Ein unseliger Glücksfall: Das Weinmarketing-Wunder

Wie der Werber Luigi Schober und der PR-Guru Wolfgang Rosam den Erfolg des österreichischen Weins prägten.

«Dass Falstaff heute so ist, wie er ist, ist auch eine Folge des (un-)seligen Weinskandals», meint Falstaff-Herausgeber Wolfgang Rosam, der in den Jahren 1985 bis 1993 mit seiner damaligen PR-Agentur PUBLICO für die Öffentlichkeitsarbeit und die PR-Strategie des österreichischen Weins nach dem Glykolskandal verantwortlich war.

Revolutionäre Werbestrategie
Die PR-Agentur «überlebte» in dieser Zeit nicht nur vier Geschäftsführer der Weinmarketing-Gesellschaft, sie war auch das PR-Pendant zur Werbeagentur GGK, mit der zusammen sie eine in vielerlei Hinsicht revolutionäre Werbe- und Kommunikationsstrategie geschaffen hat, um das durch den Weinskandal ramponierte Image des österreichischen Weins wieder in ein positives Licht zu rücken. Rosam heute: «Die GGK brach damals sämtliche Werbetabus, indem sie eine sogenannte Lernkampagne kreierte, also die Konsumenten erzog, wie sie Wein zu trinken haben und was sie über Wein unbedingt wissen müssen. Es war diese Kampagnenstrategie, die kommunikativ das heimische Weinwunder initiierte», schwärmt der heutige Falstaff-Herausgeber. Und, so Rosam weiter: «Es war der schönste PR-Job meines Lebens, denn ich bekam für das Weinlernen und -trinken sogar noch Geld.»

Publico und GGK
Dabei begann alles – unmittelbar nach dem Weinskandal – ziemlich fürchterlich. Denn: Es gab zum Ausbruch des Glykoldramas keine Weinmarketing-Agentur, wie sie heute selbstverständlich ist, sondern einen parteipolitisch und paritätisch besetzten Weinwirtschaftsfonds. Dieser dilettierte nach den ersten Skandalmeldungen, indem er primitive Inserate in deutschen Medien mit dem plumpen Claim schalten liess: «Österreichischer Wein ist ehrlich!» (sic!)  Erst nachdem der erste Chef der heutigen Österreichischen Weinmarketing Gesellschaft (ÖWM) Wolfgang Lusak die Agenturen GGK (für Werbung) und PUBLICO (für PR) beauftragt hatte, einen völligen Paradigmenwechsel in puncto Weinmarketing und Kommunikation einzuleiten, begann das heute erlebte «Weinwunder».

Sinnigerweise ist der damalige Eigentümer der GGK der heute grösste Weinmacher Wiens, nämlich Hans Schmid. Sein Agenturchef, Luigi Schober, selbst aus einer Wein­dynastie kommend, war beseelt von der Vision, dem österreichischen Wein wieder eine Zukunft zu bescheren. Das damalige Dream-Team des österreichischen Weins in der GGK waren der Kreativdirektor Georg Peer, der Artdirektor Erich Falkner und der damals blutjunge Fotograf Georg Schlosser.

Kampagne nach dem Weinskandal / © Rudi Froese

Die Jahrhundert-Kampagne
Dieses Trio wagte sich in eine völlig neue Kommunikations-Hemisphäre vor, denn: Es ging nicht um eine simple Werbe- und PR-Kampagne, sondern um ein völliges Umdenken, geprägt durch gezieltes Marketing und mit dem Ziel, dass sich «der österreichische Weinbau und seine Produzenten um 180 Grad ändern müssen». Also wurde eine Kampagne kreiert, die einerseits den Weinproduzenten und Winzern beibrachte, wie man Qualität erzeugt und sie vermarktet, und andererseits die Konsumenten zu bewussteren, informierteren und damit zahlungsbereiteren Kunden (besseres Geld für besseren Wein!) erzog.

Dabei wurde eine Kooperation mit RIEDEL, den damals besten Weingläsern der Welt, geschlossen, Präsentations-Trainer lehrten die Weinbauern, sich gegenüber Ab-Hof-Kunden professionell und zielgruppenorientiert darzustellen, und auch die Gastronomie spielte eine wesentliche Rolle, indem Sommeliers sich als Lehrmeister und Vermittler gegenüber den Konsumenten präsentierten.

Aber auch die Medien des Landes unterstützten unisono den Image-Wiederaufbau der Weinwirtschaft durch Hunderte Positiv-Storys. Natürlich gab es dafür sämtliche Werbe- und PR-Preise, weil die Slogans «Klasse statt Masse» oder «Vom Doppler zur Bouteille» nicht nur ein ganzes Konsumentenvolk zu Weinkennern machte, sondern die Winzer wirklich begriffen, dass sie nur mit einer neuen Qualitätsproduktion auf ihre Rechnung kommen würden.

Heute mag das alles wie selbstverständlich erscheinen. Damals war diese Werbe- und PR-Strategie jedoch eine Revolution – und für Rosam und Schober überdies noch ein Highlight ihres Lebens.

(Herbert Hacker)

Aus Falstaff Nr. 08A/2015 (Jubiläums-Ausgabe)

Herbert Hacker
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