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Dominik Hartmann: «Modern, am Limit, abwechslungsreich»

Der Spitzenkoch aus dem «Magdalena» über seine neue pflanzenbasierte Küche, das St. Moritz Gourmet Festival und seine Bäckerei-Pläne.

Dominik Hartmann wurde mit seinem Restaurant «Magdalena» 2021 auf Anhieb mit zwei Sternen ausgezeichnet. Vor wenigen Tagen veröffentlichte der Spitzenkoch, dass er für seine Gerichte ab sofort gänzlich auf Fleisch und Fisch verzichten wird, womit das «Magdalena» das einizige Zwei-Sterne-Restaurant in der Schweiz ist, das auf eine vegetarische Küche setzt. Im Rahmen des St. Moritz Gourmet Festival 2022 gab der junge Chef Einblicke in seine pflanzenbasierte Küche.

FALSTAFF: Dominik Hartmann, waren Sie zum ersten Mal am St. Moritz Gourmet Festival?
Dominik Hartmann: Nein, ich war bereits vor drei Jahren einmal hier. Damals war Sergio Herman Gastkoch im «Badrutt’s Palace». Und wir hatten hier unser Weihnachtsessen vom «EquiTable» (ein Gourmetrestaurant in Zürich, wo Hartmann damals arbeitete, Anm. der Red.).

Ihre Premiere als Gastkoch stand nun nur bedingt unter einem guten Stern: Aus Covid-Gründen wurden die grossen Events dieses Jahr abgesagt. Jammerschade, oder?
Ja, natürlich ist es sehr schade. Aber die Corona-Zahlen sind immer noch sehr hoch, und wir sind deshalb einfach froh, dass das Festival überhaupt stattfinden konnte. Und dass wir wenigstens die Dinners durchführen konnten.

Fanden denn die speziellen Event-Formate für die Chefs statt, wo sie sich untereinander austauschen?
Die wurden auch gecancelt. Aber wir tauschen uns natürlich dennoch aus. Nicht im grossen Rahmen, aber am Abend nach unserer Anreise, als wir noch keinen eigenen Event hatten, gingen wir beispielsweise mit den Kollegen vom «Igniv» essen. Auch Tobias Funke war mit von der Partie. Er hatte im «Igniv» essen wollen, aber das war an diesem Abend geschlossen. Also hat er sich uns angeschlossen. Und nach dem Abendessen trafen wir dann im Ausgang zufällig Stefan Heilemann.

Wie reagierte denn das Festival-Publikum auf das verkleinerte Format?
Ich kann nur von uns reden. Aber wir hatten bislang nur positive Rückmeldungen. Die Gäste waren glücklich, dass wir überhaupt etwas angeboten haben. Ich weiss auch nicht, ob jetzt gerade jene Gäste, die bei uns waren, auch zur Kitchen Party gegangen wären. Aber die Leute, die bei uns waren, waren alle sehr zufrieden mit den Dinners.

Bei einem Festival kocht man in einer fremden Küche. Das hat so seine Tücken, oder?
Ja, schon. Aber wenn man eingespielt ist und Gerichte kocht, die – wie bei uns – auf der aktuellen Restaurantkarte stehen, ist vieles möglich. Zumindest wenn man gut vorbereitet ist. Der erste Abend war allerdings ziemlich chaotisch: Da mussten wir noch in der Hauptküche des «Badrutt’s» produzieren. Die ist riesig. Und bis man da nur eine Schüssel oder einen Schwingbesen findet, muss man unvorstellbar weite Wege gehen. Wahnsinn.

Ausserdem hatte es im «Igniv» noch reguläre Restaurantgäste, weil dort noch gar kein Festival-Dinner vorgesehen war – an diesem Abend hätte ja eigentlich das grosse Opening stattfinden sollen. So wurde improvisiert: Das «Igniv» hatte 20 Reservationen, und wir unsere Gäste. So kochten wir aneinander vorbei. Da wir alle super miteinander auskommen, ging das dann erstaunlich gut.

