«Es geht auch ohne Filet»

Das neue «Epoca» im Waldhaus Flims überzeugt mit echten Bündner Spezialitäten. Falstaff bat Executive Chef Bruno Hurter zum Interview.

Bruno Hurter, warum diese Neupositionierung für das «Epoca»?
Das Gourmet-Restaurant wurde über zehn Jahre lang von Sandro Steingruber und zuletzt ein Jahr lang von Pascal Schmutz auf hohem Niveau geführt. Nach seinem Weggang und mit dem Impuls der neuen Direktion war der Zeitpunkt ideal für eine grundsätzliche Standortbestimmung.   

Braucht ein Fünfsternehaus zwingend ein Sternerestaurant?
Eben diese Frage haben wir uns auch gestellt. Zum einen aus wirtschaftlicher Sicht, zum anderen aus Sicht unserer Gäste.

War die Idee von Anfang an klar, sich zu öffnen und auf Bündner Traditionsgerichte zu setzen?
Nein. Wir hatten eigentlich die Idee, abwechselnd internationale Spitzenköche ins «Epoca» einzuladen und ihnen eine Plattform für eine bestimmte Zeit zu bieten. Es zeigte sich allerdings, dass dies mit einem sehr hohen Aufwand verbunden wäre und es nicht hundertprozentig zum Haus passen würde.

Nicht wenige Spitzenhotels haben Mühe, genügend Gäste in ihr Gourmetlokal zu locken.
Das mag sein. Bei uns ist es so, dass die Region immer mehr hervorragende Gourmet-Restaurants bietet. Zudem haben viele Gäste leider eine gewisse Hemmung, in einem Luxushotel essen zu gehen. Diese Schwelle möchten wir gerne abbauen und auch lokale Gäste zum ungezwungenen Genuss auf hohem Niveau einladen.

Jetzt also mit alten, urchigen, Bündner-Rezepten.
Ja, wir glauben, unsere Gäste sind empfänglich für diese ehrliche und geradlinige Art der Küche. Regionaler Bezug und Nachhaltigkeit werden auch von Gourmets immer mehr geschätzt. Wir servieren teils sehr einfache, aber sehr schmackhafte Gerichte. Natürlich zeitgemäss interpretiert und präsentiert und auch mithilfe moderner Kochtechnik zubereitet. Aber die Qualität vom Grundprodukt steht immer im Vordergrund.

Das geht ganz ohne Luxusprodukte, Meeresfrüchte oder Edelstücke?
Natürlich. Wir gehen auch soweit, dass wir kein Filet oder Entrecôte anbieten. Dafür einen sensationellen Bergsaibling aus dem Val Lumnezia, Albula-Bergkartoffeln oder eine rustikale Beinwurst, die uns ein lokaler Metzger herstellt. Wir beziehen vieles direkt von Produzenten. Es geht um Saisonalität und um sinnvolle Verwertung. In der Beinwurst hat es tatsächlich „Bein“ also grobe Knochen drin und auch die weniger edlen Teile vom Tier. Aber auch hier zeigen sich unsere Gäste aufgeschlossen, schätzen den einzigartigen Geschmack und auch den “Nose-to-tail“-Gedanken.

Das ist mutig und beispielhaft. Wie kommt das neue Konzept an?
Sehr gut! Wir sind genauso begeistert wie unsere Gäste. Bisher gab es praktisch nur positive Rückmeldungen.

Nun ist das Grand Restaurant «Rotonde» quasi das Gourmetrestaurant. Hier ist der Beschaffungs-Radius weniger eng. Es gibt zum Beispiel auch Fleisch aus Irland – ein Bekenntnis als Botschafter des Chef’s Irish Beef Club?
Ja, da kann ich voll dahinter stehen. Irland hat weltweit eine der nachhaltigsten Fleischproduktionen. Die Tiere werden in kleinen Herden von traditionellen Farmern gross gezogen. Sie stehen praktisch das ganze Jahr auf der Weide und ernähren sich von bestem Gras. Wir verarbeiten vor allem frische und regionale Produkte in unserer internationalen und mediterran beeinflussten Küche. Aber die Fleischproduktion in der Schweiz kann den Bedarf unmöglich abdecken. Irland bietet uns eine hohe Verfügbarkeit in einer hervorragenden Qualität. Und geschmacklich ist es eine Klasse für sich.

(von Claudio Del Principe)

Claudio Del Principe
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