Typisch für den Küstenteil der Toskana: Der hohe Himmel, die intensive Lichtstrahlung und eine stetig ­wehende Brise.

Typisch für den Küstenteil der Toskana: Der hohe Himmel, die intensive Lichtstrahlung und eine stetig ­wehende Brise.
© Gallery Stock

Das Bourdeaux der Toskana

Am Küstenteil der Toskana entstehen unter anderem Weine mit Namen wie Sassicaia oder Ornellaia – weltberühmte Ikonen des italienischen Weinbaus. Ein Porträt.

© Othmar Kiem

Sassicaia, Ornellaia, Masseto: drei Kultweine aus Italien, die weltweit bekannt sind. Eines haben sie gemeinsam: ihre Herkunft, Bolgheri. Der kleine Ort liegt rund 50 Kilometer südlich von Livorno auf halbem Weg zwischen Meer und Hügeln. Der Ursprung von Bolgheri als Weinbaugebiet von Weltruf ist mit einem Namen verbunden: Sassicaia. Mario Incisa della Rocchetta, Herr auf der Tenuta San Guido und Adeliger aus dem Piemont mit einer Vorliebe für französische Weine, pflanzt schon in den 1940er-Jahren die ersten Cabernet-Sauvignon-Reben.

1968 wird erstmals auf Flaschen gefüllt, und der 1972er triumphiert in einer Verkostung in London über alle ­bekannten Gewächse aus Bordeaux. Nach dem Tod von Mario Incisa führt sein Sohn Nicolò Incisa della Rocchetta die Tenuta San Guido, heute steht die nächste Generation in den Startlöchern.

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Sassicaia ist eine Erfolgsgeschichte, das Gleiche gilt für Bolgheri. Mitte der 1970er-Jahre entsteht mit Grattamacco der zweite Betrieb in Bolgheri. Im Unterschied zu Incisa gab der Gründer von Grattamacco, Pier Mario Meletti Cavallari, immer auch etwas Sangiovese in seine Cuvée. Das prägt den Wein, und auch der neue Eigentümer, der Weinunternehmer Claudio Tipa, der mit Collemassari in Montecucco und Poggio di Sotto in Montalcino zwei weitere exzellente Weingüter besitzt, will diese Tradition beibehalten.

Knapp zehn Jahre später gründete Lodovico Antinori das Weingut Ornellaia und zeigte mit dem Masseto, dass auch Merlot in Bol­gheri hervorragende Ergebnisse erzielen kann. Trotz Besitzerwechsel – Anfang des Jahrtausends ging das Weingut von Antinori in den Besitz der Frescobaldi über – konnten die Weine von Ornellaia durch beständig hohe Qualität beeindrucken. Ornellaia (Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc, Petit Verdot) und Masseto (Merlot) sind heute zwei eigenständige Kreationen. Um das zu unterstreichen, soll im nächsten Jahr der Masseto einen eigenen Keller erhalten, direkt im Weinberg.

© Othmar Kiem

Die legendäre Via Bolgherese

An der Via Bolgherese, die von San Guido zum Hauptort Castagneto Carducci führt, reihen sich die bekannten Weingüter aneinander. Gleich neben Ornellaia liegt Le Macchiole, dessen Gründer Eugenio Compolmi als Erster auf Cabernet Franc setzte. Sein hervorragender Paleo und andere Spitzenweine belegen, dass er auf das richtige Pferd gesetzt hatte.

Gegenüber liegt das kleine Familienweingut Giovanni Chiappini (zehn Hektar), das immer wieder mit hervorragenden Weinen auffällt. Weiter an der Straße folgen Antinoris Guado al Tasso und Poggio al Tesoro von Allegrini. Wenige Kilometer weiter liegt das Weingut Campo alla Sughera der deutschen Unternehmerfamilie Knauf. Unmittelbar dahinter erhebt sich das markante Gebäude von Ca’ Marcanda, das Weingut, das Angelo Gaja Mitte der 1990er-Jahre hier gründete.

Topwein Argentiera

Unterhalb von Castagneto Carducci begegnen wir dem Weingut von Michele Satta. ­Ursprünglich als Agronom bei Ornellaia ­tätig, gründete er in den Neunzigern seinen eigenen Betrieb. Am südlichen Ende des ­Gebiets liegt die Tenuta Argentiera, die den Brüdern Corrado und Marcello Fratini ­gehört. Von der Straße nicht einsehbar, liegen die Weinberge auf einer kleinen Hochebene, von der man einen atemberaubenden Blick auf die vorgelagerten Inseln genießt. Der Grand Vin heißt wie die Tenuta selbst Argentiera, eine bewährte Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot. Dazu gesellten sich in den vergangenen Jahren drei exzellente Sortenweine: Giorgio Bartholomäus (Merlot), Ophelia Maria ­(Cabernet Sauvignon) und Lavinia Maria (Cabernet Franc), benannt nach den Enkelkindern der Eigentümer.

Am entgegengesetzten Ende des Gebiets und eigentlich schon knapp darüber hinaus, in Bibbona, hat Lodovico Antinori sein neues Weingut gegründet, Tenuta di Biserno, das er zusammen mit ­seinem Bruder Piero leitet. Nach den Erfahrungen auf Ornellaia setzt er hier stark auf Cabernet Franc, der mächtige Biserno ist davon geprägt. Auch seiner Liebe zum Merlot ist er treu geblieben. Eine Auslese der besten Trauben kommt unter den Namen Ludovico auf die Flasche. Leider gibt es davon nur ­wenige rare Flaschen, und derzeit wird der deutschsprachige Raum nicht beliefert. Aber das kann sich ja ändern.

Bolgheri im Überblick

Fläche:
1220 Hektar, davon 1050 für die ­Produktion von Bolgheri DOC, Bolgheri Superiore DOC
und Bolgheri Sassicaia DOC.

Jahresproduktion:
5,5 Mio. Flaschen

Zugelassene Traubensorten:
Bolgheri ­Rosso und Superiore
(ab Jahrgang 2011):
0–100 % Cabernet Sauvignon
0–100 % Merlot
0–100 % Cabernet Franc
0–100 % Syrah
0–50 % Sangiovese
< 30 % andere Sorten wie Petit Verdot

Bolgheri Sassicaia:
Mindestens 80 % Cabernet Sauvignon,
Insgesamt knapp 40 Betriebe.

Aus Falstaff Magazin Nr. 06/2014

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
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