Gut eingespielte Truppe: Toni Ottiger, Raphael Burki, Ursula Rohrer und Urs Gretener.

Gut eingespielte Truppe: Toni Ottiger, Raphael Burki, Ursula Rohrer und Urs Gretener.
© Simon + Kim Werbefotografie

Dream Team – Die Top Weine von Toni Ottiger und Co.

Der Luzerner Winzer Toni Ottiger erzeugt mit seiner patenten Crew in Kastanienbaum von Jahr zu Jahr bemerkenswertere Weine.

Mit sich und der Welt zufrieden präsentiert Toni Ottiger an einem prächtigen Septembertag die Rebberge seines gleichnamigen Weinguts auf der Horwer Halbinsel – zu seinen Füssen der spiegelglatte Vierwaldstättersee, gegenüber die Silhouette des Bürgenstock, zu seiner Rechten der wolkenlose Pilatus. Man vermeint, einen Winzer aus der Abteilung Glückspilze vor sich zu haben. Fehlt nur noch, dass das Dampfschiff auf dem Weg nach Alpnachstad zur Bekräftigung hupt.
Die weissen und roten Trauben hängen -so gesund und manierlich geordnet in den schnurgeraden Rebzeilen, als würden sie Besuch vom Bundesrat erwarten. Die Laubwand ist akkurat gepflegt, das Blattwerk in bester Verfassung. Der Frost, der im Frühling viele Schweizer Rebberge heimgesucht hatte, richtete weniger Schaden an, als anfänglich befürchtet. Wenn jetzt das Wetter hält, ist
wieder ein guter Jahrgang zu erwarten. Angesichts des heissen Sommers beginnt die Ernte so früh wie noch nie.

Ottigers Weingut liegt im luzernischen Kastanienbaum. Luzern hat sich in den letzten Jahren zu einem kleinen, feinen Weinbaukanton gemausert. Rebbau war im Kanton noch vor zwei, drei Jahrhunderten durchaus verbreitet. Rebkrankheiten und Unrentabilität brachten dann aber das Geschäft Anfang des 20. Jahrhunderts zum Erliegen. Erst 1954 wurde an einer Grossratssitzung wieder Luzerner Wein ausgeschenkt. Es war ein Riesling-Silvaner vom Schloss Heidegg, dessen brach liegender Steilhang in Gelfingen zwei Jahre zuvor neu bepflanzt worden war. Heute beträgt die Luzerner Rebfläche 58 Hektaren, sieben davon werden von Weinbau Ottiger bewirtschaftet. 

Fantastisch der Blick von Spissen nach Stansstadt, Stanserhorn und Lopper.
© Jakob Ineichen
Fantastisch der Blick von Spissen nach Stansstadt, Stanserhorn und Lopper.