Sie haben kurz vor dem St. Moritz Gourmet Festival bekannt gegeben, dass Sie in Ihrem Restaurant «Magdalena» künftig nur noch vegetarisch kochen wollen. How comes?
Es war einfach der Weg, der sich abgezeichnet hat. Ich habe in den letzten Monaten immer mehr meinen eigenen Stil gefunden. Zu Beginn war ich noch stark geprägt gewesen vom Schloss («Schauenstein» von Andreas Caminada, Anm. der Red.) und vom «EquiTable». Dort gab es viele Gänge mit Fleisch oder Fisch.

Aber je länger ich im «Magdalena» war, desto weniger solcher Gerichte habe ich gemacht. Zuerst fiel das Fleisch von der Karte. Danach auch der Fisch. Der Schlüsselmoment beim Fisch war, dass wir ein spezielles Fischgericht auf der Karte hatten, aber die vegetarische Alternative dazu bei unseren Gästen besser ankam. Deshalb habe ich das geändert.

Ein weiter Grund für meinen vegetarischen Weg ist sicher auch, weil ich es ganz grundsätzlich spannender finde, komplett neue Gerichte zu entwickeln. Beim Gemüse kann man als Koch nochmals ganz neu anfangen.

Und kochten Sie nun auch am Gourmet Festival rein vegetarisch?
Das ist ja nur folgerichtig. Ich will im «Magdalena» in Zukunft ganz ohne Fleisch und Fisch auskommen. Einige Gäste glaubten zwar, dass das wohl eine Phase sei. Aber ich bin fest überzeugt, dass ich das nicht mehr machen werde. Marco (er meint seinen Geschäftspartner Marco Appert, Anm. der Red.) war da noch etwas kritischer. Er fand es zwar cool, eine Karte mal ohne Fleisch zu haben. Aber ganz ohne, das hat er sich nicht vorstellen können. Ich wusste schon damals für mich, dass der Fleischgang nicht mehr zurückkommen würde…

Hat sich Ihr Entscheid auf den Geschäftsgang ausgewirkt?
Wir haben keine Gäste verloren, wenn Sie das meinen. Und es ist schön zu hören und zu sehen, wenn eine Männergruppe zu uns ins Restaurant kommt und alle sagen, dass sie eigentlich absolute Fleischfresser seien, aber sie überhaupt nichts vermisst hätten. In solchen Momenten weiss ich, dass das, was ich mache, genau richtig ist.

Verlangt die Zubereitung von ausschliesslich vegetarischen Gerichten auch Neuerungen in Ihrer Küche?
Nur vegetarisch kochen ist sicher eine Herausforderung. Alles andere habe ich ja schon gekannt aus meinen Lehr- und Wanderjahren. Oder aus Kochbüchern. Jetzt muss ich meine eigenen Erfahrungen machen, Neues entdecken. Denn es gibt in diesem Bereich einfach noch zu wenige Rezepte, auf die man sich stützen kann.

Auch das Team muss voll mitziehen. Und es freut mich zu sehen, wie es meinen Mitarbeitern super Spass macht, auf dieser Reise mit dabei zu sein. Vor allem mein junger Patissier, Jonathan Pichler, ist voll bei der Sache und top motiviert.

Und wie schaut es bei den Kochtechniken aus, gibt es auch da Änderungen?
Es gibt da ganz typische Beispiele. Gelatine dürfen wir ja jetzt nicht mehr verwenden. Ich bin sonst zwar kein Dogmatiker. Aber um glaubwürdig zu sein, müssen wir da schon eine strikte Linie einhalten.

Vorher verwendeten wir auch regelmässig Geflügelfonds oder Dashi (japanischer Fischsud, Anm. der Red.). Jetzt können wir das nicht mehr einsetzen und müssen vegetarische Alternativen finden. Wenn wir nicht wollen, dass unsere Fonds wie Gemüsesuppen daherkommen, müssen wir beispielsweise viel mehr Alkohol verwenden. Und auch mit Fermentieren kann man sehr viel an Geschmack herausholen. Es ist generell aufwändiger, wenn man mit Gemüse die gleichen geschmacklichen Resultate erzielen will.

