Genuss ohne grossartiger Vorbereitung: Die Drinks werden direkt aus der Flasche auf Eis serviert.

Genuss ohne grossartiger Vorbereitung: Die Drinks werden direkt aus der Flasche auf Eis serviert.
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Die besten Bottled Cocktails der Schweiz

Die Lockdowns verhalfen den vorgemixten Cocktails zu einem wahren Boom. Falstaff hat sich durch fast 70 Drinks aus Schweizer Produktion gekostet – wir präsentieren die besten für den Heimgenuss.

So viel wie im vergangenen Jahr waren die meisten Genussmenschen wohl schon lange nicht mehr zuhause. Für Barbetreiber und ihre Gäste eine besonders schwere Zeit. Denn die urgemütliche, wohnzimmerhafte Atmosphäre, die vielen guten Cocktailbars zu eigen ist, wurde durch das Virus zum gefürchteten Terrain. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass die vorgemixten Cocktails für den Genuss im eigenen Wohnzimmer in den vergangenen Monaten boomten wie nie zuvor.

Kaspar Fenkart und Jessica Kollar von «The Cocktail» in Zürich gehören zu den Schweizer Pionieren der Pre-batched Cocktails, wie man diese Art der Drinks auch nennt. Die Betreiber der Zürcher «Central Bar» begannen im Jahr 2017 damit, eine breite Palette von vorgemixten Cocktails in Flaschen zu füllen und im Einzelhandel, online, aber auch an Restaurants zu verkaufen. Einen Zuwachs wie während des letzten Jahres haben die beiden allerdings zuvor nie erlebt. «Der Support war gross», sagt Kaspar Fenkart. «Die Cocktails werden auch mit unserer Bar in Verbindung gebracht.» Fenkart, der neben der «Central Bar» auch die Zürcher «Sportbar» sowie das Restaurant «Wermut» betreibt, wurde als Gastronom von den Lockdowns infolge der Pandemiesituation schwer getroffen. Das Standbein der Bottled Cocktails war das einzige, das unabhängig von den Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie weiterlaufen konnte. «Ich hatte endlich Zeit, mich nur darum zu kümmern», sagt er. «Ich konnte neue Kunden gewinnen, insbesondere im Einzelhandel.» Natürlich ist es für einen engagierten Gastronomen wie ihn auch persönlich wichtig, in solchen Zeiten eine Aufgabe zu haben.

bottled-cocktails.ch versteht sich als Plattform für Cocktailanbieter sowie -liebhaber und Geniesser, die ihrem Anspruch auch ausserhalb ihrer Lieblingsbar gerecht werden wollen.
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bottled-cocktails.ch versteht sich als Plattform für Cocktailanbieter sowie -liebhaber und Geniesser, die ihrem Anspruch auch ausserhalb ihrer Lieblingsbar gerecht werden wollen.

Flaschen mit Handschrift

Der Grossteil der von Falstaff verkosteten Bottled Cocktails stammt jedoch von Anbietern, die neu auf dem Markt sind. Natürlich insbesondere von Bars. Die Zürcher «Tales Bar» beispielsweise verkauft derzeit erfolgreich Cocktails in Flaschen an ihre Stammkunden, genauso wie die «Werkstatt Chur», die Basler Bar «Herz» oder das «Karel Korner» aus Luzern. Bemerkenswert bei der Verkostung war, dass es allen Bars gelang, ihrem Stil auch bei den Bottled Cocktails treu zu bleiben. Eine Handschrift war bei allen Cocktail-Linien klar erkennbar. Judy Lauber vom «Karel Korner» betont, dass die Qualitätssicherung zu den wichtigsten Aufgaben bei dem Projekt gehört. «Die Leute sollen zuhause ein möglichst ähnliches Erlebnis haben wie bei uns in der Bar. Die Qualität muss stimmen.» Dafür scheuen die Bars keinen Aufwand. Beim Cocktail-Kiosk von «Karel Korner» beispielsweise stehen neben Klassikern wie Negroni jede Woche auch wechselnde Neukreationen im Angebot – oft hergestellt mit dem sogenannten Milk-Punch-Verfahren. Dieses kommt einer Schönung beim Wein nahe, der Cocktail wird also mithilfe von Kuhmilch oder einer Milchalternative geklärt. «Das sorgt für ein seidiges Mundgefühl und für eine erhöhte Haltbarkeit», erklärt Judy Lauber.

Die Haltbarkeit von Bottled Cocktails ist ein grosses Thema – bei den Anbietern und den Geniessern gleichermassen. «Die Cocktails verändern sich immer, wenn sie einmal auf der Flasche sind, wie und warum, ist zuweilen überraschend», sagt etwa Kaspar Fenkart von «The Cocktail». Geeignet für das Abfüllen in Flaschen sind insbesondere Cocktails mit hohem Alkoholgehalt und solche, die gespritteten Wein beinhalten. Nicht ohne Grund gehört deshalb der Negroni zu den Klassikern.

