Hier werden Sie gut beraten: Verkaufsraum der Bindella Vinoteca im Kornhaus im Zentrum von Bern. Das Unternehmen wurde beim Falstaff-Voting für sein Italiensortiment ausgezeichnet.

Hier werden Sie gut beraten: Verkaufsraum der Bindella Vinoteca im Kornhaus im Zentrum von Bern. Das Unternehmen wurde beim Falstaff-Voting für sein Italiensortiment ausgezeichnet.
© David Biedert

Die beliebtesten Weinhändler der Schweiz

Falstaff hat die aktuelle Lage zum Anlass genommen, sich gemeinsam mit den Lesern auf die Suche nach den beliebtesten Weinhändlern zu machen: Wir präsentieren die Weinhandel-Sieger 2020.

Als der Bundesrat Mitte März 2020 einen schweizweiten Corona-Lockdown verfügte, waren viele Weinhändler schwer beschäftigt. Die Umsatzzahlen Anfang des Jahres waren gut, und umso grösser war der Schock über das jähe Ende. Doch das Entsetzen war nur von kurzer Dauer. Schnell wurde klar, dass in den Folgewochen nicht etwa weniger getrunken, sondern sich der Konsum von der Gastronomie in die eigenen vier Wände verlagern würde. Wer darauf vorbereitet war, gehörte 2020 zu den Gewinnern.

Der bekannte Weinhändler und Master of Wine Philipp Schwander spricht vom besten Jahr, das er je erlebt hat. «Wir haben das Glück, dass wir nur rund fünf Prozent unserer Weine in der Gastronomie absetzen», erklärt Schwander, der beim Weinhändler-Voting zu den Gewinnern gehört und zusätzlich zur Weinhändlerpersönlichkeit 2020 gekürt wurde. Nur auf Corona führt Schwander den kaufmännischen Erfolg allerdings nicht zurück. «Wir haben unabhängig von der Pandemie einen neuen Onlineshop aufgeschaltet und so die digitale Vermarktung optimiert», erklärt er. «Diesen Bereich haben wir lange etwas vernachlässigt und können jetzt von der Investition profitieren.»

Exponierender Onlinehandel

Die Verschiebung in den Onlinebereich bekam der gesamte Schweizer Weinhandel zu spüren. So vermeldete auch der grösste Online-Weinhändler der Schweiz, flaschenpost.ch, ein Rekordjahr. Die Falstaff-Community und -Redaktion haben flaschenpost.ch dann auch zum Onlinehändler des Jahres gewählt.

Urs Ullrich von der Paul Ullrich AG spricht von einer wahren Explosion in diesem Bereich. Er musste kurzerhand vier zusätzliche Packstationen anschaffen und Aushilfen für das Verpacken der Pakete bei der Paul Ullrich AG einstellen. Gleichzeitig aber blieben die Filialen des Unternehmens in Basel, Bern und Zürich leer. «Den Leuten war während des Lockdowns nicht bewusst, dass Weinhandlungen offen haben durften – wir gehören zum Lebensmittelbereich», sagt Urs Ullrich. Er geht davon aus, dass die Coronapandemie die Konsumgewohnheiten der Schweizer nachhaltig verändern dürfte. «Die Skepsis gegenüber Onlineshopping war bei uns lange gross, die Situation hat nur beschleunigt, was ohnehin passiert wäre.» Urs Ullrich ist mit seinem Unternehmen breit aufgestellt, ein besonderer Schwerpunkt im Weinsortiment liegt auf Portugal, bekannte Produzenten wie Quinta do Crasto oder Esporão landeten überdurchschnittlich oft in den Einkaufswagen der Onlineshopper von www.ullrich.ch.

Ausgezeichnet wurde der Händler beim Falstaff-Voting dann auch als bester Portugalhändler der Schweiz. Mit Hauptstandort Basel war die Zeit der geschlossenen Grenzen und Ausgangsbeschränkungen für Ullrich besonders spürbar. Nicht nur aus persönlicher Warte. «Gerade die Detailhändler haben bei uns enorm davon profitiert, dass kein Einkaufstourismus stattgefunden hat», erklärt Ullrich und ergänzt, dass viele Leute, die sonst in Frankreich oder Deutschland einkauften, eben nicht nur plötzlich alle Lebensmittel in der Schweiz besorgten, sondern auch das Auto wieder hier in die Reparatur brachten oder eben Wein und Getränke einkauften. Ein positiver Trend, der hoffentlich anhält.

Wein im Homeoffice

Jan Martel von der gleichnamigen Weinhandlung mit Hauptsitz in St. Gallen ist neben Philipp Schwander der zweite Sieger des Falstaff-Online-Votings. Auch er und sein Team erreichten sagenhafte 97 Punkte. Martel verkauft rund 50 Prozent seiner Weine in die Gastronomie und wurde insofern von der Pandemie hart getroffen. «Da half der plötzlich viel grössere Wunsch in der Bevölkerung nach Weinkonsum im Home-Office und grundsätzlicher Aufstockung des Weinkellers natürlich sehr», berichtet Martel.