Inwiefern?
Nehmen wir nur mal den Hauptgang in meinem Festival-Menü: Die Kerbelwurzel ist viel komplexer in der Zubereitung als ein Stück Fleisch, das ich bloss anbraten müsste. Den Kerbel backe ich zunächst, danach lege ich ihn eine Woche ein. Anschliessend kommt er zwanzig Stunden in den Dehydrator. Und zum Schluss muss ich ihn noch anbraten. Das heisst, ich muss auch zeitlich viel länger vorausschauen. Da wir im «Magdalena» keine A-la-Carte-Küche mehr anbieten und bloss noch sechs bis sieben Gänge auf der Karte haben, ist das möglich. Mit einer umfangreicheren Karte wäre das wohl nicht machbar.

Welches Gemüse kochen Sie denn am liebsten?
Ich würde schon sagen die Rande. Tomaten finde ich auch sehr fein. Wenn sie richtig gut sind, kann man sehr viel daraus machen. Fermentierter Tomatensaft zum Beispiel ist mega spannend. Oder im Winter die ganzen Kohlgemüse.

Und gibt es auch Dinge, die sie nicht so gerne zubereiten?
Kapuzinerkresse ist nicht so meins. Auch Kapern und Oliven. Deshalb kommt das bei mir auch nicht auf den Teller. Zucchini finde ich ebenfalls schwierig. Ausser vom Grill. Früher gab es die bei uns zuhause, und sie waren viel zu stark gedünstet und fielen richtiggehend auseinander. Grauenhaft.

Und wie steht es um Ihre Leibspeise? Gibt es da einen absoluten Favoriten?
Kaiserschmarrn. Ganz klar. Den mach ich auch oft selber. Nach einem alten österreichischen Rezept.

Wenn Sie Ihre Küche in drei Worten beschreiben müssten, was würden Sie sagen?
Modern. Am Limit (in Bezug auf Säure und Salz). Abwechslungsreich.

Und was sollte ein Gast unbedingt probieren, wenn er oder sie zu Ihnen ins «Magdalena» kommt?
(Er lacht) Alles! Auf der aktuellen Karte sicher das Randen- und das Zwiebelgericht.

Werfen wir zum Schluss noch einen Blick in die Kristallkugel: Wo steht Dominik Hartmann in fünf Jahren (wenn der Covid-Spuk vorbei ist)?
Ouh, das ist schwierig zu sagen. Immer noch im «Magdalena», würde ich sagen. Das wir bis dahin noch da und dort optimiert haben und wo das Gesamterlebnis noch etwas ausgebaut ist. Aus der Pop-Up-Bäckerei, die wir jetzt haben, wird bis dahin eine richtige Brotproduktion und ein eigener Laden. Und da ich immer offen für Neues bin, und mir auch die Ideen nie ausgehen, könnte es da noch etwas Café- oder Bar-mässiges geben, weil Schwyz diesbezüglich nicht allzu viel zu bieten hat. Weshalb also nicht ein zweites Standbein eröffnen?


St. Moritz – Gourmet Dinner von Dominik Hartmann

Amuse bouche
Sellerie – Zwiebeln – Randen

Amuse bouche
Petersilienwurzel – Zweierlei vom Kopfsalat

Kürbis – Sanddorn – Verveine
2020 Riesling Sylvaner, Markus Stäger, Graubünden (CH)

Schwarzwurzel – Birne – Haselnuss
2018 Corte del Lupo Curtefranca, Cà del Bosco, Lombardia (I)

Randen – Randen- & Rettichschaum
2017 Pinot Noir, Heinrich St. Laurent, Burgenland (A)

Zwiebel – Mandel – Kimchi
2018 Sancerre, Domaine Sarry, Loire (F)

Kerbelwurzel – Preiselbeere – Wirsing
2017 Bolgheri Rosso, Azienda Agricola Le Macchiole, Toscana (I)

Mandarine – Chicorée – Lorbeer – Roggen
2020 Moscato d’Asti, Vietti, Piemonte (I)


Philipp Bitzer
Geschäftsführer Falstaff Schweiz
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