Apéro de Luxe: Zürichs Apérokultur
Ob auf einen Afterwork-Drink mit Profis hinter der Bar und Geniessern davor, ein Bier im gemütlichen Pub oder ein klassischer Cocktail am edlen Tresen – Zürichs Apérokultur ist einfach einmalig.
Apéro ist Schweizer Lebensart und gehört zur Schweiz wie das Matterhorn. Als fester Bestandteil der Schweizer Alltagskultur trifft man sich gerade in Zürich auf ein lustiges Stündchen zum Ausklang eines anstrengenden Tages und «apérölet», was das Zeug hält. So war Zürich schon immer eine Stadt mit hervorragenden Bars wie jene in der «Kronenhalle» oder der «Widder Bar», doch gerade in den letzten Jahren ist in der Schweiz eine neue Generation von Barkeepern herangewachsen, die in der Stadt eine ganz neue Barkultur etabliert.
Wohnzimmeratmosphäre
Die Lieblingsbar des «Park Hyatt» Concierges Alexander Haag ist die «Tales Bar» in der Selnaustrasse. Sie wird von Wolfgang Bogner, dem ehemaligen Bar-Chef des Park Hyatt, betrieben. Eine Bar mit Wohnzimmer-Feeling, hervorragenden Cocktails und einer tollen Crew. Aussergewöhnlich sind vor allem die Öffnungszeiten: von Montag bis Sonntag jeweils bis drei Uhr nachts. Wenn in Zürich alles schläft, ist man hier noch wach und begeistert Nachtschwärmer mit süffigen Getränken wie «The Finer Points of Bad Behavior» oder «Mother in Law». Die Cocktailkarte ist in vier Kapitel gegliedert: Cocktail-Rezepturen, Tiki-Drinks, Favoriten der Bartender sowie alkoholfreie Kreationen.
Wer auf Nummer sicher gehen will, begibt sich einfach in die Obhut Bogners und vertraut auf seine Empfehlungen. Gemeinsam mit der «Bar 63» avancierte die «Tales Bar» zu einem der Lieblingsorte der Zürcher Barprofis. Das Gesicht der «Bar 63» ist Pascal Kälin. Er versteht sich aufs Brennen ebenso wie aufs Mixen und hat mehrere Eigenabfüllungen von Rum im Sortiment – u. a. die zuerst in einem Whiskey- und anschliessend in einem Tokajfass gelagerten Cask Adventures. Haags Kollege Marko Nikolic bevorzugt das «Old Crow». Mit Markus Blattner und Ivan Paszti stehen hier zwei der Besten des Landes hinter dem Tresen. Mehr als 1400 Spirituosen stehen zur Auswahl, davon einige wahre Raritäten.
Seit einiger Zeit herrscht jedoch auch im Löwenbräu-Areal Feierstimmung. Im ehemaligen Silo werden in der «Santa Rosa Bar» raffinierte Cocktails zubereitet, für die Bartender David Marxer (ein alter Bekannter aus dem «Hotel Rivington & Sons») verantwortlich ist. Die Barkarte präsentiert sich eher übersichtlich und reduziert. Doch egal ob Hauscocktail Santa Rosa oder der Whisky-Drink Almost Famous, hier wird auf Qualität gesetzt. Und David Marxer beherrscht sein Handwerk so gut, dass es eine seiner Kreationen sogar auf die Karte der altehrwürdigen «Kronenhalle» schaffte.
Ort mit Geschichte & die neuen Hipster-Bars
Vierzig Jahre lang drückte Peter Roth der Bar der «Kronenhalle» seinen persönlichen Stempel auf, inzwischen hat er den Shaker an Barchef Christian Heiss weitergegeben. In der geschichtsträchtigen Bar benetzten schon Friedrich Dürrenmatt, Joan Miró oder Marc Chagall ihre trockenen Kehlen und die Rezeptur des Dry Martini mit Olive versetzte selbst Roger Moore in Verzückung. Das Geheimnis der Bar beschreibt der ehemalige Chef de Bar Roth: «Bereits im Bar-Tender’s Guide von 1862 gilt ‹well-balanced› als Hauptqualität und an diesem Primat der Harmonie hat sich seitdem nichts verändert.»
Die Lieblingsrezepte der Gäste werden unter der Theke in einem Wachsheft gehütet. Handschriftlich und alphabetisch wird darin seit Jahren notiert, was – abgestimmt auf die Spezialwünsche der Gäste – kreiert wurde. Die «Widder Bar», eine der besten Whiskybars Europas, hat sich ihren Charme nach einem neunmonatigen Umbau bewahrt. Sie hat nur ein kleines Facelifting erhalten und ist nun durch eine offene Treppe mit dem Restaurant im ersten Stock verbunden. Neuerdings setzt man jedoch noch mehr auf Geschmack. «Jeder neue Geschmack, den unsere Köche und unsere Cocktail-Crew entwickeln, enthält eine Flavour- ID, um irgendwann einmal eine riesige Enzyklopädie der Geschmackskombinationen zu haben», erklärt Jan Brucker, Direktor des «Widder Hotels». Und es bleibt spannend, denn momentan wird an der «Widder Garage» herumgeschraubt. Die eigentlich nur provisorisch angedachte Pop-up-Bar im Industrielook entwickelte sich in kürzester Zeit zum hippen Place to be.
Wie sich die vor einem halben Jahr eröffnete «Bar Sacchi» an der Sihlfeldstrasse entwickelt, wird sich zeigen. Inhaber Claudio Sacchi ist jedoch ein alter Hase in der Zürcher Gastro-Szene. Mit Negroni-Variationen und italienischem Nostalgie-Charme hat er jedoch sicherlich eine weitere interessante Nische gefunden. Mit Drinks aus der Getränkepistole versucht er das Zürcher Publikum zu locken.
Ebenfalls ihren Welpenschutz verlieren die beiden im letzten Jahr eröffneten Bars «The Yard» an der Bäckerstrasse und die «Cinchona Bar» des «25hours-Hotels» an der Langstrasse. Bisher schlagen sich jedoch beide Bars recht gut und pimpen als hippe Locations endlich das Image der sonst recht angestaubten Hotelbars auf. Ihre Highballs wecken den Hipster im Gast.