Das «Karel Korner» hat jede Woche wechselnde Neukreationen im Angebot.
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Das «Karel Korner» hat jede Woche wechselnde Neukreationen im Angebot.

Nicht jeder Cocktail ist für die Flasche geeignet. «Frische Säfte – etwa Zitronensaft – sind für uns tabu», sagt Jonathan Blätter von der «Werkstatt Chur». Um Säure reinzubringen, arbeiteten er und seine Kollegen mit einem Produkt, das den Charakter von Zitronensaft nachahmt. Die Zucker-Säure-Verhältnisse in den ­klassischen Rezepturen mussten dabei angepasst werden. Auch aromatisch waren Änderungen vonnöten: Statt verderblicher frischer Minze etwa kommt beim Cocktail Ghost of the Forest Crème de Menthe zum Einsatz, und Limettenbitter sorgte neben der Ersatzsäure bei anderen Kreationen für den richtigen Geschmack. «Wir pröbelten, viel bis wir zufrieden waren», erklärt Jonathan Blättler. «Wir hatten am Ende eine ziemlich komplexe Excel-Liste.» So trugen die findigen Churer Barkeeper etwa auch dem Umstand Rechnung, dass die Cocktails beim Heimgenuss nicht kalt gerührt oder geschüttelt, sondern nur über Eis gegossen werden. Das Schmelzwasser, das beim Mixen entsteht, ist in den Flaschencocktails der «Werkstatt Chur» miteingerechnet.

Die Entwicklung und Herstellung von Bottled Cocktails ist aufwendig. Damit als Bar wirklich Geld zu verdienen ist entsprechend schwierig. Die meisten Anbieter hantieren mit Mixern und Trichtern und nicht mit professionellen Abfüllanlagen. Um riesigen Umsatz geht es bei den Projekten auch nicht. Vielmehr geht es darum, den Kontakt zu den Gästen nicht zu verlieren und im Gespräch zu bleiben. Für die Gäste sind Bottled Cocktails ideal, da sie Abwechslung in die Heimbar bringen, ohne dass man sich ein Arsenal von Spirituosen, Bitters und Sirups selbst anschaffen muss – ganz zu schweigen von den spezifischen Barwerkzeugen.

Die raffinierten Cocktails der «Werkstatt Chur» begeisterten die Falstaff-Jury besonders.
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Die raffinierten Cocktails der «Werkstatt Chur» begeisterten die Falstaff-Jury besonders.

Bar auf Distanz

Was fehlt, egal ob für Anbieter oder Geniesser, ist natürlich der persönliche Kontakt, den der Besuch einer Bar mit sich bringt. Letztendlich ist es die Aufgabe eines guten Barkeepers, in der Bar auf den individuellen Geschmack der Gäste zu reagieren. Wenn jemand etwas süsser oder trockener will, ist eine Anpassung des Rezeptes schnell vollzogen. Bei der Verkostung entstand wohl deshalb auch der Eindruck, dass viele Anbieter auf Nummer sicher gehen wollen. Es soll der Masse munden, weshalb die Bottled Cocktails nicht selten eher auf der süssen Seite angesiedelt waren. 

Die trendigen Bottled Cocktails gibt es aber nicht nur von Bars. In den letzten Monaten traten auch handwerklich arbeitende Spirituosenproduzenten auf den Plan. So wie die Gin-Brenner Draft Brothers aus Winterthur. Samuel Rommel und Beni Erb bieten eine ganze Palette von vorgemixten Cocktails für den Lockdown an, die sie in der Stadt ausliefern – als Flasche sowie auch in Gläsern als Einzelportion. Kreiert haben sie diese in Zusammenarbeit mit dem befreundeten Barkeeper Mario Gagliardi. Zu den teils ausgefallenen Kreationen gehört etwa ein Cocktail mit Erdnussbutter-infused Gin. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Die Gin-Brenner Draft Brothers aus Winterthur liefern ihre Quarantäne-Cocktails an die Haustür ihrer Fangemeinde.
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Die Gin-Brenner Draft Brothers aus Winterthur liefern ihre Quarantäne-Cocktails an die Haustür ihrer Fangemeinde.

Es bleibt abzuwarten, wie viele der Anbieter nach den Lockdowns weiterhin vorgemischte Cocktails anbieten werden. Für die Macher von «Karel Korner» und der «Werkstatt Chur» ist es durchaus denkbar, weiterhin in die Richtung zu arbeiten, denn viele dürften sich daran gewöhnt haben, auch zuhause auf dem Sofa erstklassige Cocktails zu geniessen. «Ich denke nicht, dass die Leute weniger in Bars gehen werden», sagt Kaspar Fenkart. «Aber vielleicht bleiben sie ja dabei und trinken am Feierabend zuhause statt eines Biers einen Bottled Cocktail

Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2021

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Benjamin Herzog
Benjamin Herzog
Chefredaktion Schweiz
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