Bis zum Mai seien die Onlineverkäufe förmlich explodiert, in dem Monat lagen sie bei Martel satte 430 Prozent über dem Vorjahr. «Wir konnten den Ausfall der Gastronomie zu einem grossen Teil kompensieren.» Martels Onlineshop ist keine Novität, der Händler gehörte 1995 zu den ersten weltweit, die einen solchen aufschalteten. Der Martel Shop ist seit 9000 Tagen online und gehört laut eigener Aussage zu den ältesten seiner Art in ganz Europa. Damals wusste noch niemand, dass der Onlineshop einst diesen Stellenwert einnehmen würde.

«Mein heutiger Schwager war damals an der HSG tätig und suchte nach einem Produkt, um es in einem Onlineshop abzubilden», berichtet Jan Martel. «Das neue Medium war den meisten Unternehmern noch suspekt, und so war das alles andere als einfach. Wein bot sich für ihn aber geradezu an. Über seine Schwester – meine heutige Frau – versuchte er Kontakt zur Weinhandlung herzustellen. Nach harten Preisverhandlungen überzeugte er uns von diesem Experiment und Martel erhielt seinen Internetauftritt samt Onlineshop.»

Das Internet war zu diesem Zeitpunkt noch wenig bekannt, und so erstaunt es nicht, dass die ersten Bestellungen im Martel-Onlineshop von IT-Freaks aus Norwegen, Spanien oder England getätigt wurden. «Gerade mal 49 Onlineshops für Wein waren damals auf Yahoo gelistet und Google noch Zukunftsmusik», berichtet Jan Martel.

Teurer Wein ist gefragt

Die Zahl der Online-Weinshops ist seit damals immens gewachsen und damit auch die Konkurrenz. Alleinstellungsmerkmale sind heute im Onlinebereich genauso wichtig wie im stationären Handel. Während des Lockdowns verzeichnete die Firma Martel nicht nur einen Zuwachs bei den Alltagsweinen, gerade der Fine-Wine-Bereich profitierte, das Gebiet, in dem der Händler beim Falstaff-Voting prämiert wurde. «Der durchschnittliche Verkaufspreis pro Flasche nahm dieses Jahr um 20 Prozent zu, was ganz klar zeigt, dass viel mehr Raritäten als in den vergangenen Jahren gekauft wurden. Die Nachfrage überstieg das Angebot klar – ganz egal ob es sich um Raritäten aus der Schweiz, dem Burgund, Bordeaux oder auch Kalifornien handelte», sagt Martel.

Auch Master of Wine Philipp Schwander verzeichnete einen Zuwachs bei höherpreisigen Produkten, doch auch in anderen Segmenten. Er macht sich beim Onlinehandel zunutze, was er offline seit Jahren beherrscht – er bietet mit seiner Selec­tion Schwander gute Weine zu moderaten Preisen an, die nur er im Sortiment führt. Er nutzt seine Alleinstellungsmerkmale also in perfekter Weise. «Zum ersten Mal überhaupt habe ich in diesem Jahr günstige Bordeaux-Weine in Trinkreife lanciert, das war ein grosser Erfolg.»

Philipp Schwan­der steht wie kein anderer Weinhändler in der Schweiz für Kompetenz, und so verwundert es nicht, dass er Weine in grosser Menge absetzen kann, mit denen die Erfolgsaussichten im ersten Moment nicht unbedingt gross sind. «Wenn keine Weinkompetenz dahintersteht, ist es schwierig, unbekannte Etiketten zu verkaufen», sagt er. Die Kompetenz auch online zu vermitteln sei durchaus möglich. Etwa in Form von Videos oder persönlichen Texten. Der Titel Master of Wine allein sei dafür nicht verantwortlich, so Schwander. «Meine Kunden wissen, dass sie bei mir etwas Gutes bekommen», sagt er abschliessend. «Das gilt für die Kunden in unseren Filialen genauso wie für die, die online einkaufen.»


Die Weinhandel-Sieger 2020

Bester im Bereich Fine Wine
Martel
martel.ch 97 Punkte

Weinhändlerpersönlichkeit des Jahres
Philipp Schwander
selection-schwander.ch 97 Punkte

Bestes Frankreichangebot
Philipp Schwander
selection-schwander.ch 97 Punkte

Bestes Portugalsortiment
Paul Ullrich AG
ullrich.ch 96 Punkte

Bestes Schaumweinsortiment
Baur au Lac Vins
bauraulacvins.ch 95 Punkte

Beste Weinhandelskette
Mövenpick Wein
moevenpick-wein.com 95 Punkte

Bestes Italiensortiment
Bindella
bindella.ch 95 Punkte

Bestes Spaniensortiment
Casa del Vino
casadelvino.ch 95 Punkte

Bester Händler mit Subskriptionsangeboten
Denz Weine
denzweine.ch 95 Punkte

Bestes Österreichsortiment
Vinothek Brancaia
brancaia.ch 94 Punkte

Bestes Bio- / Naturweinsortiment
Smith & Smith
smithandsmith.ch 94 Punkte

Publikumsliebling – die meisten Online-Votings
Vergani
vergani.ch 93 Punkte

Bester Onlinehändler
Flaschenpost
flaschenpost.ch 92 Punkte

Bestes Raritätenangebot
Steinfels-Weine
steinfelsweine.ch 92 Punkte

Bestes Weinabo
Schuler
schuler.ch 91 Punkte

Bestes Weinregal im Supermarkt
Coop
coop.ch​​​​​​​ 90 Punkte

Erschienen in
Falstaff Nr. 09/2020

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Benjamin Herzog
Benjamin Herzog
Chefredaktion Schweiz
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