit, weil andere ähnliche Produkte, wie etwa unser grosser Konkurrent Portwein, in viel grösseren Stückzahlen hergestellt werden. Zudem hat sich das Image von Marsala über die Jahre verändert. Er ist zu einem Wein geworden, den man in der Küche verwendet, für Kalbsschnitzel an Marsalasauce beispielsweise oder für Desserts. Marsala ist aber viel mehr als eine Kochzutat. 

Unternimmt Florio Bestrebungen, um dem Marsala ein neues Image zu verleihen?

Ja. Ich muss sagen, dass COVID uns dabei ein wenig geholfen hat. Die Pandemie hat uns erlaubt, für einen Moment innezuhalten und zu verstehen, in welche Richtung wir weitergehen, beziehungsweise wie wir unser Weingut und Marsala selbst der Öffentlichkeit erklären können. Unsere Marketing-Crew hat sich darauf konzentriert, die Geschichte des Marsalas neu zu erzählen. Die Menschen sollen verstehen, wo er herkommt, wie er hergestellt wird und wie man ihn am besten geniesst. Dieses Wissen vermitteln wir auch in Masterclasses, die wir regelmässig mit unseren Importeuren durchführen – kürzlich beispielsweise mit unserem Schweizer Importeur Dettling & Marmot. Ausserdem haben wir neue Etiketten entwickelt, auf denen genau angegeben ist, wo und wie der jeweilige Marsala entsteht. Unsere Kunden wissen heute genau, aus welchem Fass der Marsala in ihrem Glas kommt, auf welche Art er ausgebaut wurde und wie viel Angel’s Share dabei verloren ging.

Larissa Graf
Larissa Graf
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