Toni Ottiger gehört zu den Winzerpionieren im Kanton. Obwohl schon zur Schulzeit an ökologischen und sozialen Themen interessiert, absolvierte er zunächst eine Banklehre. Doch Reisen und Sprachen beschäftigten ihn stärker. Ein befreundeter Weinerzeuger machte ihm die Winzerlehre schmackhaft. 1981 pachtete er in Kastanienbaum das damals 1,5 Hektaren grosse Weingut Rosenau mit dem auffälligen roten Haus. «Ich ging damals nach Rosenau, weil die Gemeinde 1980 Landwirtschaftsflächen auszonte, um den Wert der Halbinsel durch einen Grüngürtel zu erhalten», erzählt er. Ein weiser Entschluss der Politiker, ohne den heute das landschaftlich attraktive Gebiet komplett überbaut wäre.
Zäh und beharrlich verbesserte und verbreiterte Ottiger in den folgenden 35 Jahren sein Rebensortiment. Neben Riesling-Silvaner und Pinot Noir baute er unter anderen Pinot Gris, Sauvignon Blanc und Gamaret an. 2005 pflanzte er auf einer durchlässigen Kiesmoräne Merlot. Der Premiere-Jahrgang 2009 sorgte für Furore. Der Luzerner investiert selbstbewusst und optimistisch in die Zukunft. Seine Weine gewinnen kontinuierlich an Statur und besitzen heute überregionale Bedeutung. 2015 wurde er mit dem Pinot Noir «B» ins Mémoire des Vins Suisses, der Elitevereinigung des Schweizer Weins, aufgenommen – der verdiente Lohn des spektakulären Aufschwungs.
Die Herstellung von aussergewöhnlichen Weinen gleicht einem Puzzle. Es müssen viele Teile zusammenfinden, um zum Ziel zu kommen. Zum Beispiel sollte das Klima favorabel sein. «Der See sorgt das ganze Jahr über für ausgeglichene und milde Verhältnisse», sagt Ottiger. Der tiefgründige, sandig-lehmige Untergrund speichert das Wasser. «Dann leiden die Reben nicht unter Trockenstress.» Ein möglicher Nachteil zwar in einem regenreichen Herbst, der die Trauben anschwellen lässt, ein Vorteil allerdings in heissen Jahren. Und die nehmen ja zu, wie 2017 gerade wieder gezeigt hat. 
Den vorläufig letzten Stein zum Gesamtbild setzte der Winzer diesen Sommer: Der Produktionskeller in einer ausgedienten Mosterei in St. Niklausen wurde im zweiten Stock um einen klimatisierten Fasskeller erweitert. Auch hier entzückt die Aussicht durch die grossen Glasfenster. Sie spannt sich von Vitznau bis Kehrsiten und enthüllt die ganze Hotelfront des gerade eröffneten neuen «Bürgenstock Resorts». In solch anmutiger Umgebung kann ja kein schlechter Wein entstehen, geht einem spontan durch den Kopf – und bei einem derart guten Kellermeister und Önologen schon gar nicht, spinnt man den Faden weiter, als sich Raphael Burki zur Runde gesellt und aus den 2016er Barriques Ottigers zwei beste Pinots Noirs zapft – jenen aus der Lage Spissen und den «B», B wie «Burki» oder «Besonders», Ottigers Flaggschiff, das 2008 aus Burkis «flüssiger» Diplomarbeit an der Hochschule Geisenheim entstanden ist. Beide Weine stammen aus der Pinot-Noir-Spielart Mariafeld und wurden zu einem Drittel in bestem, neuem Holz ausgebaut. Der «B» enthält zudem einen Anteil Ganztrauben. «Das Stielgerüst der Trauben verleiht ihm eine kräftigere Farbe, griffigeres Tannin und grössere Frische.»

Toni Ottiger führt das Weingut Ottiger zusammen mit seiner Frau Ursula Rohrer.
© Jakob Ineichen
Toni Ottiger führt das Weingut Ottiger zusammen mit seiner Frau Ursula Rohrer.

Raphael Burki findet die Weine – trocken in seiner Art und aufs Understatement abonniert – «nicht schlecht». Sie zeigen mehr Spannung als die exzellenten, aber behäbigeren 2015er. Toni Ottiger schmunzelt zum Kommentar und verbirgt seinen Stolz nicht.
In Burki glimmt das Weinfeuer, seine sympathisch unaffektierte, zurückhaltende Art kann das nicht maskieren. Der Krienser ist ein Wanderer zwischen zwei Welten. Zusammen mit Besitzer Karl-Heinz Johner aus dem Kaiserstuhl und seiner Frau Christine führt er als Önologe in Wairarapa auf Neuseelands Nordinsel Johner Estate. Ein Weinnomade, der mehrmals jährlich zwischen der Alten und der Neuen Weinwelt hin- und herfliegt. Letztmals mit seinem ersten eigenen Neuseeland-Wein im Gepäck: fabelhaftem Chardonnay und Pinot Noir vom neuen Weingut Lime Hill. 
Toni Ottiger lässt seinem Weinmacher viele Freiheiten. Eine seiner herausragenden Qualitäten ist ohnehin, gemeinsam mit seiner Frau Ursula Rohrer eine gute Mannschaft um sich zu scharen. Dazu gehören neben Burki der vorbildliche Chef de Culture Urs Gretener, der Maienfelder Winzer Thomas Lampert und immer zwei, drei Lehrlinge. Die Crew bleibt auch am Ball, wenn der Chef erfolgreich in Verkaufsgeschäften unterwegs ist, als Reiseleiter eine Gruppe von Weinfreaks ins Ausland begleitet oder, wie gehabt, einem Besucher die Schönheit der Weinlandschaft am Vier­waldstättersee vor Augen führt.
ZUM »BEST OF OTTIGER« TASTING

Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2017

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Martin Kilchmann
Martin Kilchmann
Wein-Chefredakteur Schweiz
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