Craft Beer ist in aller Munde: Auch im Kanton Waadt verzücken Kleinbrauer die Gaumen der Biertrinker.

Craft Beer ist in aller Munde: Auch im Kanton Waadt verzücken Kleinbrauer die Gaumen der Biertrinker.
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Craft Beer-Revolution im Waadtland

Die Dichte an Kleinbrauereien in der Waadt ist enorm, und jedes Jahr kommen neue dazu. Drei Waadtländer Craft-Beer-Produzenten erlangten mit ihren Produkten gar überregionale Bekanntheit.

Die Gemeinde Puidoux bei Vevey ist bekannt für den Wein, liegt hier doch der legendäre Lavaux-Cru Dézaley. Doch Puidoux ist flächenmässig gross, und so findet sich im oberen Teil des Ortes auch ein kleines Industriegebiet, die Heimat der Brasserie Docteur Gab’s. Eine der bekanntesten Craft-Beer-Brauereien der Waadt. Ihre Geschichte begann im Jahr 2001. Damals unternahmen die drei Freunde David, Reto und Gabriel einen Ausflug nach Belgien und waren fasziniert von den dortigen intensiven Bierstilen, die mit dem damals in der Schweiz vorherrschenden, hellen Lagerbier so gar nichts zu tun hatten. Wieder daheim begannen sie im Keller von «Gab’s» Eltern hobbymässig Bier zu brauen.
Heute haben sie rund 25 Angestellte und brauen mittlerweile mehr als 10'000 Hektoliter im Jahr. «Dass die Waadt ein Weinbaugebiet ist, war für uns stets ein Vorteil», sagt Brauereigründer Reto Engler. «Wein ist von der Idee her näher an unserem Craft Beer als an einem industriell hergestellten Lager.» Die Biere der Brauerei sind zwar von belgischen Bierstilen beeinflusst, dabei aber stets angenehm süffig und irgendwie auch an den Schweizer Geschmack angepasst. Paradebeispiel ist etwa das einem belgischen «Bière blanche» nachempfundene Houleuse. Das relativ leichte Bier bekommt durch die Zugabe von Orangenschalen einen fruchtigen Geschmack und zeigt sich betont frisch am Gaumen. «Trinkbarkeit ist für uns elementar», erklärt Reto Engler. «Genauso wie Authentizität.»
Die ersten Etiketten der Brauerei waren von Hand gezeichnet – «Gab’s» Vater steuerte die Zeichnungen bei, einige zieren bis heute die Etiketten. Die Region und die Herkunft der Grundzutaten sind den Machern von «Docteur Gab’s» sehr wichtig. Für einige Biere verwenden sie heute Gerstenmalz, das im benachbarten Kanton Genf angebaut und verarbeitet wird, und jedes Jahr produzieren sie ein Bier mit Hopfen von einem Bauern aus der Region, und sogar die mit Logo gravierten Mehrwegflaschen werden im Ort Saint-Prex bei Morges hergestellt. Die ganze Produktion mit lokalen Ingredienzen stemmen kann «Docteur Gab’s» allerdings nicht – dafür ist die Brauerei heute schlicht und ergreifend zu gross. Der Bezug zur Heimat manifestiert sich vor allem in einem Bier von «Docteur Gab’s». Das Saison Barrique wird in Puidoux gebraut und dann bei der Henri Badoux SA in Aigle in Barriquefässern gereift, die zuvor Chasselas enthielten. Die feinfruchtige, blütenhafte Art des Weines ist auch dem Bier eigen.

Das Bier der drei Damen

2001, als die Brasserie Docteur Gab’s ihren Anfang fand, gab es erst wenige unabhängige Kleinbrauereien in der Schweiz, denn bis 1991 wurde der Markt durch ein Kartell reguliert und bestimmt. Auch die Geschichte der Brasserie Trois Dames in Sainte-Croix im Waadtländer Jura nahm Anfang der 2000er-Jahre ihren Lauf. Raphaël Mettler führte bis dahin eine erfolgreiche Firma für den Import von Trendsportartikeln, bei einem Aufenthalt in Kanada verliebte er sich in die dortigen innovativen Bierstile und krempelte sein Leben um. Er verkaufte die Firma und begann die Brasserie Trois Dames aufzubauen – der Name ist übrigens eine Hommage Mettlers an seine Frau und die gemeinsamen Töchter. Raphaël Mettler produziert neben einer Selektion von Standardbieren auch sogenannte Sauerbiere – Biere also, die durch eine Milchsäuregärung eine markante Säure aufweisen, ganz wie ein belgisches Gueuze oder Kriek.
Mettler baut diese Biere mitunter in einer eigens dafür angelegten Solera aus und leitet vor dem Verkauf eine zweite Gärung in Champagnerflaschen ein. Zuweilen sind das wilde Kreationen, die manchen Bierliebhaber in Staunen versetzen. Zu Mettlers zugänglichsten Experimenten gehört das L’Amoureuse – dabei handelt es sich um einen Mix aus Bier und Wein, den Mettler gemeinsam mit den befreundeten Winzern Nicolas Pittet und Pierre-Alain Dutoit vom Lavaux-Weingut Les Fous du Rois entwickelte. Der zu vergärenden Bierwürze wird dabei Traubensaft von weissen Chasselas- respektive roten Garanoir-Trauben beigemischt und alles wird zusammen vergoren. Das Resultat ist ein recht trockenes, leichtes Bier mit Fruchtnuancen in der Nase und erfrischender Bitterkeit am Gaumen. Längst eine beliebte Waadtländer Spezialität.

Reto Engler ist Mitgründer der Brasserie Dr. Gab‘s. Was 2001 im Keller eines Kollegen begann, ist zu einer Brauerei mit 25 Angestellen herangewachsen.
Foto beigestellt
Reto Engler ist Mitgründer der Brasserie Dr. Gab‘s. Was 2001 im Keller eines Kollegen begann, ist zu einer Brauerei mit 25 Angestellen herangewachsen.

Von Freunden für Freunde

Zu den jüngeren Protagonisten in der Waadtländer Brauerszene gehört La Nébuleuse. Die drei Freunde Arthur, Jeremy und Kouros gründeten die Brauerei im Jahr 2014. Im Gegensatz zu «Docteur Gab’s» und «Trois Dames», die sich in erster Linie an Belgien orientieren, hielt man sich bei «La Nébuleuse» seit Beginn an die modernen britischen und amerikanischen Braustile – also eher hopfenlastige Sorten. Nicht nur punkto Geschmack geht es bei La Nébuleuse dynamisch voran. Innert weniger Jahre haben sie ihre Braukapazität vervielfacht und beschäftigen heute mehr als zehn Mitarbeiter.
Neben dem Standardsortiment, das hauptsächlich aus süffigen, aromatischen Kreationen besteht, wissen auch die limitierten Spezialitäten des Hauses zu begeistern. Trotz der relativ kurzen Geschichte ist La Nébuleuse nicht nur im Waadtland, sondern mittlerweile sogar in der Deutschschweiz gut verankert. Die Brauerei ist der beste Beweis für den Erfolg des Waadtlandes nicht nur als Wein-, sondern auch als Bierregion.

Erschienen in
Falstaff Special «Vaud» 2019

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