Cuvées sind in allen Landesteilen der Schweiz zu finden, auch in der Genfersee-Region, hier bei Nyon.

Cuvées sind in allen Landesteilen der Schweiz zu finden, auch in der Genfersee-Region, hier bei Nyon.
© Johannes Kernmayer

Cuvéekönner: Im Rebberg vereint

Auf der Suche nach den besten Rotweincuvées der Schweiz hat Falstaff eine Entdeckung gemacht. Der Gemischte Satz erlebt hierzulande eine Renaissance, die bis anhin im Stillen verlaufen ist.

Über acht Generationen hinweg war der Dézaley Rouge «Le Treillant» immer derselbe. Ein Rotwein aus den Sorten Pinot Noir, Gamay, Cabernet Franc, Merlot und Syrah. Der Wein, der zu den besten bei der Falstaff-Trophy zum Thema Rotweincuvées gehört, wird seit jeher gleich produziert. Die verschiedenen Sorten werden nicht etwa erst nach der Gärung, sondern schon im Rebberg als Trauben vereint, ja sogar gemeinsam in den Parzellen angepflanzt und geerntet. Blaise Duboux, der Waadtländer Winzer hinter dem «Le Treil­lant», spricht in diesem Zusammenhang von Complantation, auf Deutsch könnte man den französischen Begriff als «Zusammenpflanzung» übersetzen, was auf der ­internationalen Weinbühne wiederum ein Field Blend wäre und im deutschen Sprachraum als Gemischter Satz bekannt ist. Alles Bezeichnungen für dieselbe Sache, nämlich mehrere Rebsorten in einer Parzelle gemeinsam angepflanzt, gemeinsam geerntet und zu einem Wein verarbeitet – also eine Cuvée, die im Weinberg entsteht.

Im Jahr 2007 entschied sich Duboux, den «Le Treillant» zu verändern und damit die Gegenwart einzuläuten – auch wenn sein Vater diesen Schritt damals als gewagt bezeichnete. «Die höheren Temperaturen, bedingt durch den Klimawandel, machten uns Probleme. Der Pinot hatte einfach zu viel Alkohol. Deshalb habe ich mich damals dazu entschieden, den Pinot Noir aus den Parzellen zu entfernen», berichtet Duboux. Auch den Gamay musste er aus demselben Grund ausreissen. Heute besteht der Wein aus jeweils einem Drittel Cabernet Franc, Merlot und Syrah, erzählt er uns. Pi mal Daumen, denn die Erntemengen der verschiedenen Rebsorten sind nicht dieselben – Merlot bringt beispielsweise grundsätzlich mehr Menge. Anstatt die Anteile der verschiedenen Traubensorten später im Wein zu verändern, will Duboux das Terroir auf die Flasche bringen. Ein ganz anderer Ansatz als im Bordeaux oder der Rioja beispielsweise, weil die Kontrolle über das finale Produkt hierdurch ein Stück weit aufgegeben wird. Duboux’ Ansicht nach ­ist der Gemischte Satz die beste Art, das Terroir zu transportieren.

Perfekte Balance

«Die einzige Entscheidung, die ich in diesem Fall bewusst fällen kann, ist der Erntezeitpunkt. Ein extrem wichtiger Faktor, weil die Sorten unterschiedlich schnell reifen und ich den besten Moment erwischen muss», erzählt er uns. Low Intervention – wie man heute so schön sagt – also möglichst wenig Einflussnahme im Weinberg und im Keller. Für Duboux ist dieses Vorgehen die logische Konsequenz seiner biologischen Arbeitsweise. Auch Didier Joris, der den bestbewerteten Wein unserer Trophy beisteuerte, arbeitet biologisch, und zwar schon seit satten fünfzehn Jahren. Auch ­er, ansässig in Chamoson im Wallis, will das Terroir auf die Flasche bringen, genau wie Duboux. «Mich begeistern jedes Mal die Balance in diesem Wein und das erkennbare Profil. Stellt man fünf Jahrgänge blind nebeneinander, erkennt man, dass es der ‹Le Treillant› ist. Und selbst in einem schwierigen Jahr wie 2014 war der Wein für mich perfekt ausbalanciert», berichtet Duboux.

Der Duft der Freiheit

Charles Rolaz von der Kellerei Hammel in Rolle begann bereits vor 30 Jahren damit, Rebsorten zu vereinen, wie er selbst es nennt. «Ja, Blends sind eine grosse Sache für uns», sagt Rolaz. Hammel pflanzte früh internationale Sorten wie Cabernet Sauvi­gnon im Wallis. Damals gab es laut Rolaz hauptsächlich Pinot und Gamay, einzeln oder als Dôle. «Die klassischen Bordeauxsorten waren hier noch nicht so verbreitet. Vom Merlot wussten wir zwar, dass er im Tessin gut gedeiht, der Rest war aber Neuland. Wir leisteten Pionierarbeit», erzählt Rolaz. Er, damals viel in der Weinwelt unterwegs, viele Weine im Glas, unter anderem auch viele Cuvées, war schnell von den Synergien verschiedener Rebsorten fasziniert. «Es gab mir eine gewisse Freiheit», sagt er. Auch dank des Schweizer Weingesetzes, das deutlich weniger strikt ist als ­jenes in Italien oder Frankreich beispielsweise, wo nur bestimmte Rebsorten in bestimmten Regionen verwendet werden dürfen.

Auch Rolaz setzt bei einigen seiner Weine auf Field Blends, arbeitet aber auch auf ganz klassische Weise mit dem Verschnitt der fertigen Weine vor der Abfüllung. Insgesamt macht der Anteil von Cuvées bei Hammel knapp 50 Prozent der Rotweinproduktion aus. Auch Rolaz ist der Überzeugung, dass Cuvées, insbesondere Field Blends, die bessere Möglichkeit sind, um das Terroir auszudrücken. «Wir interessieren uns mehr für den Terroir- als für den Rebsortenausdruck. Das ist etwas, das sich in den letzten dreissig Jahren stark verändert hat», sagt er. Beim Gemischten Satz steuert er den Erntezeitpunkt über die Regulierung der Erntemenge. Cabernet Sauvignon wird beispielsweise als Letztes reif und gibt somit den Erntezeitpunkt vor. Deshalb reduziert Hammel die Erntemenge bei dieser Sorte drastisch, damit sie mit den anderen gepflanzten Rebsorten gleichzeitig reif wird. Vor dreissig Jahren hätte wohl niemand gedacht, dass man sich in unseren Breiten Gedanken über die Ausreifung von Cabernet machen muss und dass der Gemischte Satz die Zukunft des Weinbaus sein könnte. Ersteres unter anderem wegen der Pionierleistung von Rolaz, Letzteres als brandaktuelle Chance.

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2020

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