Auch bei Weissweinen: Besser alt
Unter der Federführung von Luc Massy wird ein Jahrgangslager für den Dézaley angelegt.
© Faber & Partner

Unter der Federführung von Luc Massy wird ein Jahrgangslager für den Dézaley angelegt.
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Alle lieben den jungen Chasselas. Dass seine besten Weine grossartig reifen, wissen nur wenige. Klar, der Chasselas, die wich-tigste Weissweinsorte der Westschweiz, ist vor allem ein bekömmlicher, unaufdringlicher, süffiger und erfrischender Apérowein, eine Art «Vin de soif», ein quellwasserklarer Wein gegen den Durst. Sein grösstes Plus ist aber, dass er sensationell gut zu reifen vermag – vorausgesetzt, er stammt aus einem hervorragenden Terroir. Denn wie im Burgund die besten Böden dem Pinot Noir ihren unverwechselbaren Stempel aufdrücken, veredeln auch in der Westschweiz die nobelsten Terroirs den Chasselas. Natürlich verliert er im Alter seine jugendliche Unbekümmertheit. Dafür verbreitert sich sein aromatisches Spektrum, sein Profil wird markanter und gleichzeitig interessanter. Mineralische, honigartige und nussige Noten treten hervor, und die sortentypische Bitterkeit wird noch stärker als strukturierendes Element wahrgenommen.
Der renommierte Weinjournalist Andreas Keller sagt: «Sowohl in der Waadt als auch im Wallis findet man verblüffende Beispiele für gut alternde Chasselas. Wie kaum eine Sorte verändert sich der Chasselas im Lauf der Jahre, er wird zu einem völlig anderen Wein und ähnelt plötzlich einem alten weissen Burgunder.» Solche Weine zehn und mehr Jahre zu behalten sei natürlich Liebhaberei, doch sie würden zu unvergesslichen Genussmomenten verhelfen.

Luc Massy erzeugt -Dézaley mit Alterungspotenzial.
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Luc Massy von der Domaine Le Clos du Boux in Epesses heisst ein weiterer Kronzeuge. Sein Dézaley Chemin de Fer gehört zu den kraftvollsten Vertretern der Appellation. Luc Massy ist Präsident der Vereinigung «La Baronnie du Dézaley». Sie hat zwölf Mitglieder und hat sich die Förderung des Dézaley, dieses «mythischen, bereits seit einem Jahrtausend gefeierten Weins», auf die Fahne geschrieben. Ausgehend von der Erfahrung, dass sich ein gelungener Dézaley erst nach einem Jahr zu öffnen beginnt und sich die weiteren fünf bis zehn Jahre stetig verbessert, haben sich die Mitglieder verpflichtet, ein Jahrgangslager anzulegen, das der anspruchsvollen Gastronomie, aber auch interessierten Dézaley-Liebhabern erlaubt, sich mit schön gereiften älteren Weinen einzudecken.

Aus der Grand-Cru-Lage Dézaley reift der Chasselas besonders gut.
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Ab und zu organisiert die Baronnie Degustationen von alten Jahrgängen. Unvergesslich ist eine Verkostung, die bereits vor einigen Jahren stattgefunden hat: Zusammen mit der befreundeten Walliser Vereinigung «Vétroz Les Grands Crus» lud sie zur Degustation, die von 1999 bis ins Jahr 1971 zurückführte. Dézaley wie Fendant vermochten zu brillieren. Höhepunkte der Vertikalverkostung waren die Fendants Grands Crus de Vétroz 1994 von André Fontannaz und Balavaud 1987 von Jean-René Germanier; die Dézaleys L’Arbalète 1983 von Testuz und Marsens de la Tour 1971 von Charles Dubois. Alle hatten sie ihre Frische bewahrt und eine neue Dimension dazugewonnen. Der Älteste begeisterte mit einer ihm nie zugetrauten Rüstigkeit.
Das heisst nun freilich nicht, dass alle Chasselas-Weine gereift werden müssen. Die meisten Tropfen schmecken in ihrer Jugend immer noch am besten. Es lohnt sich aber, als weissen Lagerwein auch einige Chasselas aus anerkannt guten Lagen einzukellern. In zehn oder mehr Jahren wird man sich an geläuterten Weinen delektieren dürfen und Winzerdoyen Louis-Philippe Bovard zustimmen – dem Erzeuger der Dézaley-Ikone Médinette und Begründer des «Conservatoire Mondial du Chasselas», eines zu Studienzwecken errichteten Pflanzgartens von 19 verschiedenen Chasselas-Typen: «Der Chasselas ist ein einmaliges kulturelles Erbe, das nicht nur ein Symbol für die Einzigartigkeit der Schweiz ist, sondern auch für einen Weinstil, der zurück zu Finesse, Eleganz und Leichtigkeit geht.»
Tasting: Best of reife Weine
Aus dem Falstaff Magazin Nr. 03/2017.