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Die Sieger der Gamay Trophy 2019

Die Traubensorte Gamay steht im Schatten ihrer Geschwister, allen voran Pinot Noir. Im Burgund einst verboten, wird sie heute nicht nur im Beaujolais geliebt, sondern etwa auch in der Schweiz.

Wir schreiben das Jahr 1395, als Herzog Philipp der Kühne von Burgund sein berühmtes Dekret zum Verbot der Traubensorte Gamay erliess. Schädlich sei der daraus gewonnene Wein und die Traube gar «unehrenhaft». Schon damals entbehrte diese Argumentation natürlich jeglicher Logik, doch der Herzog hatte auch nicht den Schutz des Volkes im Sinn, sondern den Schutz des bereits erfolgreichen Burgunder Weins. Denn die Benediktinermönche des Klosters Cluny und die Zisterzienser der Abtei Clos de Vougeot brachten in den Jahren davor den Weinbau im Burgund entscheidend nach vorne. Die Sorte Gamay war dabei ein Katalysator, denn sie lieferte hohe Erträge und wurde so bald zur Konkurrenz für den bereits angestammten, aber empfindlichen Pinot Noir.

Herzog Philipp der Kühne vertrieb den Gamay also aus dem Burgund, rechnete vermutlich aber nicht damit, dass er der Sorte damit erst recht auf die Sprünge half. Denn an den Granithängen des Beaujolais gefiel es dem Gamay gar noch besser als auf den Kalksteinen der Côte d’Or. Der Beaujolais-Wein, wie wir ihn heute kennen, wurde damals geboren.

Der Gamay hatte es natürlich auch danach nicht einfach. Sein Zerfall im Beaujolais ist der Industrialisierung des Weinbaus gewidmet und der Vermarktung von Weinen aus Rebbergen mit eindeutig zu hohem Ertrag. Diese Zeiten sind heute zum Glück vorbei, und der Gamay scheint seinen schlechten Ruf hoffentlich endgültig ablegen zu können.

Auch die Schweizer Gamay-Geschichte ist von Turbulenzen geprägt. Gemeinsam mit dem Pinot Noir ist die Traube die Grundlage für den Dôle, der lange unter einem ähnlichen Problem wie der Beaujolais litt. Doch auf den entsprechenden Lagen, mit der entsprechenden Mengenbeschränkung und in Händen des richtigen Winzers kann Gamay auch in der Schweiz mehr als nur ein einfaches Weinchen sein.

Logisch eigentlich, dass es dem Gamay in der Schweiz gefällt. Denn wie in seiner Heimat Beaujolais sind auch hierzulande Lagen mit Granitböden keine Seltenheit. Im Wallis etwa, wo sich Kalk und Granit abwechseln ist es eigentlich ideal, neben dem Pinot Noir, der sich auf Kalkböden wohlfühlt, mit dem Gamay einen granitliebenden Gegenspieler zu haben.

Der höchstbewertete Wein der diesjährigen Falstaff-Gamay-Trophy stammt dann auch aus dem Wallis. Der feinfruchtige, frische und überaus elegante Gamay Classique 2018 der Domaine des Muses aus Sierre beweist, dass es die Sorte mehr als verdient hat, eigenständig ausgebaut und nicht hinter dem Namen Dôle versteckt zu werden. Winzer und Önologe Robert Taramarcaz hat ein Händchen dafür, die entsprechende Traubensorte dem zu ihr passenden Terroir zuzuordnen. Auch beim Gamay ist ihm dies einmal mehr perfekt geglückt.

Zu den bekannten Gamay-Könnern des Landes gehört Gerald Besse aus Martigny. Gleich zwei seiner drei Gamay-Selektionen haben es unter die besten Weine der Trophy geschafft. Seine Gamays beweisen, dass die Bandbreite der Sorte grösser ist, als viele Weinliebhaber annehmen. Neben den einfacheren, aber ebenfalls grandiosen Gamay Bovernier und Champortay aus dem Stahltank gehört der Gamay Domaine Saint-Théodule, gereift im Fuderfass, Jahr für Jahr zu den besten seiner Art in der Schweiz. Ein zupackender, reifer, aber ebenso frischer Gamay-Typus, der nicht nur im Jahr nach der Ernte, sondern erst recht nach einigen Jahren der Reife Spass bereitet.

Doch nicht nur im Wallis, auch in anderen Schweizer Weinregionen hat der Gamay eine Heimat gefunden. Mit dem Sortilège-Gamay von Gianni Bernasconi aus Neuenburg oder dem Plant Robez des Waadtländer Ausnahmewinzers Blaise Duboux sind auch andere Weinregionen unter den besten der Trophy zu finden. Mit dem Plant Robez oder Plant Robert besitzt die Schweiz gar ihren ganz eigenen Gamay-Klon. Es handelt sich dabei um eine dem Waadtländer Lavaux eigene, alte, aber hochwertige Gamay-Selektion. Sie ist nicht besonders ertragreich und liefert daher kräftige, strukturbetonte Weine.

Die Herkunft der Rebe ist übrigens nicht geklärt. Man geht davon aus, dass sich ihr Name auf das französische «robé» bezieht, die Vergangenheitsform des Verbs «rober», abgeleitet von «voler» oder «dérober», was wiederum «stehlen» oder «entwenden» heisst. So könnte es sich beim waadtländischen Plant Robert also um eine gestohlene Rebe handeln. Gedanken darüber sind heute allerdings müssig – denn nachdem die Rebe in den 1960er-Jahren fast verschwunden war, wird der Plant Robez heute wieder als Schweizer Spezialität gefeiert. Irgendwie gehört der Gamay eben auch zu uns.


Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2019

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Benjamin Herzog
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