Crevetten sollten fangfrisch tiefgefroren werden – am besten schon direkt auf dem Boot. 

Crevetten sollten fangfrisch tiefgefroren werden – am besten schon direkt auf dem Boot. 
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Crevetten: Meeresgenuss oder Massenzucht?

Gute Crevetten sind eine echte Delikatesse und sollten auch als solche behandelt werden. Wer den besten Geschmack und ein gutes Gewissen will, kauft sie gefroren, mit Kopf, aus nachhaltigem Wildfang oder einer Mangrovenwaldzucht.

Wie unterscheiden sich Zucht-Garnelen von Wildfang?

Mehr als achtzig Prozent aller gezüchteten Shrimps gehören zwei Arten an: der pazifischen Weissband-Crevette und der Black-Tiger-Crevette. Sie sind meist etwas fester in der Konsistenz als Wildfang, mit dezentem, leicht süssem Geschmack. Bei Wildfang-Crevetten gibt es eine grössere Vielfalt. Weltweit werden etwa 300 verschiedene Shrimp-Arten gefischt, je nachdem, ob die Shrimps aus kalten oder warmen Gewässern kommen und was sie gefressen haben, schmecken sie anders.

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«Eine wilde Black Tiger aus Nigeria schmeckt ein wenig wie europäischer Hummer», sagt Timon Jakli vom Händler «Fisch Gruber» am Wiener Naschmarkt. «Argentinische RotCrevetten sind mittelfest mit schön molligem Krustentiergeschmack. Die tiefroten Crevetten aus Sizilien oder Marokko sind extrem weich und geschmacksintensiv, verkochen aber schnell. Und Grönland-TiefseeCrevetten sind süss und knackig.» Als besonders geschmacksintensiv gelten Tiere aus sehr kalten Gegenden, die lange brauchen, um zu wachsen.
Ein Problem beim Wildfang sind die Fangmethoden: Crevetten leben auf dem Meeresgrund und können daher nur mit Schleppnetzen gefangen werden – das kann aber den Meeresgrund dauerhaft beschädigen. Es gibt daher nur sehr wenig Wildfang mit Nachhaltigkeitssiegel wie dem «Marine Stewardship Council» (MSC), dazu zählen Eismeer-Crevetten aus Grönland.

Wo wird gezüchtet?

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Da die Nachfrage nach Fisch weltweit steigt, boomen Aquakulturen. Das gilt auch für Crevetten. Der Markt wächst mit bis zu zehn Prozent pro Jahr. Gleichzeitig haben Crevettenzuchten nicht den besten Ruf – oft zu Recht, aber nicht immer. In den 1980er-Jahren, als der Boom der Aquakultur begann, wurden in tropischen Ländern, vor allem in Thailand, Malaysia und Ecuador, in rasantem Tempo Crevettenzuchten gebaut. Aufgrund der enormen Besatzdichte wurden hier Krankheiten zu einem grossen Problem. Viele der Zuchten wurden in Küsten- bzw. Überschwemmungsgebieten angelegt, in denen zuvor Mangrovenwälder wuchsen – ein natürlicher Schutz gegen Hochwasser und Lebensraum zahlreicher Arten.

Worauf sollte man beim Kauf achten?

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Der meiste Geschmack sitzt im Kopf und in der Schale der Crevette. Wer also das Optimum möchte, kauft die Tiere im Ganzen und bereitet sie auch so zu. Achtung: Der Kopf und der Verdauungstrakt enthalten ein Enzym, dass das Fleisch schnell breiig werden lässt – ganze Crevetten müssen also sehr frisch verarbeitet oder fangfrisch tiefgefroren werden! Crevetten lassen sich sehr gut und ohne grossen Qualitätsverlust einfrieren: Bei Wildfang geschieht das idealerweise noch auf dem Schiff, bei Zuchtware sollte es möglichst bald nach der Ernte erfolgen. «Frische» Crevetten auf dem Markt sind meist aufgetaute Ware. Wenn der Zeitpunkt des Auftauens nicht bekannt ist, ist im Zweifelsfall gefrorene Ware die bessere Wahl. Ein ASC- (Aquaculture Stewardship Council) oder ein Bio-Siegel stellen sicher, dass die Crevette aus einem nachhaltigen Betrieb stammt – in Österreich und Deutschland bietet etwa «Yuu’nMee» solche Ware an. Robert Herman, einer der Besitzer von «Yuu’nMee», rät, darauf zu achten, dass auf der Packung von geschälten Crevetten keine E-Nummern zu finden sind. Das garantiert, dass die Tiere nach dem Schälen nicht mehr mit Zusatzstoffen behandelt wurden, etwa um die Fleischfestigkeit oder die Farbe zu verbessern.

Was hat's mit den deutschen Zucht-Shrimps auf sich?

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Seit einigen Jahren werden auch in Deutschland Crevetten gezüchtet, in geschlossenen Anlagen auf dem Festland, etwa von der Firma «Crusta Nova» in der Nähe von München. Das hat den Vorteil, dass die Tiere tatsächlich frisch genossen werden können, ausserdem gibt es hier weder das Problem von zweifelhaften Arbeitsbedingungen noch von zerstörten Mangrovenwäldern oder ins Meer gepumpten Abwässern. Die Ware ist aber vergleichsweise sehr teuer – mindestens um die 40 Euro pro Kilo – und nicht immer ökologisch sinnvoller, zumindest nicht, wenn man sie etwa mit den Crevetten aus nachhaltiger Mangrovenwaldzucht vergleicht. «Eine vergleichende Ökobilanz zu guter Importware fehlt bisher», sagt Ulfert Focken, Wissenschaftler am Thünen-Institut für Fischereiökologie. «Aber wenn die -Crevette in München gezüchtet wird und dann auf Eis gelegt per Kurier im kleinen Lkw nach Hamburg transportiert wird, dann hat das schon einen sehr grossen ökologischen Fussabdruck. Ein Tiefkühltransport in einem Schiffscontainer, der direkt in Hamburg ankommt, ist hingegen energetisch ziemlich günstig.» Hinzu kommt, dass nachhaltige Crevettenzuchten in tropischen Ländern in den meist armen Gegenden Arbeitsplätze schaffen können und eine gute Möglichkeit sind, die lokale Wirtschaft zu beleben.

Wo liegt die Zukunft der Garnelenzucht?

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Zwar hat sich die Situation in den vergangenen Jahren verbessert, «nach wie vor ist aber bei der konventionellen Crevettenzucht noch Luft nach oben», sagt Crevettenzuchtexperte Focken. So haben gerade einmal fünf Prozent aller ZuchtCrevetten das Nachhaltigkeitssiegel des «Aquaculture Stewardship Councils» oder ein Bio-Siegel. Focken sieht die Zukunft der nachhaltigen Crevettenzucht in Projekten, bei denen die Tiere nachhaltig in den Mangrovenwäldern gezüchtet werden.

Aus dem Falstaff Magazin Nr. 02/2017.

Tobias Müller
Autor
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