Das muss einen jungen Koch wurmen! Er ist Küchenchef im traditionsreichen Hauptrestaurant eines Grandhotels mit langer Geschichte. Im Keller dieses Hotels ist seit ein paar Jahren ein neueres Restaurant mit asiatischer Küche. Unten ein Michelin-Stern, oben keiner. Wenn man sich das vor Augen hält, wird der Ehrgeiz von Tobias Koch verständlich. Er will in seiner »Hanse Stube« im »Hotel Ernst« die Kollegen vom »Taku« überrunden. Ehrensache. Koch geht alles systematisch an. Nur die besten Lieferanten beispielsweise: Butter von Monsieur Bordier oder Fisch von dem Pariser Händler, der sonst fast ausschließlich Restaurants von Alain Ducasse beliefert. Koch paart das mit gutem Handwerk, und heraus kommen durch die Bank sehr solide Teller, die man mit Vergnügen leerisst. Morchelsuppe mit Kölner Allerlei, Ente mit Orangen-Thymian-Jus, Lamm mit Stielmuspüree. Unser Favorit war die erste Vorspeise: Aal mit Apfel, Hagebuttengel und Speckcrumble. Perfekt austarierte Proportionen, beglückender Geschmacksakkord. Ansprechende Weinbegleitung, ausreichende Weinkarte. Was das Drumherum betrifft: Wenn man in der »Hanse Stube« isst, macht man eine Zeitreise in die Wirtschaftswunderepoche. Ludwig Erhard, Vollbeschäftigung, dicke Bäuche, Zigarren, Wohlstand allenthalben. Dunkel getäfelte hohe Holzdecken, Kellner in Schwarz und Weiß, die Lehrlinge in einer Art Matrosenuniform. Man fühlt sich behütet, weit weg von Trump, Klimawandel und Flüchtlingskrise. Mehr als zeitgemäß sind die Preise. Wenn man sich zu zweit das Sechsgangmenü mit Weinbegleitung gönnt und zwei Gläser Champagner trinkt, ist man mit Wasser und Kaffee bei knapp 500 Euro. Legt man gut 200 obendrauf, kriegt man ganz großes Kino bei Joachim Wissler. Stimmen da die Proportionen?